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„Containern“ bleibt illegal!

(Update vom 7. Juni 2019)

Die Justizminister der Länder haben sich nicht darauf verständigen können, das sogenannte „Containern“ zu legalisieren. Damit ist der Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) mit seinem Vorstoß gescheitert. Es bleibt weiterhin eine Straftat, noch essbare Lebensmittel aus Abfallcontainern herauszufischen. Als Alternative, so der Beschluss der Justizministerkonferenz, solle es der Bund großen Anbietern einfacher machen, Lebensmittel an Dritte, wie z. B. die Tafeln, abzugeben.

Ursprünglicher Bericht (6. Juni 2019):

Justizministerkonferenz: „Containern“ legalisieren?

Dürfen weggeworfene Lebensmittel aus den Abfallcontainern von Supermärkten gefischt werden? Bei der Justizministerkonferenz hat der Hamburger Justizsenator Till Steffen einen entsprechenden Antrag eingebracht. Ziel der Initiative ist, die massenhafte Verschwendung von Lebensmitteln einzudämmen.[1]

Mehr als 18 Millionen Tonnen noch genießbarer Lebensmittel landen in Deutschland  jährlich  auf dem  Müll.[2] Was andere weggeworfen haben, so könnte man meinen, gehört niemandem mehr. Tatsächlich aber gilt es als Diebstahl, wenn man Lebensmittel aus den Abfallcontainern der Supermärkte herausholt. Wer Lebensmittel, die der Handel wegen abgelaufenen Haltbarkeitsdatums oder unappetitlicher Druckstellen weggeworfen hat, aus dem Müll fischt, um diese zu essen oder sie mit anderen zu teilen, macht sich strafbar.

Containern als schwerer Diebstahl

Erst im Januar diesen Jahres waren im oberbayerischen  Fürstenfeldbruck zwei Studentinnen wegen des sogenannten „Containerns“ verurteilt worden. Sie hatten Lebensmittel aus dem Müllcontainer eines Edeka-Marktes in Olching bei München  gefischt, um gegen die Verschwendung von Lebensmitteln zu protestieren. Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck hatte die Studentinnen daraufhin wegen schweren Diebstahls zu einer Geldstrafe von jeweils 225 Euro verurteilt.[3]

Der Fall erscheint krass und stößt in der Öffentlichkeit auf viel Unverständnis. Denn hinter dem Containern“ steckt keine wirklich kriminelle Motivation. Meist sind es die Ärmsten der Armen, die in solchen Containern nach Essbaren suchen, weil sie schlichtweg Hunger haben. Menschen, die auf diese Nahrungsmittel angewiesen sind, dürften dafür nicht auch noch strafrechtlich belangt werden, mag einem ein gesundes soziales Gewissen einreden.

Doch das geltende Recht spricht eine andere Sprache: Bislang gilt das Stöbern in Müllcontainern als Diebstahl. Denn auch ein guter Zweck heiligt keine strafbaren Handlungen. Und weil die Müllcontainer meist auf einem Firmengelände stehen, kommt in der Regel auch noch Hausfriedensbruch als weiterer Straftatbestand hinzu.

Online-Petition: Knapp 130.000 Unterschriften!

Die beiden Studentinnen aus Olching  haben gegen das Urteil des Amtsgerichtes Fürstenfeldbruck Revision eingelegt. Zugleich starteten sie eine Onlinepetition, um das Containern zu legalisieren. Rund 130.000 Menschen haben die Unterschriftenlisten bereits unterzeichnet. Am gestrigen Mittwoch (5. Juni 2019) überreichten die Studentinnen ihre Petition den in Lübeck tagenden Justizministern.[4]

Wenngleich man sich über die notwendige Reduzierung der Lebensmittel-Verschwendung grundsätzlich einig ist, so gibt es durchaus Argumente, die gegen eine Legalisierung des Containerns sprechen. So lehnt das bayerische Justizministerium eine Legalisierung des Containerns ab. Ziel müsse es vielmehr sein, dass verwendbare Lebensmittel gar nicht erst in der Mülltonne landeten.

Bedenken zu Fragen der Hygiene

Bedenken gibt es auch zu Fragen der Haftung und letztlich auch der gesundheitlichen Hygiene, wenn man es zulässt, dass Menschen nach Essbarem im Müll suchen. Denn der Verzehr weggeworfener Lebensmittel aus Abfallbehältern könnte schwere Krankheiten auslösen.

Eine Lösung des Problems könnten ausländische Modelle bieten. Im Nachbarland Frankreich zum Beispiel sind Supermärkte ab einer Größe von mehr als 400 Quadratmetern Verkaufsfläche dazu verpflichtet, eine Partnerschaft mit einer Hilfsorganisation wie bei uns etwa der „Tafel“ einzugehen. Ähnliches gilt auch in Tschechien.

Wichtig bleibt: In Sachen Lebensmittelverschwendung darf es so wie bislang nicht weitergehen: Die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen (UN) fordern, die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene zu halbieren und die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste zu verringern. Deutschland hat die Erklärung zu den „Zielen für eine nachhaltige Entwicklung“ der UN mitunterzeichnet und  steht demnach in der Pflicht, dies im eigenen Land entsprechend umzusetzen.

Einzelnachweise:


[1] ZDF heute: „Containern – Diebstahl oder Rettungsaktion?“, in zdf.de vom 6. Juni 2019, Abruf am 6. Juni 2019

[2] World Wide Fund For Nature (WWF): „Lebensmittelverschwendung: Bundesländer im Vergleich“, in wwf.de vom 20. April 2018, Abruf am 6. Juni 2019

[3] Abendzeitung München: „Essen aus Mülltonnen: Wird Containern jetzt legal?”, in: abendzeitung-muenchen.de vom 5. Juni 2019, Abruf am 6. Juni 2019

[4] Bayerischer Rundfunk BR: „Containern: Zwei Bayerinnen machen Druck auf Justizminister”, in br.de vom 5. Juni 2019, Abruf am 6. Juni 2019

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sgf

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