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Streitfall „Nebenkosten-Abrechnung“

Wenn die Jahresabrechnung der Betriebskosten im Briefkasten liegt, dann wird das für viele Mieter erst einmal zum Schockerlebnis – insbesondere bei noch jungen, frischen Mietverhältnissen. Denn zunächst einmal hat man sich meist nur auf die monatlichen Vorauszahlungen eingestellt und man kalkuliert in der Regel damit, dass sich die Jahresabrechnung ungefähr auf  Höhe des über das Jahr eingezahlten Gesamtbetrages der Vorauszahlungen einpendelt.

Viele Vermieter wissen das zwar. Aber sie setzen die Nebenkostenvorauszahlungen dennoch bewusst sehr niedrig an, um die Gesamtmietbelastung nicht zu hoch erscheinen zu lassen und die Wohnung dadurch für Mieter überhaupt erst interessant zu machen. Flattert den Mietern dann mit der Jahresabrechnung im nächsten Frühjahr  eine horrende Nachforderung ins Haus, dann ist der Ärger da. Und der Mieter hat keine Chance: Er muss im Zweifel die Betriebskosten nachzahlen, entschied das Landgericht Berlin (Az.: 65 T 106/18).[2]

Kein Anspruch auf Schadensersatz

Im verhandelten Fall hatte der Mieter für seine 41 Quadratmeter große Wohnung 329 Euro Kaltmiete und 170 Euro als Nebenkosten zu zahlen. Schon die erste Betriebskostenabrechnung  für die Monate November und Dezember war happig: Sie wies einen Nachzahlungsbetrag von 214 Euro aus. Die Hausverwaltung gab zu, die Vorauszahlungen bewusst zu niedrig angesetzt zu haben, um die Bruttomiete unter 500 Euro zu drücken und die doch relativ kleine Wohnung dadurch für Mietinteressenten attraktiver zu machen.

Einen Schadensersatzanspruch des Mieters aber lehnte das Gericht ab. Letztlich sei die Vereinbarung monatlicher Vorauszahlungen nicht an eine bestimmte Höhe gebunden. Der Vermieter müsse die Vorauszahlungen nicht kostendeckend kalkulieren, er könne sogar ganz auf monatliche Vorauszahlungen verzichten und die vollständigen Betriebskosten dem Mieter sogar auf einen Schlag in Rechnung stellen.

Nebenkosten müssen genau aufgeschlüsselt sein

Anders verhält es sich in einem aktuellen Fall, der vor dem Landgericht Saarbrücken verhandelt wurde[2]. Die Vermieterin hatte einfach „pauschal” 110 Euro Nebenkosten verlangt, ohne im Mietvertrag näher aufzuschlüsseln, wofür das Geld eigentlich eingesetzt werde. Daraufhin zahlte der Mieter einfach weniger. Die Vermieterin verlangte jedoch für die Jahre 2014 und 2015 Nachzahlungen, während der Mieter hingegen gar ein Guthaben für sich beanspruchte.

Es gab Streit und die Vermieterin kündigte den Mietvertrag wegen ausstehender Mietzahlungen. Der Mieter aber zog vor Gericht und bekam Recht (Az.: 10 S 53/18). Das Amtsgericht Saarbrücken hielt die Kündigung für nicht wirksam, weil im Mietvertrag nicht klar geregelt gewesen sei, welche Nebenkosten überhaupt abgerechnet werden. Pauschale Angaben, die sich nicht auf einen dem Mietvertrag beigefügten Kostenkatalog beziehen, genügten nicht den Anforderungen, stellte das Gericht klar. Führt beispielsweise ein Formularmietvertrag  – abgesehen von Heizung und Warmwasser –  weitere Kosten nicht genauer aus, dann muss der Mieter diese auch nicht zahlen. Im verhandelten Fall war folglich nicht nur die Kündigung unwirksam, dem Mieter stand tatsächlich auch ein Guthaben aus den Nebenkosten zu.

Jede zweite Nebenkostenabrechnung falsch!

Jede zweite Abrechnung sei im Ergebnis falsch, unplausibel oder unvollständig. Sie müsste in dieser Form nicht bezahlt werden, meint Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des deutschen Mieterbundes[3]. Der Vermieter darf über die Nebenkosten in der Regel nur die Kosten für Heizung und Wasser, sowie anteilig auf alle Mieter umgerechnet die Kosten für Grundsteuer, die Hausreinigung, den Hausmeister, die Müllabfuhr, den Aufzug, das Hof- und Treppenhauslicht sowie die Gebäudeversicherung abrechnen.

Es gibt aber auch Posten, die der Mieter nicht bezahlen muss, wie beispielsweise Kosten, die gar nicht im Abrechnungsjahr angefallen sind. Auch Reparaturen und die Instandhaltung des Hauses muss der Vermieter alleine bezahlen, ebenso wie die Verwaltungskosten, wie z. B. für die Buchhaltung. Oft aber werde gerade bei der Bezahlung des Hausmeisters getrickst, wenn dieser weitere Aufgaben, wie Reparaturen und Verwaltungsaufgaben übernimmt, weiß der Mieterbund aus Erfahrungen. Die Arbeitszeit und Aufwendungen für Reparaturen oder Buchführung muss dann aus den Hausmeisterkosten heraus gerechnet werden.

Zudem muss der Vermieter dem Mieter die Nebenkostenabrechnung spätestens im Laufe des Jahres nach dem abzurechnenden Zeitraum vorlegen. Für vorherige oder länger zurückliegende Jahre braucht der Mieter überhaupt keine Nachzahlungen mehr leisten.

Einzelnachweise:

[1] Die Rheinpfalz: „Zu niedrig angesetzte Nebenkostenvorauszahlung ist rechtens“, in: rheinpfalz.de vom 17.Juni 2019, Abruf am 17. Juni 2019 (vgl. ähnlicher Bericht in Freie Presse Chemnitz,  und die entsprechende Berichterstattung der Deutschen Presseagentur dpa).

[2] Hessische/Niedersächsische Allgemeine: „Nebenkosten müssen klar vereinbart werden“, in: hna.de vom 3. Juni 2019, Abruf am 17. Juni 2019

[3] Deutschlandfunk Nova. „Nebenkosten müssen genau aufgelistet werden“, in: deutschlandfunknova.de vom 4. Juni 2019, Abruf am 17 Juni 2019

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sgf

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