Unterhaltsrecht

Kein „SOFA-Leben“ in Texas auf Kosten des Steuerzahlers

Deutschland ist ein reiches Land und hat ein ausgeprägt gutes Sozialsystem. Wer einigermaßen clever ist und sich rechtlich ein wenig auskennt, der kann zur Verwirklichung seiner Lebensträume durchaus manche dafür nötige pekuniäre Unterstützung deutscher Ämter in Anspruch nehmen. Man erinnere sich da vielleicht an jenen durch die BILD-Zeitung als sogenannten „Sozialschnorrer“ bekannt gewordenen „Florida-Rolf“, der sich laut Boulevardpresse einst von deutscher Sozialhilfe in unmittelbarer Strandnähe ein gemütliches „Hängematten-Leben in Miami Beach“ finanzierte.

Für  Deutschlands auflagenstärkste Boulevardzeitung war damals die Sache klar: Ein Abzocker genießt im sonnigen Florida einen sorgenfreien Lebensabend –  und das auf Kosten des Steuerzahlers. „Sozialhilfe unter Palmen“, solle es in Zukunft nicht mehr geben, versprach daraufhin die damalige Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) und der entsprechende Paragraph 119 des Bundessozialhilfegesetzes wurde innerhalb weniger Wochen geändert. Nach der Gesetzesverschärfung wird seither nur noch deutschen Staatsbürgern in ausländischen Krankenhäusern oder Gefängnissen und Überlebenden der Nazidiktatur eine solche Grundsicherung bewilligt.[1]

Antrag auf Elterngeld in Houston/Texas

Womöglich geht da ja doch noch was – zum Beispiel über das deutsche Elterngeld? Das dachte sich vielleicht ein ehemaliger hessischer Postbeamter, den es wohl aus Liebe zu seiner Frau in die USA zog. Für die maximale Bezugszeit von zwölf Monaten nämlich kann das Elterngeld einem Familienvater oder einer Mutter durchaus einen beruflichen wie familiären Neustart ermöglichen. Der Postbeamte beantragte ein solches Elterngeld und hoffte, sein neues Leben in den USA dadurch mit finanzieren zu können.

Anspruch auf Elterngeld haben Eltern, die wegen der Betreuung eines Kindes nicht oder nicht voll erwerbstätig sind oder ihre Erwerbstätigkeit für die Betreuung ihres Kindes unterbrechen. Es soll die Eltern bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage unterstützen und ist deshalb als Entgeltersatzleistung ausgestaltet. Das Elterngeld beträgt zwar maximal nur 67 Prozent des bisherigen Einkommens (mit Ausnahme von Geringverdienern), kann sich aber auf maximal bis zu 1.800 Euro im Monat belaufen.[2]

Ehefrau bei der US-Army

Der 1973 geborene Postbeamte, dem Sonderurlaub ohne Besoldung gewährt wurde, löste 2014 seine Wohnung im Rheingau-Taunus-Kreis auf und reiste mit seiner US-amerikanischen schwangeren Ehefrau in die USA, wo er seitdem ununterbrochen lebt. Seine Ehefrau ist bei der US-Armee beschäftigt. Daher ist der Mann auch seither nicht wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Jeweils nach der Geburt seiner Töchter, im August 2014 und Mai 2016, beantragte der Mann gegenüber dem Land Hessen die Gewährung von Elterngeld. Dies jedoch lehnte das Amt ab, zumal der Mann über keinen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verfüge. Dagegen zog der Mann vor Gericht – das allerdings ohne Erfolg![3]

Der ehemalige Postler hatte seine Wohnung in Deutschland aufgegeben und seinen Hausstand bei einer Freundin untergebracht. Obwohl er seit Juni 2014 in den USA lebte, argumentierte er, dass er weiterhin in in einem inländischen Dienstverhältnis stünde. Es bestehe zudem eine Pflichtversicherung in der deutschen Postbeamten-Krankenversicherung und er sei er weiterhin in der hessischen Heimat gemeldet. Darüber hinaus aber seien weder er noch seine Familienmitglieder verpflichtet, sich melderechtlich erfassen zu lassen.

Ex-Postler legte „SOFA-Identification“ vor

Hierzu legte er eine Kopie seines „Status of Force Agreement” (SOFA-Identification) vom September 2016 vor, wonach er Mitglied eines zivilen Gefolges oder ein Angehöriger eines Mitglieds einer Truppe oder eines zivilen Gefolges der Vereinigten Staaten von Amerika und zur unbeschränkten Ein- und Ausreise in bzw. aus Deutschland berechtigt sei. Zum Ende der Elternzeit wolle er in jedem Fall zurück nach Deutschland kommen. Ein entsprechender Mietvertrag in Hessen existierte nicht. Dem Sozialgericht Wiesbaden reichte das nicht.

