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Deutsche Pkw-Maut nicht mit EU-Recht konform

Das große CSU-Prestigeprojekt endete letztlich als jämmerliches Debakel. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat der Klage Österreichs stattgegeben und die deutsche PKW-Maut als „nicht mit EU-Recht vereinbar” erklärt. Damit findet das lange politische Gezerre um die Straßenbenutzungsgebühren in Deutschland vorerst ein Ende.

Wie die Luxemburger Richter entschieden, sei die Abgabe gegenüber Fahrzeughaltern aus dem Ausland diskriminierend. Sie verstoße überdies gegen die Grundsätze des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs im EU-Binnenmarkt.[1]

Alleinige Last für ausländische Autofahrer

Die deutsche PKW-Maut galt lange als das ganz große Vorzeigeprojekt der CSU. Geplant war, dass die Gebühren für die Nutzung deutscher Autobahnen und Bundesstraßen ab Herbst 2020 erhoben werden sollte. Allerdings sollten allein die Autofahrer aus dem Ausland die Gebühren wirklich zahlen. Inländische Autobesitzer sollten im Gegenzug für die Maut durch eine geringere Kfz-Steuer entlastet werden. Die Einnahmen aus der Maut wollte das Verkehrsministerium als Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur einbringen.

Der Europäische Gerichtshof bemängelte nun, dass die Infrastrukturabgabe in Verbindung mit der Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer, die allein den Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen zugute käme, eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstelle und gegen die Grundsätze des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs verstoße.

Denn die Steuerentlastung der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen würde bewirken, dass die von diesen entrichtete Infrastrukturabgabe vollständig kompensiert werde, so dass die wirtschaftliche Last der Abgabe tatsächlich allein auf den Haltern und Fahrern von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Fahrzeugen liege. Hinsichtlich des freien Warenverkehrs wie auch des freien Dienstleistungsverkehrs stellte der Gerichtshof fest, dass die streitigen Maßnahmen geeignet seien, den Zugang von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten zum deutschen Markt zu behindern, ebenso wie Dienstleistungserbringern und -empfängern aus anderen EU-Mitgliedsstaaten.[2]

Herber Rückschlag für CSU-Verkehrsminister

Nicht nur für Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sondern auch für seinen Amtsvorgänger und Parteifreund Alexander Dobrindt dürfte die EuGH-Entscheidung ein herber Rückschlag sein. Denn schon Dobrindt verwandte weite Teile seiner Ministerarbeit auf die Durchsetzung dieses heilen Projektes.

Den Grünen hingegen dürfte das Maut-Debakel der CSU sehr zupass kommen. Sie hatten unlängst erst gefordert, den ganzen „Maut-Quatsch” bleiben zulassen, weil sie aufgrund der entstehenden Verwaltungskosten bei gleichzeitiger Kfz-Steuerentlastung insgesamt ein dickes Minusgeschäft befürchteten. Zudem kritisierten sie die fehlende umweltpolitische Lenkungswirkung der geplanten Abgaben.

Die ersten Überlegungen, eine PKW-Maut in Deutschland einzuführen, sind bereits mehr als 30 Jahre alt. 1984 brachte der damalige CSU-Verkehrsexperte Dyonis Jobst einen entsprechenden Vorschlag als „Wahlkampfhit“ ins Gepräch[3]. Als die einstige Bierzelt-Idee nach der Wiedervereinigung ernsthafter diskutiert wurde, witterte die BILD-Zeitung eine moderne Form der „Straßenräuberei”, die vor allem „die armen Trabifahrer im Osten“ treffen werde. Weil sich aber der damalige Bundeskanzler Kohl vorschnell auf die populistische Formel „Keine Steuererhöhung für die deutsche Einheit” festgelegt hatte, wurde das Projekt vorerst nicht weiterverfolgt. Denn eine Prüfung des Finanzministeriumss hatte ergeben, dass eine Straßenbenutzungsgebühr letztlich eine Art Kfz-Steuer darstelle[4].

Moderne  Form der „Wegelagerei”

Als eine moderne Spielart der „Wegelagerei” galt das Projekt bei deutschen Autofahren sowieso eher als unbeliebt. Schon damals aber hatte die Europäische Gemeinschaft den Plänen, allen deutschen wie ausländischen Lkw-Fahrern, eine Schwerverkehrsabgabe abzuknöpfen, die Deutschen aber durch eine Kfz-Steuersenkung zu entschädigen, eine Abfuhr erteilt. Der Europäische Gerichtshof entschied damals bereits, das sei diskriminierend, weil dadurch Artikel 76 der Römischen Verträge verletzt würden.

Das neuerliche Maut-Debakel kommt für Beobachter dennoch einigermaßen überraschend. Denn noch im Februar hatte Nils Wahl, Generalanwalt beim EuGH, dem vertrackten Konstrukt der deutschen PKW-Maut die Unbedenklichkeit bescheinigt und dem Gericht empfohlen, die Klage Österreichs abzuweisen[5]. Die Richter aber entschieden anders.

Die Bundesrepublik Deutschland muss nicht nur die eigenen Verfahrenskosten sondern auch drei Viertel der Kosten der Republik Österreich tragen. Die Niederlande, die sich der Klage Österreichs angeschlossen hatten sowie das Königreich Dänemark, das im Verfahren die deutsche Seite unterstützte, tragen ihre eigenen Kosten selbst. Auf den Bund aber könnten jetzt weitere Kosten zukommen, da bereits einige Aufträge an private Dienstleister vergeben wurden. Diese  dürften nun Schadensersatz fordern und das kann richtig teuer werden.

Einzelnachweise:

[1] Gerichtshof der Europäischen Union: „Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer), Rechtssache C-591/17“, in: curia.europa.eu vom 18. Juni 2019, Abruf am 18. Juni 2019

[2] Gerichtshof der Europäischen Union: „Pressemitteilung Nr. 75/19“, in: curia.europa.eu vom 18. Juni 2019, Abruf am 18. Juni 2019

[3] Onvista: „High Noon für PKW Maut“, in: onvista.de vom 17. Juni 2019, Abruf am 18. Juni 2019

[4] Der Spiegel: „Versprochen ist Versprochen“, in: spiegel.de vom 24.Dezember 2019, Abruf am 18. Juni 2019

[5] Gerichtshof der Europäischen Union: „Schlussanträge des Generalanwalts Nils Wahl, Rechtssache C-591717“ , in: curia.europa.eu vom 6. Februar 2019, Abruf am 18. Juni 2019

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sgf

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