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Corona-Krise: Kommt eine bundesweite Ausgangssperre?

Die „Ausgangssperre”, ein politisch, militärisch oder polizeilich verordnetes Verbot, öffentliches Gelände wie Straßen, PParkanlagen oder Plätze zu betreten, ist gewiss der  schärfste Eingriff der Staates in die Freiheitsrechte der Bürger. Das wissen und fürchten die Regierungschef der Länder und sind bei ihrer Wortwahl in der Verkündung derart drastischer Maßnahmen entsprechend vorsichtig, Der Freistaat Bayern und das Saarland haben deshalb nur verschärfte „Ausgangsbeschränkungen” erlassen- andere Bundesländer sind den Bestimmungen zumindest in Teilen gefolgt.

In Zeiten einer in der Tat äußerst bedrohlichen Pandemie machen sogenannte „Nicht-Pharmazeutische Interventionen“ (NIP), wie temporäre Gastronomie-Einschränkungen, Konzertverbote und Veranstaltungsabsagen fraglos ihren Sinn.  Ein Erlass von „Ausgangssperren” oder in der sprachlich wie inhaltlich  abgemilderten Form sogenannter „Ausgangsbeschränkungen“ fußt auf Artikel 28 des Infektionsschutzgesetzes – einer gesetzlichen Verordnung, die selbst der ansonsten durchaus rechtsbeflissene und gesetzeskundige Autor dieser Zeilen bis vor wenigen Wochen zugegebenermaßen noch nicht auf dem Schirm hatte:[1]

Infektionen rechtfertigen Freiheitsenschränkung

In Absatz 1 des Artikel 28 dieses Infektionsschutzgesetzes heißt es: „Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen“. Und dezidiert kann man zwei Zeilen später lesen: „Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) werden insoweit eingeschränkt!..

Die Gesundheit der Bürger ist Ländersache und so wollen die Länderchefs in einer Telefonkonferenz mit  Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag (22.03.2020) über eine gemeinsame Linie zur Umsetzung der „Ausgangssperren” oder sprachlich milder und wohlfeileren „Ausgangsbeschränkungen“ beraten. Markus Söder, Landesvater des Freistaates Bayern, jedoch kocht wieder einmal sein eigenes Süppchen und prescht in trauter Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege schon einmal vor. So erließ der Freistaat – schon geltend ab Freitag-Mitternacht, 20. März – auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Verbindung mit § 65 Satz 2 Nr. 2 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV) eine in der bundesdeutschen Rechtsordnung wohl bislang einzigartige Allgemeinverfügung (Az. Z6a-G8000-2020/122-98).[2]

Anderthalb Meter Abstand

Die Anordnung ist äußerst straight: „Jeder wird angehalten, die physischen und sozialen Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren. Wo immer möglich ist ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 m einzuhalten. Untersagt werden Gastronomie-Betriebe jeder Art. Ausgenommen ist die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen”. Untersagt wird der Besuch von Krankenhäusern Reha-Einrichtungen, Alten. und Pflegeheimen sowie Seniorenresidenzen.

Lediglich Wege zur Arbeit, zum Einkauf, zum Arzt und Apotheker sowie Sport und Spaziergänge (einzeln!) sind noch erlaubt. Die Polizei ist angehalten, die Einhaltung der Ausgangsbeschränkungen zu kontrollieren. Im Falle einer Kontrolle sind die triftigen Gründe durch den Betroffenen glaubhaft zu machen.

Unterschiedliche Regelungen

Ein Verstoß gegen diese Allgemeinverfügung kann nach § 73 Abs. 1a Nr. 6 des Infektionsschutzgesetzes als Ordnungswidrigkeit geahndet werden und Bußgelder in Höhe von bis zu 25.000 Euro bzw. Freiheitsstrafen nach sich ziehen. Mehr Einschränkung geht wohl kaum!

Das Saarland ist dem Beispiel Bayerns weitestgehend gefolgt. Andere Bundesländer haben je nach Corona-Betroffenheit zumindest in Teilen nachgezogen. Und dabei entwickelte sich bundesweit ein bunter Flickenteppich unterschiedlicher Vorschriften: Bayern hat sich dazu entschieden, das öffentliche Leben komplett herunterzufahren und umfassende Ausgangsbeschränkungen erlassen, In Baden-Württemberg sind wegen der Corona-Krise Zusammenkünfte von mehr als drei Menschen an öffentlichen Orten verboten, in Hamburg hingegen dürfen sich immer noch bis zu sechs Personen gemeinsam in der Öffentlichkeit treffen.

Keine Corona-Info am Airport?

