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Rentnerin soll Unterhalt für 60jährigen Sohn zahlen!

Die 86jährige ist fassungslos. In einem Schreiben forderte die Frau das Sozialamt dazu auf Unterhalt für ihren 60jährigen Sohn zu zahlen. Denn aufgrund psychischer Probleme könne der nicht mehr arbeiten.

Die alte Dame hat seit Jahren nichts mehr von ihrem Sohn gehört. Der Kontakt zu ihm ist seit langem vollends abgerissen. Das interessiert das Sozialamt der knapp 9000 Einwohner zählenden Kreisstadt Plön in Schleswig-Holstein nicht. Denn laut einem Bericht der BILD-Zeitung soll die Witwe dem Sohn monatlich 234,40 Euro Unterhalt zahlen.[1]

Der aktuelle Fall, über den die BILD berichtete, kann prinzipiell jeden halbwegs gut situierten Rentner treffen. Die Rentnerin hat ihr Leben lang hart gearbeitet und dementsprechend regelmäßig in die Rentenkasse eingezahlt. Zusammen mit ihrer Witwenrente fallen die monatlichen Rentenbezüge der früheren Putzfrau noch einigermaßen passabel aus: 1734,40 Euro bekommt sie Monat für Monat ausbezahlt.

Ihr Selbstbehalt, so rechnet nun das Sozialamt vor, belaufe sich auf monatlich 1500 Euro. Folglich müsse sie den überzähligen Betrag als Unterhaltsleistung für ihren arbeitsunfähigen Sohn abführen. Dieser ist seit gut acht Jahren wegen eines „Burn Outs“ krankgeschrieben. Er bekam zunächst Hartz-IV, später dann Sozialhilfe. Das sind rund 400 Euro plus die Miete. Die Stadt Plön versucht nun zumindest einen Teil dieses Geldes von der Mutter des Mannes zu bekommen.

„Das ist eine Schweinerei!“

Die Rentnerin trifft diese Forderung offenbar hart. Denn sie selbst sei gesundheitlich auf Medikamente angewiesen, berichtet der Sohn, der die Forderungen des Amtes laut Medienberichten darum auch als  eine „Schweinerei” anprangert.[2]

Grundsätzlich sind Eltern auch gegenüber ihren erwachsenen Kindern dazu verpflichtet, Unterhalt zu zahlen, wenn ihre Kinder ihre „wirtschaftliche Selbstständigkeit” verloren haben – ebenso, wie auch Kinder für ihre Eltern zahlen müssen, wenn diese ihren Lebensunterhalt nicht mehr alleine bestreiten können. Letzteres ist insbesondere bei Pflegebedürftigen öfters der Fall.

BGH: 1500 Euro Selbstbehalt

Dies ergibt sich auf Grundlage des § 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): „Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren“. Die „gerade Linie“ bezieht sich auf Kinder, Eltern, Großeltern und gegebenenfalls auch die Urgroßeltern. Die Höhe des Selbstbehaltes – also das Geld, das dem Unterhaltspflichtigen für den eigenen Bedarf zusteht – hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil des XII. Zivilsenats bestätigt (XII ZR 15/10). Seit dem Jahr 2011 liegt dieser Selbstbehalt laut BGH-Urteil  bei 1500 Euro.[3]

Den Selbstbehalt für Eltern von erwachsenen Kindern, die bereits berufstätig waren, setzt das Gericht dabei sogar deutlich höher an als bei Kindern, die noch in der Ausbildung sind. Denn hat das Kind einmal die wirtschaftliche Selbständigkeit erlangt und ist es nicht abzusehen, dass das Kind diese alsbald wieder verliert, dürfen die Eltern davon ausgehen, künftig keinen Kindesunterhalt mehr zahlen zu müssen. Ihre Lebensumstände ändern sich und sie dürfen folglich einen höheren Lebensstandard als zuvor entwickeln.

Grundsätzlich hätte das Sozialamt der Stadt Plön im aktuellen Fall  also einen Anspruch auf die Unterhaltsleistungen der Mutter. Dennoch dürfte sich für die Rentnerin der Weg zu einem Anwalt lohnen. Denn in der Praxis wird diese Regelung meist nur dann angewandt, wenn der unterhaltspflichtige Angehörige über ein deutlich höheres Einkommen als das der Rentnerin verfügt. Denn nur dann kann das Sozialamt einigermaßen sicher sein, seinen Anspruch auch vor Gericht durchsetzen zu können.[4]

Rentnerin will Rechtsanwalt konsultieren

Behörden versuchen zwar oftmals, ihre Forderungen mit scharfen Formulierungen einzutreiben. Und tatsächlich lässt sich manch einer von derartigen amtlichen Schreiben einschüchtern und zahlt. Dennoch kann das Sozialamt den Unterhalt von der Rentnerin nicht einfach so per Mahn- und Vollstreckungsbescheid einfordern. Es müsste die alte Dame erst einmal beim zuständigen Familiengericht verklagen und dort den vermeintlichen Anspruch durchsetzen. Das zuständige Landessozialgericht hätte dann die Lebensumstände der Rentnerin, ihre Einkünfte und ihre Kosten, detailliert  zu überprüfen. Wie den Medien zu entnehmen ist, werde die Rentnerin wohl tatsächlich einen Anwalt hinzuziehen. Und der Sohn, so heißt es, wolle seiner Mutter dadurch helfen, dass er einen Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente stelle. Würde ihm diese bewilligt, dann hätte er ein eigenes Einkommen und die Forderung des Sozialamtes könnte ad acta gelegt werden.


Einzelnachweise:

[1] BILD: „Rentnerin (86) soll Unterhalt für Sohn (60) zahlen!“, in bild.de vom 5.Juni 2019, Abruf am 13. Juni 2019

[2] BILD: „Ich bin der Sohn, für den Mama zahlen soll“, in: bild.de vom 13. Juni 2019, Abruf am 13. Juni 2019

[3] Bundesgerichtshof: „Urteil XII ZR 15/10“, vom 18. Januar 2012, Abruf am 13. Juni 2019

[4] Wizelife GmbH: „Rentnerin (86) soll für Sohn (60) aufkommen – Das müssen Betroffene wissen“,  in: wize.life vom 8. Juni 2019, Abruf am 13. Juni 2019

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sgf

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