Reiserecht

EuGH: Mehr Transparenz für Online-Kunden der Deutschen Bahn

Wer ein Produkt online einkauft, der kann es laut einer EU-Richtlinie innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurückgeben. Gilt das auch für die BahnCard der Deutschen Bahn? Für die BahnCard25 sowie die BahnCard50 bejaht der Europäische Gerichtshof (EuGH) dies ausdrücklich und stärkt damit vielen Verbrauchern den Rücken. Die Deutsche Bahn muss nach der EuGH-Entscheidung ihre Kunden beim Online-Kauf einer BahnCard künftig besser über ihre Widerrufsrechte informieren.[1]

Die BahnCard dient der Deutschen Bahn als wichtiges Instrument zur Kundenbindung und gilt seit vielen Jahren als ein ebenso beliebtes wie auch bewährtes Rabattsystem. Sie ist vergleichbar mit der österreichischen „Vorteilscard“ und dem Schweizer „Halbtax“ (resp. dem „Generalabonnement“) und gewährt dem Bahnkunden wahlweise Rabatte von 25 bzw. 50 Prozent beim Fahrscheinerwerb. Die BahnCard25 bzw. BahnCard50 nutzen nach eigenen Angaben der Deutschen Bahn AG derzeit rund 5,2 Millionen Menschen.[2]

BahnCard100 nicht tangiert

Die BahnCard100 ist ein Sonderfall und von dem EuGH-Urteil nicht tangiert, denn mit ihr kann man ohne weitere Kosten beliebig viele Fahrten mit der Deutschen Bahn unternehmen. Diese Karte gilt dabei quasi selbst als Fahrschein und insofern ist der separate Kauf eines Fahrscheines beim Besitz dieser Karte nicht mehr nötig.

Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt geklagt hatte die Verbraucherzentrale Berlin. Die Verbraucherschützer waren offensichtlich zurecht der Ansicht, dass die Kunden beim Internet-Kauf einer BahnCard25 oder einer BahnCard50 über ihr Widerrufsrecht informiert werden müssten. Überdies solle die Bahn ihren Kunden ein Muster des Widerrufs.Formulars zur Verfügung stellen, forderten die Berliner Verbraucherschützer.

Fahrscheinerwerb in EU-Richtlinie ausgenommen

Grundlage der Entscheidung des höchsten europäischen Gerichtes ist die EU-Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates über die Rechte der Verbraucher bezüglich außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, insbesondere auch bei Vertragsabschlüssen im sogenannten Fernabsatzgeschäft. In dieser Frage hatten die Frankfurter Richter den EuGH in einem „Vorabentscheidungsersuchen“ um eine Auslegung der entsprechenden EU-Richtlinie gebeten. Konkret wollte das OLG Frankfurt wissen, ob der Onlinekauf einer BahnCard einen Dienstleistungsvertrag im Sinne dieser Richtlinie darstelle.[3]

Strittig dabei war insbesondere, ob der BahnCard-Kauf vom Geltungsbereich der Richtlinie eventuell ausgenommen sei, weil es sich dabei womöglich um einen Vertrag zur Beförderung von Personen handele. Denn wie auch der EuGH in seiner Entscheidung ausführt, sei die Richtlinie 2011/83 eng auszulegen, da sie (nach Artikel 3, Buchstabe k) ausdrücklich Verträge über die Beförderung von Personen teilweise von ihrem Geltungsbereich ausnehme.

Zweierlei rechtliche Vorgänge

In ihrer Entscheidung der neunten Kammer des EuGH stellten die Luxemburger Richter jedoch klar, dass  der Begriff „Dienstleistungsvertrag“ gerade auch all jene Verträge erfasse, die den Verbraucher zur Inanspruchnahme eines Rabatts beim späteren Abschluss von Personenbeförderungsverträgen berechtigen. Die Inanspruchnahme eines Rabatts, die bei einem späteren Abschluss von Personenbeförderungsverträgen berechtige, und der möglicherweise darauf folgende Erwerb eines Fahrscheins für die Personenbeförderung seien zwei rechtlich voneinander getrennte Verträge.

Würde kein Fahrschein zu einem ermäßigten Entgelt erworben, erhielte der Verbraucher nämlich im Falle eines Widerrufs den als Preis für die Karte entrichteten Betrag zurück und verliere so lediglich den Anspruch auf einen Rabatt beim späteren Kauf von Fahrscheinen zur Personenbeförderung. Würde hingegen während der Widerrufsfrist ein solcher Fahrschein erworben, wäre es möglich, den Verbraucher zur Zahlung der Differenz zwischen dem ermäßigten Fahrscheinpreis infolge der Benutzung der Rabattkarte und dem normalen Fahrscheinpreis heranzuziehen.

Zur Frage des Widerruf-Formulars äußerte sich der EuGH nicht. Über den Rechtsstreit zwischen der Deutschen Bahn und den Berliner Verbraucherschützern muss endgültig nun das Frankfurter Gericht entscheiden. Die Deutsche Bahn kündigte an, sie wolle die Entscheidung der Luxemburger Richter zunächst einmal genau prüfen.

Einzelnachweise:

[1] Europäischer Gerichtshof EuGH: „Urteil in der Rechtssache C‑583/18“, in: curia.europa.eu vom 12. März 2020, Abruf am 12. März 2020.

[2] Deutsche Bahn: „BahnCard 25 und 50 jetzt auch zehn Prozent günstiger – Probe BahnCard schon ab 17,90 Euro“, in: deutschebahn.de vom 10. Januar 2020, Abruf am 12. März 2020.

[3] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: „Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher“, in: eur-lex.europa.eu vom 25. Oktober 2011, Abruf am 12. März 2020.

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Wilfried Müller

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