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Neues Rechtsgutachten für ein Kopftuchverbot

Darf die Bundesregierung Mädchen verbieten, ein Kopftuch zur Schule zu tragen? Ein aktuelles Gutachten sagt: Ja. Dies gelte auch dann, wenn der Staat dazu in die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht eingreift. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände (BAGIV) in Auftrag gegeben wurde. Die BAGIV versteht sich selbst als ein weltlicher Interessenverband.

Nach Auffassung des Würzburger Staatsrechtlers Kyrill-Alexander Schwarz kann die Bundesregierung das Tragen von Kopftüchern an Schulen für Mädchen bis 14 Jahren flächendeckend verbieten. Schwarz kommt in einem Gutachten für die BAGIV zu dem Schluss, ein solches Verbot wäre verfassungsgemäß, obwohl der Staat damit in die Religionsfreiheit und das elterliche Erziehungsrecht eingreifen würde. Die BAGIV hat das Gutachten diese Woche in der Bundespressekonferenz vorgestellt.[1]

Pflicht, das Kindeswohl zu schützen

Der Jurist beruft sich in seinem Gutachten auf die Pflicht des Staates, das Kindeswohl zu schützen. Kritiker befürchten das ein Kopftuchverbot an Schulen als Bundesgesetz deshalb vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern könne. Laut Gutachten aber könnte der Bund eine entsprechende Regelung treffen, insofern es um die elterliche Sorgepflicht gehe. Der Staat habe eine Schutzverantwortung für die Achtung der Grundrechte auch für Unter-14-Jährige.

Der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland, Ali Ertan Toprak, bezeichnete als Auftraggeber des Gutachtens das Kopftuch für Kinder als ein «Symbol der Unterdrückung» von Mädchen und Frauen. Es widerspreche der Gleichberechtigung. Zudem hob er das Recht auf negative Religionsfreiheit der säkularen Muslime hervor, die sich unter Druck gesetzt fühlten. Toprak betonte, dass der Koran das Kopftuch für Kinder und Mädchen an keiner Stelle verlange.

Kulturhoheit der Länder tangiert

Allerdings sei der Bund nicht automatisch für eine solche Regelung zuständig, weil grundsätzlich auch die Kulturhoheit der Länder tangiert sein könnte. Dennoch ergebe sich die Kompetenz des Bundes wegen dessen Zuständigkeit für die elterliche Sorge, argumentiert Schwarz. Diese sei im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt.

Bei der BAGIV-Studie gehe es um Freiheitsgewährleistung durch Freiheitsbeschränkung. Um zu verhindern, dass Kinder und Heranwachsende sich zu weit von der gesellschaftlichen Realität entfernten und es dadurch auch zu erheblichen Störungen in der Persönlichkeitsentwicklung komme, sei ein Verbot verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, heißt es in dem Gutachten.

Symbol der Unterdrückung von Frauen

Das Kopftuch sei generell ein Symbol der Unterdrückung von Frauen. Der Forderung nach einem Verbot schlossen sich deshalb auch die Frauenrechteorganisation Terres des Femmes und der Deutsche Lehrerverband an. Wenn Kinder und Jugendliche unter 14 ein Kopftuch tragen, erschwere dies die Integrationsaufgabe der Schulen.

Die Frauenrechtsorganisation Terres des Femmes hatte unlängst auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg zugunsten der Vollverschleierung einer 16-jährigen Schülerin scharf kritisiert (wir berichteten), und im Gegenzug zugleich die Initiative des Hamburger Schulsenators Ties, der eine Gesetzesänderung in Form eines Verschleierungsverbots in Betracht zog, begrüßt.[2]

Dem entgegen sehen Islamverbände die neuerliche Diskussion als eine Art „Islambashing”. Denn ihrer Ansicht nach handele sich bei kopftuchtragenden Schulkindern lediglich um wenige Fälle im „Promillebereich”. Die Debatte über Kopftuchverbote war in Deutschland neu entbrannt, nachdem Österreich 2019 ein solches Verbot an Grundschulen beschlossen hatte.[3]

Einzelnachweise:

[1] Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland (BAGIV): „Rechtsgutachten: Kopftuchverbot für Unter-14-Jährige zulässig“, in: bagiv.de vom 5. März 2020, Abruf am 6. März 2020.

[2] Terres des Femmes: „Terres des Femmes  kritisiert Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg zugunsten der Vollverschleierung einer 16-jährigen Schülerin“, in: frauenrechte.de vom 3. Februar 2020, Abruf am 6. März 2020.

[3] Parlament der Republik Österreich: „Nationalrat beschließt Kopftuchverbot an Volksschulen“, in: parlament.gv.at vom 16. Mai 2019, Abruf am 6. März 2020.

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Tobias Köhler

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