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Widerrufsrecht gilt auch für Matratzen

Man darf zuhause Probeliegen – auch ohne Schutzfolie. Der Bundesgerichtshof  (BGH) hat einem Verbraucher aus Rheinland-Pfalz Recht gegeben, der bei einem Online-Händler sein Rückgaberecht einer Matratze eingefordert hatte, obwohl er die versiegelte Schutzfolie entfernt hatte. Es klingt vielleicht wie eine Lappalie, doch das Grundsatzurteil aus Karlsruhe, das die Gerichte fünf Jahre beschäftigt hatte, stärkt die Rechte der Verbraucher.[1]

Der Kläger hatte zu privaten Zwecken über die Website eines Versandhändlers eine Matratze zu einem Kaufpreis von mehr als 1000 Euro bestellt. Zum Hygieneschutz, wurde ihm diese mit einer versiegelten Folie geliefert. Nach Erhalt der Matratze entfernte der Kunde die Schutzfolie. Wenig später aber bat der Käufer den Versandhandel um die Vereinbarung eines Termins zum Rücktransport, da er die Matratze zurücksenden wollte. Da der Onlinehandel den erbetenen Rücktransport nicht veranlasste, gab der Kläger den Transport selbst zu Kosten von fast 100 Euro in Auftrag.[2]

Matratze ist kein Hygieneartikel

Nun wollte er sein Geld zurück und zog gegen den Versandhändler vor Gericht. Der Händler jedoch verwies auf seine Allgemeine Geschäftsbedingungen, in denen auch eine „Widerrufsbelehrung für Verbraucher” enthalten war. Dort wurde unter anderem ausgeführt, dass das Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, vorzeitig erlischt, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.

Dem Bundesgerichtshof zufolge ist diese Regelung bei Matratzen unwirksam. Wie das Gericht feststellte, gelten für Matratzen die gleichen Regeln, wie für den Versandhandel von Kleidungsstücken: Diese könnten zwar beim Ausprobieren mit dem Körper in Kontakt kommen. Der Händler aber sei in der Lage, die Ware so zu reinigen oder zu desinfizieren, dass sie erneut weiterverkauft werden könne.

BGH setzt EU-Recht um

Nach den Vorinstanzen des Amtsgerichtes Mainz und des Landgerichtes Mainz beschäftigte der Fall auch den Europäischen Gerichtshof EuGH, den das BGH letztlich auch zu Rate gezogen hatte. Denn die strittige Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ging auf eine beinahe wortgleiche EU-Richtlinie zurück. Streitpunkt dabei war die Deklaration der Matratze als Hygieneartikel, wie beispielsweise Zahnbürsten oder Lippenstifte. Denn eigentlich haben Verbraucher auch beim Onlinekauf ein 14-tägiges Rückgaberecht. Das soll ihnen nämlich eine Möglichkeit gewähren, das bestellte Produkt zu prüfen und auszuprobieren, wie sie es sonst auch im stationären Handel gewohnt sind.

Die Richter des BGH folgten damit der Vorentscheidung des EuGH in Luxemburg. Dieses hatte bereits im März diesen Jahres festgestellt, dass es nicht ersichtlich sei, dass eine solche Matratze, auch wenn sie möglichweise schon benutzt wurde, allein deshalb endgültig nicht von einem Dritten wiederverwendet oder nicht erneut in den Verkehr gebracht werden kann. Schließlich werde ein und dieselbe Matratze auch von vielen aufeinanderfolgenden Hotelgästen benutzt. Und es gebe ein Markt für gebrauchte Matratzen. Gebrauchte Matratzen, urteilte das Gericht, könnten einer gründlichen Reinigung unterzogen werden.[3]

Einzelnachweise:

[1] Spiegel online: „Verkäufer muss Matratzen auch ausgepackt zurücknehmen”, in: spiegel.de vom 3. Juli 2019, Abruf am 3.Juli 2019

[2] Bundesgerichtshof: „Pressemeldung Nr. 89/2019 zum Urteil vom 3. Juli 2019 – VIII ZR 194/16“, in: juris.bundesgerichtshof.de, vom3. Juli 2019, Abruf am 3.Juli 2019

[3] Europäischer Gerichthof EuGH: „Urteil der sechsten Kammer des Gerichtshofs, Rechtssache C‑681/17″, in: curia.europa.eu vom 27. März 2019, Abruf am 3.Juli 2019

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sgf

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