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Wegen gelöster Handbremse in den Knast?

Fahren ohne Führerschein ist kein Kavaliersdelikt sondern eine Straftat. Sie wird normalerweise mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe geahndet – dies je nach Schwere der Tat. Bedeutet aber allein das Lösen der Handbremse, um ein Fahrzeug geringfügig zu verschieben, schon ein „Fahren“, das den Besitz eines Führerscheins voraussetzt?

Mit einem solchen kniffeligen Fall hatte sich jetzt das Amtsgericht Meschede auseinanderzusetzen. Denn einem Mann aus dem nordrhein-westfälischen Hochsauerlandkreis drohte wegen des Verschiebens eines Fahrzeugs um 50 Zentimeter eine zweieinhalbjährige Gefängnisstrafe. Den Mann hatten vor seiner Wohnung in Freienohl, einem Stadtteil von Meschede, Handwerker darum gebeten, seinen Pkw zur Seite zu bewegen. Sie hätten, um ihre Arbeit zu erledigen, sonst den Eingang nicht benutzen können.[1]

Angeklagter stand unter Bewährung

Der Mann kam der Bitte nach, löste die Handbremse des Fahrzeuges und bewegte den Wagen um einen halben Meter. Doch, wie der Zufall es so will: Just in diesem Moment kam eine Polizeistreife vorbei! Und den Polizisten im Streifenwagen war der Mann bestens bekannt. Sie wussten, dass dieser kein Auto fahren durfte. Denn der Mann, der sich nun vor Gericht verantworten musste, stand unter laufender Bewährung. Wegen eines Drogendeliktes, Körperverletzung und Fahren ohne Fahrerlaubnis war er zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden und die Vollstreckung der Strafe war lediglich zur Bewährung ausgesetzt worden.

Die Rechtslage ist in diesem Fall umstritten. Die Frage, ob zum Fahren nicht auch das Zünden des Motors dazu gehört, wurde in vorliegenden Fall nicht ausdiskutiert. Das Starten des Motors wäre auch nicht das entscheidende Kriterium, ob in diesem Fall ein Führen des Fahrzeuges vorliegt. Denn laut allgemeiner Rechtsprechung führt ein Fahrzeug, wer das Fahrzeug in Bewegung setzt oder es dabei mithilfe technischer Vorrichtungen lenkt.[2]

Starten des Motors nicht entscheidend

Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) schon 1960 in einem Urteil nochmals präsizisiert: Auch wer ein Fahrzeug nur zum Zwecke des Standortwechsels bewege – auch im Fall, daß es vorher nicht mit motorischer Kraft bewegt worden ist und der Fahrer auch nicht die Absicht oder die Möglichkeit gehabt habe, den Motor anzulassen, liege ein Führen des Fahrzeuges vor.[3]

Zwar hatte das Amtsgericht Heidelberg den damals verhandelten Fall anders gesehen und einen führerscheinlosen Mann, der ein Fahrzeug in eine Parkbucht rollen ließ, um die Straße frei zu machen, noch freigesprochen. Denn der Richter in Heidelberg war der Ansicht, dass das „Führen eines Kraftfahrzeugs” eine Teilnahme am Verkehr unter bestimmungsmäßiger Verwendung der Motorkraft voraussetze. Das Oberlandesgericht Karlsruhe jedoch mochte dieses Urteil in der Revision verwerfen und legte es dem Bundesgerichtshof zur Beurteilung vor.

Auch die Länge der zurückgelegten Strecke (in jenem Fall waren es gerade einmal acht bis zehn Meter) sei laut BGH unerheblich für die Feststellung, ob jemand ein Kraftfahrzeug „geführt” habe oder nicht. Ebenso sei der Beweggrund oder der Zweck der Fortbewegung (etwa wie hier zu dem Zweck, um anderen Kraftfahrzeugen die Durchfahrt zu ermöglichen) vollends belanglos.

Der Mann, der sich nun vor der Amtsgericht Meschede verantworten musste, hatte hingegen noch einmal Glück. Denn der Richter stellte das Verfahren gegen eine Geldauflage von 500 Euro  vorläufig ein. Und der Mann musste nicht in Haft.

Einzelnachweise:

[1] Westfalenpost: „Freienohl: Streit um gelöste Handbremse landet vor Gericht“, in: wp.de vom 1. Dezember 2019, Abruf am 2. Dezember 2019.

[2] Verkehrslexikon: „Führen eines Fahrzeugs“, in: verkehrslexikon.de, Abruf am 2. Dezember 2019.

[3] Bundesgerichtshof BGH: „Beschluss Az.: 4 StR 55/60“, in: reseach.wolterskluwer-online.de vom 29. März 1960, Abruf am 2. Dezember 2019.

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sgf

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