Reiserecht

Restzahlungen bei Pauschalreisen

Pauschalreisen in Coronazeiten: Muss ich den Restpreis bezahlen?

Sind Sie wegen der Coronalage noch unsicher, ob Ihr geplanter Urlaub stattfindet? Bevor Sie den vollständigen Reisepreis bezahlen, sollten Sie sich als Verbraucher gründlich über Ihre Rechte informieren.

Kann ich kostenlos stornieren?

Wenn ein Reisender die gebuchte Pauschalreise ohne einen zwingenden Grund storniert, kann es zur Zahlung von Stornokosten verpflichtet werden. Die aktuelle Unsicherheit aufgrund der Coronapandemie kann jedoch ein Grund sein, um kostenfrei vom Vertrag zurückzutreten. Voraussetzung ist, dass die Durchführung der geplanten Reise aufgrund außergewöhnlicher und unvermeidbarer Umstände gefährdet ist. Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes bilden hierfür ein starkes Indiz. Seit dem 15. Juni 2020 gilt zwar keine weltweite Reisewarnung mehr, aber für 160 Staaten außerhalb der EU bleibt die Warnung bis mindestens Ende August bestehen. Weitere Anhaltspunkte für die Gefährdung der geplanten Reise sind Einreisebeschränkungen oder Quarantäneauflagen im Zielgebiet.

Wann und wie muss ich den Rücktritt erklären?

Bei Vorliegen einer Reisewarnung muss eine geplante Reise nicht zwangsläufig ausfallen, denn die Warnung dient nur als staatliche Empfehlung an mündige Bürger. Möchte jemand trotzdem seinen Urlaub antreten und liegen keine unüberwindbaren Hindernisse vor, bleibt die Durchführung möglich. Deshalb müssen Sie als Urlauber selbst aktiv werden und sich gegenüber dem Reiseveranstalter auf die unvermeidbaren Umstände berufen. Die Rücktrittserklärung unterliegt keiner bestimmten Form und wird auch mündlich wirksam. Damit Sie den Zugang später beweisen können, sollten Sie sie aber schriftlich, am besten per Einschreiben, abgeben. Wegen der schwierigen Prognose über die Verhältnisse im Zeitpunkt des Reiseantritts erklären Sie den Rücktritt frühestens vier Wochen im Voraus.

Was passiert mit dem ausstehenden Restpreis?

Nach einem wirksamen Rücktritt muss der gesamte Vertrag rückabgewickelt werden, der Veranstalter wird von der Verpflichtung zur Leistung frei, der Reisende muss den Kaufpreis nicht bezahlen. Eine bereits geleistete Anzahlung muss der Reiseveranstalter erstatten. Die Pflicht zur Zahlung des Restpreises, der im Regelfall 30 Tage vor Reiseantritt fällig wird, entfällt. Solange aber keine der Parteien den Rücktritt erklärt hat, bleibt der Anspruch auf Zahlung des vollständigen Reisepreises grundsätzlich bestehen.

Greift die Unsicherheitseinrede nach § 321 BGB?

Auch wenn der Vertrag von keiner Seite aufgelöst wurde, können Sie sich als Urlauber in Coronazeiten auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen und den Restpreis vorerst einbehalten. Nach § 321 BGB kann eine Partei die sogenannte Unsicherheitseinrede erheben, wenn die andere Partei erkennbare Schwierigkeiten hat, die vereinbarte Gegenleistung zu erbringen. Diese Vorschrift wurde im Reiserecht ursprünglich nur auf Fälle drohender Insolvenz des Veranstalters angewendet. Die Rechtsprechung erkennt inzwischen auch an, dass das Leistungsverweigerungsrecht bei Kriegen oder Naturkatastrophen eingreift. Nach der herrschenden Lehre soll es während der Coronapandemie ebenfalls zur Anwendung kommen.
Als Reisender sollten Sie daher keine weiteren Zahlungen leisten, solange die Durchführung Ihrer Pauschalreise ungewiss ist. Nehmen Sie Kontakt mit Ihrem Reiseveranstalter auf und finden Sie eine zufriedenstellende Lösung.

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CHLA

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