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Schweden: Erstes Vergewaltigungsurteil nach Reform des Sexualstrafrechtes

Schweden ist ein wunderschönes Land. Auch wenn die Sommer nur relativ kurz währen – mit seinen vielen Seen, seinen ausgeprägten Nadelwäldern, seiner dünnen Besiedelung, seinen hohen Löhnen, seinen besten Sozialleistungen sowie seiner Pressefreiheit und Demokratie bietet das Königreich eine attraktive Lebenskultur, die in Europa ihresgleichen sucht.

Dennoch: Nicht erst seit die Schwedinnen bei der diesjährigen Frauen-Fußball-WM die deutschen Pferdeschwanz-Trägerinnen im Viertelfinale rausgekickt haben[1], sondern vielmehr aufgrund einiger extremer Gesetzesverschärfungen, wird das sittenstrenge Land so manchen Reisenden langsam ein wenig unheimlich. Neben einem der schärfsten Rauchverbote Europas macht Schweden nun auch mit seinem strengen Sexualstrafrecht Schlagzeilen.  Denn das Oberste Gericht Schwedens hat jetzt erstmalig einen Mann wegen „Unachtsamer Vergewaltigung” verurteilt.[2]

„Nur Ja heißt Ja!”

Spätestens  seit der „Me too”-Debatte und einigen spektakulären Verurteilungen Prominenter hat sich in der sogenannten westlichen Welt in einigermaßen klugen Köpfen – wie auch seit 2016 im deutschen Strafrecht verankert – das „No means No!” beim Sex manifestiert. Schweden aber geht seit der nun gut ein Jahr währenden Reform des Sexualstrafrechts noch einen Schritt weiter: Im skandinavischen Königreich gilt allein: „Nur Ja heißt Ja!”. Denn das schwedische Sexualstrafrecht stuft Geschlechtsverkehr ohne ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten als Vergewaltigung ein. [3]

Vor dem Geschlechtsverkehr müssen die Beteiligten ihr Einverständnis durch Worte, Gesten oder auf andere Weise zum Ausdruck gebracht haben. Reichen wirklich schon Küsse aus als Zeichen der Zustimmung aus? Um ganz sicher zu sein, müsste man vor dem Geschlechtsakt eigentlich einen Vertrag unterschreiben.

Vor Gericht zählt fast nur noch der Videobeweis

Vor Gericht zählt bei einem Vergewaltigungsprozess in Schweden absurder Weise fast nur der Videobeweis. Denn das schwedische Gesetz verschiebt die Beweislast vom Opfer zum Täter. Nicht mehr das Opfer muss sich rechtfertigen, sondern der Täter muss erklären, warum er zu der Auffassung gelangt ist, die aktive Zustimmung des Opfers läge vor.

Ob dabei mit der Voraussetzung zur ausdrücklichen Zustimmung zum Geschlechtsverkehr die Stimmung im Schlafzimmer auf den Nullpunkt sinkt, scheint den Schweden egal zu sein. Die Gefahr, zu Unrecht einer „unachtsamen Vergewaltigung” oder vielleicht auch nur bei einer versehentlichen körperlichen Berührung zumindest eines „unachtsamen sexuellen Übergriffs” beschuldigt zu werden, ist mit dem schwedischen Gesetz enorm angewachsen.

Acht Monate wegen „Unachtsamer Vergewaltigung“

Auch wenn Kritiker dieses „Schlafzimmererlasses“ bislang spotteten, es sei in der Praxis gar nicht umsetzbar, wurde ein Mann nun tatsächlich wegen einer „Unachtsamen Vergewaltigung” zu acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Der 27jährige hatte bei einer Frau, mit der er seit Längerem über soziale Netzwerke Kontakt hatte, übernachtet. Beide verbrachten die Nacht nur mit Unterwäsche bekleidet gemeinsam in ihrem Bett. Die Frau hatte ihrer Darstellung nach aber auch klargestellt, dass sie keinen Sex mit ihm wolle.

Dennoch kam es in der Nacht zu sexuellen Handlungen. Er zog ihr das Höschen herunter, betrachtete ihre Pussy, fing an, ihre Möse zu befummeln und drang schließlich mit dem Finger in ihre Vagina ein. Sie hingegen verhielt sich passiv, sie mochte das wohl nicht. Daraufhin ließ er von ihr ab. Die passive Haltung der Frau  jedoch wähnte der Mann als Zustimmung – ein folgenschwerer Irrtum!

Im Gegensatz zu den Vorinstanzen, die den Mann wegen Vergewaltigung noch zu drei Jahren und drei Monaten verurteilt hatte, befanden die Richter des Obersten Stockholmer Gerichtes aber nun, dass der Mann nicht vorsätzlich sondern nur „grob fahrlässig” gehandelt habe.

„Gib’s mir…aber schriftlich!“

Der Mann hätte sich wohl besser vorher eine schriftliche Einverständniserklärung geben lassen sollen. Dafür nämlich gibt es in Schweden sogar eine Handy App. Frei nach dem Motto „Gib’s mir – aber schriftlich!” können Sex-Partner mittels der Handy-App „Libra” ihrem Geschlechtsverkehr zustimmen.[4] Die App erspart zumindest den Videobeweis. Wo da dann aber die Romantik bleibt, das ist eine andere Frage.

Restriktives Anti-Raucher-Gesetz

Wie eingangs schon erwähnt, ist in Schweden nun auch ein neues, äußerst restriktives Anti-Raucher Gesetz in Kraft getreten: Keine Zigaretten vor der Kneipe, vor dem Cafe, vor dem Restaurant, auf Bahnsteigen oder an der Bushaltestelle! Auch auf auf Spiel- und Sportplätzen hat es sich ausgeraucht. E-Zigaretten und Shishas fallen ebenfalls unter das Gesetz. Denn bis zum Jahr 2025 will Schweden komplett rauchfrei werden.[5]

Die Bevölkerung ist es gewohnt, dass der sittenstrenge Staat sich einmischt. So kann man in Schweden zum Beispiel Getränke mit mehr als 3,5 Prozent Alkohol allein  beim staatlichen Alkoholmonopolisten „Systembolaget” kaufen. Das neue Tabakgesetz spart allerdings eine schwedische Besonderheit aus: Den beliebten Lutsch- oder Kautabak „Snus“. Der steht in Schweden in jedem Kiosk oder Supermarkt im Regal. Ein bisschen Freiheit darf‘s wohl doch noch sein.

Einzelnachweise:

[1] Deutscher Fußball-Bund (DFB): „Faktencheck: Das war die WM 2019“, in: dfb.de, Abruf am 13. Juli 2019

[2] ARD Tagesschau: „Urteil nach unachtsamer Vergewaltigung“, in: tagesschau.de vom 12. Juli 2019, Abruf am 13. Juli 2019

[3] ARD Tagesschau: „Nur Ja heißt Ja beim Sex“, in: tagesschau.de vom 1. Juli 2018, Abruf am 13 Juli 2019

[4] Deutschlandfunk: „Gib’s mir… aber schriftlich!“, in: deutschlandfunkkultur.de vom 2. Juli 2018, Abruf am 13. Juli 2019

[5] Tagesspiegel: „Restriktives Rauchverbot in Kraft getreten“, in: tagesspiegel.de vom 7. Juli 2019, Abruf am 13. Juli 2019

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sgf

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