Sonstiges

Ausprobieren der Ware nach Online-Kauf erlaubt

Kauft ein Verbraucher ein Produkt im Internet, so hat er das Recht, die Ware angemessen zu prüfen. Schickt er die Ware danach zurück, muss Ihm der Verkäufer den vollen Kaufpreis erstatten. Das entschied das Bezirksgericht Bregenz (Austria) nach einer Klage des Vereins für Konsumenteninformation (VKI).[1]

Im konkreten Fall hatte ein Kunde im  Online-Shop des auf die Erstausstattung von Kleinkindern spezialisierten Versandhaus Walz GmbH  (Höchst, Bezirk Bregenz) einen Autokindersitz erworben. Nach der Zustellung packte der Käufer den Kindersitz im Freien unter einem Carportdach aus, um diesen im Auto zu montieren, die entsprechenden Funktionen des Kindersitzes zu testen und den Sitz für sein Kind einzurichten. Dazu entfernte er ein größeres Etikett.

Gebrauchsspuren durch Montage

Bei der Montage stellte er jedoch fest, dass das Kind nicht in Fahrtrichtung im Kindersitz angegurtet werden konnte, sondern nur mit einem Sicherheitsbügel, der die Bewegungsfreiheit des Kindes einschränkte. Der Käufer beschloss daher, von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen und schickte den Kindersitz  an den Online-Versandhändler zurück.

Der Verkäufer vermerkte nach Erhalt, dass der Kindersitz am Boden zerkratzt ist und das Etikett entfernt wurde. Der Unternehmer akzeptierte zwar den Rücktritt des Kunden vom Kauf der Ware. Aufgrund leichter Gebrauchsspuren bewertete der Verkäufer den Wert des zurück geschickten Kindersitzes jedoch mit Null Euro und lehnte deshalb eine Rückerstattung des Kaufpreises ab.

Einmaliges Montieren ist angemessen

Der VKI unterstützte den Käufer im Auftrag des österreichischen Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) bei der Rückerlangung seines Geldes und klagte gegen das Versandhaus Walz GmbH auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 323,10 Euro zzgl. vier Prozent Zinsen. Dieser Klage gab das Bezirksgericht (BG) Bregenz nun statt.[2]

Nach § 15, Abs. 4 des österreichischen Bundesgesetzes über Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz, FAGG) haben Verbraucher beim Rücktritt vom Onlinekauf dem Unternehmer nur dann eine Entschädigung für eine Minderung des Verkehrswerts der Ware zu zahlen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umgang mit derselben zurückzuführen ist (§ 15 Abs 4 FAGG). Aus Sicht des Gerichtes  sei in in diesem Fall ein einmaliges Montieren des Kindersitzes im  Auto zum Testen angemessen gewesen. Das würde demnach keine Ersatzpflicht des Verbrauchers auslösen.

Laut Gericht tat der Käufer lediglich das, was zur Prüfung von Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweisen üblicherweise notwendig war. Das Entfernen eines großen Etiketts ohne Beschädigung der Ware sowie leichte Kratzspuren durch das Abstellen des recht unhandlichen Kindersitzes auf dem Boden gehe über einen angemessenen Umgang mit der Ware im Rahmen einer Prüfung nicht hinaus.

Laut Urteilsbegründung sei der Konsument nicht vom Versandhändler nicht darüber bzw. darauf hingewiesen worden, dass er den gegenständlichen Kindersitz im Zuge des Auspackens nicht auf einer groben Oberfläche wie etwa einer Asphaltfläche abstellen dürfe, da es allenfalls diesbezüglich zu Kratzspuren kommen kann.”Auch die Entfernung des Etikettes stehe dem Rücktrittsrecht nach FAGG nicht entgegen. Denn das Etikett ragte auf die Sitzfläche und wäre für das Kind störend gewesen.

Erstes Urteil zum Wertersatz nach Gebrauch

Das Urteil stellt damit klar: Leichte Gebrauchsspuren berechtigen den Verkäufer nicht, den Kaufpreis einzubehalten. Tritt ein Verbraucher von einem Online-Kauf zurück, so habe hat er dem Verkäufer nur dann eine Entschädigung für eine Wertminderung zu zahlen, wenn er die Ware auf unangemessene Weise prüfen würde.

Nach Ansicht des VKI komme dem Urteil des BG Bregenz eine wegweisende Bedeutung zu. Es sei die erste gerichtliche Entscheidung, die eingrenze, unter welchen Bedingungen Konsumentinnen und Konsumenten einen Wertersatz für das Ausprobieren von online gekauften Ware zu zahlen haben.[3]

Einzelnachweise:

[1] Der Standard: „Urteil: Online gekaufte Waren dürfen vom Verbraucher ausprobiert werden“, in: derstandard.at vom 9. März 2020, Abruf am 10. März 2020.

[2] Bezirksgericht Bregenz: „Urteil 3 C 537/19a“, in: verbraucherrecht.at vom 3. März 2020, Abruf am 10. März 2020.

[3] Verein für Konsumenteninformation: „Autokindersitz: Rücktritt nach Probemontage“, in: verbraucherrecht.at, vom 9. März 2020, Abruf am 10. März 2020.

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Werner Schmid

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