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„Verschlossene Auster 2019“ für Bayerische Staatsregierung

Diesen Preis mag eigentlich niemand gerne haben. Und so verwundert es auch kaum, dass der bayerische  Innenminister Joachim Herrmann (CSU) seine Teilnahme an der diesjährigen Preisverleihung „aus Termingründen“ absagte. Mit ihrem Negativpreis „Verschlossene Auster“ zeichnet die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche (nr) alljährlich den Informationsblockierer des Jahres aus. Die Bayerische Staatsregierung von CSU und Freien Wählern, Preisträger des Jahres 2019, blockiere weiterhin die Einführung eines Informationsfreiheitsrechts, wie es in den meisten Bundesländern schon existiert, heißt es in der Begründung für die Auszeichnung.[1]

„Vor allem die CSU wehrt sich beständig dagegen, die Aktenschränke der Exekutive zu öffnen“, sagte Arne Semsrott, in seiner Laudatio. Dabei gehe es vor allem auch um Macht. Denn wer den Zugang zu Wissen kontrolliere, könne auch eine Gesellschaft kontrollieren, sagte der Projektleiter für FragDenStaat.de bei der Open Knowledge Foundation Deutschland.

Dabei hatten die Freien Wähler in ihrem Wahlprogramm eigentlich ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) versprochen. In den Koalitionsverhandlungen mit der CSU aber sind sie – genauso wie beim „Dritte-Startbahn-Moratorium“[2] – einmal mehr umgefallen.

Freistaat bundesweit Transparenzschlusslicht

In Sachen Transparenz bildet der Freistaat Bayern bundesweit weiterhin das Schlusslicht. Außer in Bayern fehlt das Recht zur Einsicht in behördliche Akten nur noch in Sachsen und Niedersachsen – dort ist es aber immerhin in Planung. Semsrott: „Während es im Bund seit inzwischen 13 Jahren ein Informationsfreiheitsgesetz gibt, in den USA seit 53 Jahren, in Schweden gar seit 253 Jahren, lässt der Süden der Republik weiter auf sich warten“. In Europa haben lediglich Österreich und Weißrussland (bekannt als „die letzte Diktatur Europas“[3]) bislang noch kein Informationsgesetz vorgelegt.

Die Bayerische Staatsregierung verzichtete darauf, den Preis persönlich entgegenzunehmen und eine Dankes- oder Gegenrede zu halten. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann begründete seine Terminabsage mit einer Auslandsreise.

Oliver Platzer Pressesprecher des Innenministeriums, nahm jedoch in einem Brief an nr-Geschäftführer Günter Bartsch Stellung. Er verwies in seiner Antwort auf bestehende Auskunftsrechte in Bayern, wie die Akteneinsicht bei Verwaltungsverfahren, das Bayerische Umweltinformationsgesetz, das Verbraucherinformationsgesetz, die Gemeindeverordnung und das bayerische Pressegesetz. Platzer:  „Eine Umsetzung der in Bayern in den vergangenen Jahren bekannten Entwürfe der Opposition zu Informationsfreiheitsgesetzen hätte in unseren Augen hohe Bürokratiekosten verursacht, datenschutzrechtliche Schutzstandards geschwächt, öffentliche und private Belange unzureichend geschützt.“[4]

Informationsanfragen kosten bis zu 2.500 Euro

Tatsächlich aber hat Bayern es geschafft, beim Umweltinformationsgesetz die höchste Gebührenordnung Deutschlands durchzusetzen, sodass Anfragen dort bis zu 2500 Euro kosten können. Für die Bürger sei das damit faktisch unbrauchbar, meint Semsrott.

Arne Semsrott: „Dass die Verwaltung für ein Gesetz zur Verwaltungstransparenz zuständig ist, ist ungefähr so, als würden die Banken sich die Gesetze für die Bankenregulierung selbst schreiben“.

Statt zum Vorbild für Transparenz zu werden, strahle die bayerische Haltung zur Informationsfreiheit jetzt auch in den Bund aus. Das CSU-geführte Bundesinnenministerium (BMI) bereite derzeit eine Reform des Informationsfreiheitsgesetzes im Bund vor, warnte. Semsrott: „Da sind heftige Verschlechterungen zu erwarten, zumal der für die Reform zuständige Referatsleiter im BMI gleichzeitig dieselbe Person ist, die einem im Gerichtssaal gegenüber sitzt, wenn man das BMI auf Auskunft verklagt. Dass die Verwaltung für ein Gesetz zur Verwaltungstransparenz zuständig ist, ist ungefähr so, als würden die Banken sich die Gesetze für die Bankenregulierung selbst schreiben“.

Impulse für mehr Transparenz müssten folglich von außen kommen, schlug Semsrott vor. In Bayern gebe es inzwischen mehr als 80 Kommunen, die zumindest für ihren eigenen Wirkungskreis Informationsfreiheitssatzungen beschlossen haben, weil das Land nicht mitziehe.

Das bisher fortschrittlichste IFG Deutschlands, das Hamburgische Transparenzgesetz, ist auf Basis einer Volksinitiative entstanden. In Berlin so führte Semsrott in seiner Laudatio aus, werde in einem Monat ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis, welches das Netzwerk Recherche unterstützt, mit der Unterschriftensammlung für ein Berliner Transparenzgesetz beginnen. Der Gesetzentwurf, den das Bündnis vorgelegt hat, würde nicht nur den Staat transparenter machen, sondern auch unabhängigen Journalismus stärken, zeigte sich der Laudator überzeugt.

Netzwerk Recherche verleiht die Verschlossene Auster seit 2002.Im Vergangen Jahr ging die Auszeichnung an den  Bürgermeister von Burladingen in Baden-Württemberg, den AfD-Politiker Harry Ebert. Zu den früheren Preisträgern zählen unter anderem Facebook, der ADAC, die früheren Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und Otto Schily, das Rüstungsunternehmen Heckler & Koch und die FIFA.

Einzelnachweise:

[1] Netzwerk Recherche: „Bayerische Staatsregierung erhält Verschlossene Auster 2019“, in: netzwerkrecherche.org vom 15. Juni 2019, Abruf am 17. Juni 2019

[2] Süddeutsche Zeitung: „Natürlich enttäuschend für uns in der Region”, in: sueddeutsche.de vom 5. November 2018, Abruf am 17. Juni 2019

[3] Wikipedia: „Artikel: Weißrussland, 5.1.1.Regierungsbildung“, in: de.wikipedia.org, Abruf am 17. Juni 2019

[4] Bayerisches Innenministerium: „Antwort der Bayerischen Staatsregierung“, in: netzwerkrecherche.org vom 15. Juni 2019, Abruf am 17. Juni 2019

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sgf

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