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CSU kassiert empfindliche Schlappe vor Gericht

Gegen alle Widerstände und rechtlichen Bedenken peitschte die bayerische Regierung vor drei Jahren im Landtag ihr strenges Integrationsgesetz durch. Nach einer bis in die frühen Morgenstunden währenden  Marathonsitzung hatten die die damals alleinregierende CSU mit ihrer absoluten Mehrheit das umstrittene Gesetz durchgedrückt beschlossen worden. Damals überstimmte die CSU auch die jetzt mit ihr gemeinsam regierenden Freien Wähler. Nun gab es dafür vor Gericht die Quittung.[1]

Dem Gesetz ist eine Präambel vorangestellt, die den Begriff der „Leitkultur“ definiert. Diese sei nach Ansicht der Richter  mangels eigenständigen Regelungsgehalts aber nicht für sich genommen an den Vorgaben der Bayerischen Verfassung zu messen. Im Folgenden jedoch wurden in dem Gesetz allgemeine lntegrationsziele für Migrantinnen und Migranten formuliert und die weiteren Bestimmungen enthielten dazu Regelungen für eine Vielzahl von Lebensbereichen, durch die auch einige andere, bereits bestehende Gesetze geändert wurden. Gegen das Integrationsgesetz geklagt hatten deshalb die Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen.

Widersprüche zu Pluralismus und Meinungsvielfalt

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof gab den Anträgen der Landtagsfraktionen von SPD und  Bündnis 90/Die Grünen nun in weiten Teilen Recht. So verletze die gesetzliche Verpflichtung, die in der Präambel des Bayerischen Integrationsgesetzes definierte „Leitkultur“ in Rundfunk- und Telemedienangeboten zu vermitteln, die Rundfunkfreiheit und das Recht der freien Meinungsäußerung. Der Auftrag zur Vermittlung einer Leitkultur stehe in diametralem Gegensatz zu dem Auftrag, Pluralismus und Meinungsvielfalt möglichst breit abzusichern. Das Gesetz greife in dieser Frage in die inhaltliche Programmfreiheit ein und sei nicht durch die Schranken des Grundrechts gerechtfertigt, Urteilte das Gericht. Dies nämlich verstoße gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks und damit gegen Art. 111 a der bayerischen Verfassung.

Die Befugnis der Sicherheitsbehörden, Personen allein aufgrund einer bestimmten Einstellung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu einem Grundkurs über deren Werte zu verpflichten, stelle ebenfalls einen unzulässigen Eingriff in die Meinungsfreiheit dar. Und die im Gesetz vorgesehene Bußgeldsanktion bei Aktivitäten, die auf eine Ersetzung der bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung durch eine andere Rechtsordnung abzielen, verstoße nach Ansicht  gegen die abschließende bundesgesetzliche Regelung des strafrechtlichen Staatsschutzes.[2]

Betretungsrecht der Polizei bei Asylunterkünften

Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden seien dagegen weitere von den von den antragstellenden Fraktionen angegriffene Vorschriften wie insbesondere die Bestimmungen über die mit dem Gesetz verfolgten Integrationsziele, die allgemeinen Grundsätze der Integrationsförderung, die Kostenerstattung und Dolmetscherhaftung bei Übersetzungen im Verwaltungsverfahren, die Bildungsinhalte in Kindertagesstätten und das Betretungsrecht der Polizei bei Asylunterkünften.

Letzteres hatte insbesondere die Grünen im bayerischen Landtag kritisiert. Die durch Art. 17 a Abs. 1 Nr. 5 in das Polizeiaufgabengesetz neu aufgenommene Befugnis der Polizei zum Betreten von Asylbewerber-Unterkünften verletze ihrer Ansicht nach das Wohnungsgrundrecht, da sie keine konkrete Gefahr voraussetze, sondern die betreffenden Unterkünfte per se zu gefährlichen Orten erkläre.

Rechtfertigung durch Anstieg von Straftaten

Das sahen die Richter anders. Da es bei der Befugnis der Polizei um die Abwehr dringender Gefahren gehen müsse, dürften die betreffenden Wohnungen nicht allein zum Zweck der erleichterten Durchführung von Identitätsfeststellungen betreten werden; die erweiterte Befugnis zum Betreten erleichtere aber die anschließende Durchführung solcher Maßnahmen. Es sei allgemein anerkannt, dass zur Rechtfertigung von Eingriffen in das Wohnungsgrundrecht eine abstrakte Gefahr ausreiche, also eine auf generalisierten Betrachtungen und Erfahrungen beruhende Gefahr.

Bei der Betrachtung von Asylunterkünften als gefährliche Orte sei der Gesetzgeber von den in der Bayerischen Kriminalitätsstatistik 2016 zusammengestellten Fakten ausgegangen, wonach die in solchen Unterkünften registrierten Straftaten im Jahr 2016 um 114,8 Prozent angestiegen seien.

Protestaktion vor Münchner Justizpalast

Gegner des bayerischen Integrationsgesetzes hatten vor der Urteilsverkündung vor dem Münchner Justizpalast eine überdimensionale Bank aufgebaut mit dem Schriftzug „Nur für Deutsche ohne Migrationshintergrund“. Bei den Protesten wurden Flugblätter verteilt, die über diese „Kunstaktion“ informierten. Die Aktion sei als eine Warnung gedacht,, „ähnliche oder vergleichbare Zustände, wie sie in diesem Land einmal herrschten, jemals wieder zuzulassen“. In der Zeit des Nationalsozialismus standen in Deutschland einst Bänke mit der Aufschrift „Nur für Arier“.[3]

Einzelnachweise:

[1] Bayerischer Verfassungsgerichtshof: „Entscheidungen zu Vorschriften des Bayerischen Integrationsgesetzes Vf. 6-VIII-17 und Vf. 7-VIII-17“, in: bayern.verfassungsgerichtshof.de vom 3. Dezember 2019, Abruf am 3. Dezember 2019.

[2] Bayerischer Verfassungsgerichtshof: „Pressemitteilung zur  Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 3. Dezember 2019“, in: bayern.verfassungsgerichtshof.de vom 3. Dezember 2019, Abruf am 3. Dezember 2019.

[3] Münchner Merkur: „Klatsche für die CSU: Bayerisches Integrationsgesetz verfassungswidrig“, in: merkur.de vom 3. Dezember 2019, Abruf am 3. Dezember 2019.

 

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Werner Schmid

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