Die alleinige Behauptung, dass Möbel in der Wohnung einer Bekannten untergebracht worden seien, beweise nicht, dass der Kläger dort eine Wohnung unter Umständen innehabe, welche darauf schließen lasse, dass er diese Wohnung beibehalten und nutzen werde. Voraussetzung einer Wohnung im vorgenannten Sinne erfüllten nur Räumlichkeiten, die als ständiges Heim für eine dreiköpfige Familie geeignet seien und jederzeit zur Benutzung zur Verfügung ständen. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland erfordere eine regelmäßige Anwesenheit. Auch dies sei im Fall des Klägers nicht gegeben, befand das Gericht.

Teilzeitpförtner beim Konsulat

Auch die Richter in zweiter Instanz, des Landessozialgerichtes Darmstadt, gaben dem Land Hessen Recht. Der Kläger habe weder seinen gewöhnlichen  Aufenthalt noch einen Wohnsitz in Deutschland. Sein Aufenthalt in den USA vor mehr als einem Jahr geplant gewesen und sein Dienstherr, die Deutsche Post AG, habe ihn auch nicht ins Ausland versetzt oder abgeordnet. Der Kläger sei schließlich nicht nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig.

Denn das Generalkonsulat Houston (Texas), bei welchem der Kläger seit September 2015 als Pförtner teilzeitbeschäftigt ist, sei eine deutsche Behörde auf exterritorialem Gebiet ohne zwischen- oder überstaatlichen Charakter. Zudem sei bereits zum Zeitpunkt der Ausreise des Mannes in die USA der möglicherweise vorhandene Rückkehrwille nicht an objektiven Gegebenheiten erkennbar gewesen.

Wohnsitz in Deutschland nötig

Das Landessozialgericht Darmstadt erkannte zwar die Berufung als form- und fristgerecht für zulässig. Inhaltlich aber sei das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 1. November 2018 nicht zu beanstanden. Denn nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BEEG( Bundesgesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit) hat Anspruch auf Elterngeld nur, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, wer dieses Kind selbst betreut und erzieht und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.

Eine vorübergehende räumliche Trennung vom Wohnort stehe der Beibehaltung des bisherigen Wohnsitzes zwar nicht entgegen. Bei einem von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalt jedoch reiche die Feststellung der Rückkehrabsicht und der Möglichkeit der jederzeitigen Rückkehr in die Wohnung allein nicht aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes annehmen zu können.

Urteil rechtskräftig

Auch die Ausnahmebestimmungen nach nach § 4 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV), für diejenigen Personen, die dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen oder im Rahmen ihres in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert sind, lägen in diesem Fall nicht vor. Da der Kläger weder Entwicklungshelfer noch Missionar sei, finde auch die weitere Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BEEG keine Anwendung auf ihn.

Schließlich erfülle der Kläger auch nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BEEGb für die bei die bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätigen Personen. Das Generalkonsulat, bei dem der Ex-Postler al Pförtner tätig ist, in Houston falle nicht in diesen Anwendungsbereich. Ein Generalkonsulat sei eine konsularische Auslandsvertretung eines souveränen Staates, die eigenständig  und unabhängig von der Konsularabteilung der Botschaft organisiert ist (§ 3 Abs. 1 Gesetz über den Auswärtigen Dienst GAD). Dieser Einrichtung fehle es demnach an dem nötigen zwischen- oder überstaatlichen Charakter. Zudem war der Mann dort als sogenannte Ortskraft nach den dort maßgebenden gesetzlichen Vorgaben angeworben und eingestellt worden.

Das Urteil ist rechtskräftig. Eine Revision ließ das Gericht mangels Vorliegen rechtlicher Voraussetzungen nicht zu, denn grundsätzliche Bedeutung sei über den vorliegenden Einzelfall hinaus nicht ersichtlich.

Einzelnachweise:

[1] Berliner Zeitung: „Bild-Kampagne gegen Florida-Rolf: Hinterhofwohnung statt Miami Beach“, in: berliner-zeitung.de vom 7. August 2013, Abruf am 11.März 2020.

[2] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: „Elterngeld und ElterngeldPlus“, in: bmfsfj.de vom 23. August 2019, Abruf am 11.März 2020.

[3] Sozialgericht Darmstadt: „Kein Elterngeld bei Wohnsitz im Ausland“, in: sozialgerichtsbarkeit.hessen.de vom 4. März 2020, Urteil unter lareda.hessenrecht.hessen.de, Abruf am 11.März 2020.

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Anton Anger

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