Dabei schert sich offensichtlich die eine Behörde kaum darum, was die andere tut. Dies ergab eine konkrete  Presseanfrage von Anwalt-Innovativ bezüglich von Einreisen aus Spanien. Wir konnten mit einem deutschen Staatsbürger sprechen, der Mittwoch-Nacht von einer touristischen Reise aus Spanien heimgekehrt ist. Er berichtete, dass Grenzbeamte am Flughafen München trotz des Schengen-Abkommens zwar seinen Pass ungewöhnlich lange studiert hätte,

Doch obwohl er aus dem nach Italien europaweit am stärksten von der Corona-Krise betroffenen Land Spanien (weit mehr als 1000 Tote!) einreiste, wurde ihm  – wie auch anderen Reisenden aus Spanien – noch nicht einmal eine selbst auferlegte 14-tägige Quarantäne empfohlen. Keine gesundheitliche Aufklärung – kein Papier, keine Ifo! Das deckt sich leider mit Berichten anderer am Münchner Airport einreisenden Mitbürger*innen, und entspricht so ganz und gar nicht den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI).[3]

Innenministerium duckt sich weg

Das bayerische Innenministerium duckte sich auf unsere Anfrage weg. Martin Scholtysik, stellvertretender Pressesprecher des Bayerischen Staatsministerium des Innern, Sport und Integration, verwies lapidar auf die Bundespolizei und die Pressestelle des Flughafens München. Die Bundespolizei aber ist lediglich für für die grenzpolizeilichen Maßnahmen, insbesondere für die die Einreisekontrollen zuständig (siehe Bundespolizeigesetz).

Polizeisprecher Thomas Borowik, erster Polizeihauptkommissar in der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit der Bundespolizeidirektion München, erläuterte Anwalt-Innovativ gegenüber die vom Bayerischen Innenministerium entsprechend angeordnete Aufhebung der Einreise-Freizügigkeit des Schengener Grenzkodexes, gemäß der Leitlinie des Paragraph 28: „Auf Grundlage der gesammelten Erfahrungen in Bezug auf die Funktionsweise des Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen und als Beitrag zur Gewährleistung einer kohärenten Umsetzung des Schengen-Besitzstands kann die Kommission Leitlinien zur Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen erarbeiten, und zwar in Fällen, die eine Maßnahme als vorübergehende Reaktion verlangen, und in Fällen, die eine sofortige Maßnahme erforderlich machen”.[4]

Corona-Virus fährt Karussel

Auch die Pressestelle des Flughafens Münchens schiebt unsere Anfrage an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit weiter. Und: „Bei Fragen zur Einreise nach Deutschland müssten Sie sich bitte an die dafür zuständige Bundespolizei wenden”, schreibt Florian Steuer von der Unternehmenskommunikation der Flughafen München GmbH FMG.

„Wir drehen uns im Kreise“, sagte uns Thomas Borowik heute im freundlichen Telefonat. Denn die Zuständigkeit der Bundespolizei erstrecke sich „nicht auf Maßnahmen auf Grundlage des Gesetzes zur Verhütung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG). Solche Maßnahmen, auch bei aktuellen Ankünften von Flugreisenden am Flughafen München, obliegen den jeweiligen Gesundheitsbehörden!“, so Borowik,. Zuständig für die Einreise sei das bayerische Innenministerium.

Damit haben nicht nur wir mit unseren Presseanfragen eine mehr oder eher weniger runde Karusselfahrt gezirkelt. Auch das neuartige Corona-Virus reist bei der größten Rückholaktion in der Geschichte der Bundesrepublik am zweitgrößten Drehkreuz der Republik  mit ein und fährt wie wir offensichtlich munter weiter Karussell! Das ist – verzeihen Sie mir bitte den harschen Kommentarton – auf einer nach unten bodenlos-offenen Skala irgendwo abwärts: von irritierend, erschreckend bis hin zu erbärmlich. Und es ist für manche Menschen leider auch tödlich!

Ich möchte Sie aber, werte Lesende dieses Stückes, nicht mit solch herben Worten entlassen. Darum hier doch noch etwas Positives: Der von uns nach der Rückkehr aus Spanien befragte Mitbürger aus dem oberbayerischen Freising fühlt sich glücklicherweise gesund. Er muss zwar nicht in Quarantäne. Aber er ist klug genug, seine schon etwas betagten und gesundheitlich vorbelasteten Eltern vorerst nicht zu besuchen.

Einzelnachweise:

[1] Bundesamt für Justiz: „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG)“, in: gesetze.im.internet,de, Abruf am 21. März 2020.

[2] Bayerische Staatsregierung: „Vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie“, in: bayern,de vom 20. März 2020, Abruf am 21. März 2020.

[3] Robert-Koch-Institut: „Rahmenkonzept Epidemisch bedeutende Lagen“,  in: rki.de, Oktober 2019, Abruf am 21. März 2020.

[4] Europäischer Rat und Europäisches Parlament:: „Verordnung (EU)  2016/399 (Schengener Grenzkodex)“, vom 9.März 2016, in: eur-lex.europa.eu, Abruf am 21. März 2020.

 

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Werner Schmid

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