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EuGH: Boote dienen nicht als Herberge

Die Mehrwertsteuer verstehe einer, der will. Vor allem weil es in Deutschland zwei Sätze gibt: Wer seine Pommes direkt bei McDonald oder Burger King futtert, muss 19 Prozent berappen.  Wer sie aber mit hinausnehmen will,  zahlt den ermäßigten Satz Wer clever ist, bestellt folglich „zum Mitnehmen“ und kann sich später ja immer noch überlegen, die Kartoffelstäbchen im Lokal zu verzehren. De facto wäre er dann zwar ein Steuerbetrüger. Aber Hand aufs Herz: Wen kratzt das?[1]

Für Tampons oder Binden müssen Frauen seit dem 1. Januar nur noch die verringerte Mehrwertsteuer zahlen[2]. Dabei ist es unerheblich, ob sich die Frau ihren im Laden erworbenen Menstruationsschutz in der Packung mit nach Hause nimmt oder sich direkt im Shop . . . – aber lassen wir das. Die „Märchensteuer“ (wie der Volksmund sagt) ist einfach nur ungerecht. Sie ist in vielen Fällen willkürlich und prinzipiell unlogisch. Denn sie folgt ihren eigenen Gesetzen![3]

Ermäßigter Satz verbilligt Dienstleistungen

Aber sie provoziert Neid: Denn wird statt des vollen Mehrwertsteuersatzes per Gesetzesverordnung nur noch der ermäßigte Satz angewandt, verbilligen sich Waren und Dienstleistungen. Wie eben wohl beabsichtigt im oben erwähnten Fall der Hygiene-Artikel für Frauen: Diese Ermäßigung dient nämlich allein dem Kampf gegen „Perioden-Armut” und speziell zur Abfederung sozialer Härten und daraus folgenden etwaigen Verwerfungen bei jungen Mädchen.[4]

Die „armen“ Wassersportler der Segler-Vereinigung Cuxhaven e. V. hingegen müssen künftig den vollen Mehrwertsteuersatz berechnen, wenn ihre segelnde Gäste, die sie beherbergen, bei ihren Wochenendtörns, einen ihrer Liegeplatz beanspruchen. Denn der ermäßigte Mehrwertsteuersatz sei nicht auf die Vermietung von Bootsliegeplätzen anwendbar, entschied jetzt der Europäische Gerichtshof EuGH in Luxemburg.[5]

Steuerprüfung brachte Ungemach

Der Kläger ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein, dessen Zweck die Förderung des Segel- und Motorwassersports ist. Er unterhält etwa 300 Bootsliegeplätze, von denen ungefähr die Hälfte an seine Mitglieder vergeben sind. Die Vereinsmitglieder sind verpflichtet, bei Abwesenheit die Nutzung ihrer Liegeplätze durch Gäste zu dulden. Die übrigen Liegeplätze stehen den Gästen uneingeschränkt zur Verfügung.

In den Jahren 2010 bis 2012  unterwarf der Revisionskläger des Ausgangsverfahrens die Entgelte aus der Überlassung der Bootsliegeplätze an Gäste dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Nach einer bei dem Verein durchgeführten Prüfung beschloss das Finanzamt, die Umsatzsteuerbescheide für die streitigen Jahre zu ändern, und unterwarf die besagten Entgelte dem Mehrwertsteuerregelsatz von 19 Prozent.

Gleichbehandlung mit Campern und Wohnmobilisten?

Gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts legten die Segelfreunde Revision beim Bundesfinanzhof ein. Ihrer Ansicht nach verletzt die Besteuerung der Vermietung von Bootsliegeplätzen mit dem Mehrwertsteuerregelsatz den allgemeinen Gleichheitssatz. Denn die Überlassung von Flächen für Wohnmobile und Wohnwagen unterlägen schließlich auch dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Eine gleichheitssatzkonforme Auslegung würde, so der Revisionskläger des Ausgangsverfahrens, dazu führen, dass alle wie auch immer gearteten Formen der kurzfristigen Beherbergung einheitlich dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu unterwerfen wären. Der Schwerpunkt der von ihm ausgeführten Leistungen sei die Überlassung von Bootsliegeplätzen zum Zwecke der Beherbergung von Seglern. So falle das Hafengeld ausschließlich bei Übernachtungen an.

Der Bundesfinanzhof, offensichtlich mit seinem Segler-Latein im Zweifel, beschloss, daraufhin das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen. Zu klären hatte der EuGH folglich: Umfasst die Steuersatzermäßigung für die Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen nach Art. 98 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit Anhang III Nr. 12 dieser Richtlinie auch die Vermietung von Bootsliegeplätzen?

Boote nicht hauptsächlich Beherbergungsorte

Die Richter der achten Kammer des Luxemburger Gerichtshofes sagten Nein! Die Dienstleistungen der Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen einerseits und die Dienstleistungen der Vermietung von Bootsliegeplätzen andererseits erfüllten unterschiedliche Zwecke. Denn Segel- und Motorboote dienten zumindest nicht hauptsächlich als Beherbergungsorte.

Segler also könnten ja auch über Nacht ins Hotel gehen, obwohl sie genauso wie Camper in ihrer Yacht auch ihr eigenes mobiles Zuhause mit dabei haben? Das freilich erwartet man von Wohnwagen-Campern und Wohnmobilisten, die mit ihrem Gefährt über Nacht einen Campingplatz aufsuchen, nicht. Diese Rechtsprechung – wie eingangs bereits gesagt – verstehe, wer will.

Einzelnachweise:

[1] Focus Money: „Zehn Sündenfälle: Die Mehrwertsteuer“, in focus.de vom 29. Mai 2008, Abruf am 3. Januar 2020.

[2] T-Online: „Tampons sind nun auch in Deutschland günstiger“, in: t-online.de vom 2. Januar 2020, Abruf am 3. Januar 2020.

[3] Deutschlandfunk Nova: „Unlogisch, willkürlich, ungerecht“, in: deutschlandfunknova.de vom 24. Mai 2018, Abruf am 3. Januar 2020.

[4] N-tv: „Kampf gegen Perioden-Armut geht voran“, in: n-tv.de vom 2. Januar 2020, Abruf am 3. Januar 2020.

[5] Europäischer Gerichtshof: „Urteil in Rechtssache C715/18“, in: curia.europa.eu vom 19. Dezember 2019, Abruf am 3. Januar 2020.

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Anton Anger

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  • Die Steuersätze auf Restaurationsumsätze (Beispiel: McDonalds) sind mE nicht korrekt dargestellt. Ein Verzehr der Speisen an Ort und Stelle kann als sonstige Leistung nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Das träfe nur auf eine Lieferung und damit auf den Mitnahmefall zu.

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