Sonstiges

Überraschende Wende im Thermomix-Streit

Eigentlich galt der Streitfall bereits als verloren. Eine Käuferin eines Thermomix TM5 war ganz und gar nicht begeistert, als der Hersteller Vorwerk kurze Zeit später nach dem Kauf des Geräts eine neue, deutlich verbesserte Modellversion anbot. Die Kundin hatte  bei der Verkäuferin konkret nachgefragt, ob bereits ein Nachfolgemodell in Aussicht sei und dies wurde klar verneint.

Die Frau fühlte sich getäuscht und zog mit der Sache vor Gericht. Denn als nur wenig später das neue Modell TM6 auf den Markt kam, war ihr Gerät nur noch kaum mehr als die Hälfte wert. Anstelle der bezahlten knapp 1.300 Euro wurden die nun veralteten Geräte im Internet daraufhin schon für rund 700 Euro verkauft.[1]

Hausfrauen-Shitstorm in Onlineforen

Ähnlich wie der Klägerin erging es vielen anderen Hausfrauen und Hobbyköchen. Denn das nur knapp 100 Euro teurere Nachfolgemodell TM6 bot nicht nur ein größeres hochauflösendes Display, sondern überzeugte auch mit deutlich erweiterten Kochfunktionen wie Anbraten, Karamellisieren, Fermentieren, Sous-vide-Garen und Slow Cooking. Hunderte an Betroffenen äußerten in Online-Foren nach dem Erwerb des Vorgängermodells verärgert ihren Unmut, aber offenbar waren nur wenige von ihnen klagebereit. Denn auch die die Verbraucherzentrale hielt das Vorgehen Vorwerks zwar für unschön, aber rechtlich legitim.

Der 9. Zivilsenat des Landgerichts Wuppertal urteilte dann auch im Januar diesen Jahres in zweiter Instanz, dass sich Vorwerk wettbewerbsrechtlich nicht schuldig gemacht habe (Az: 9 S 179/19). Denn ein Unternehmen müsse nicht im Voraus kommunizieren, ob und wann neue Geräte auf den Markt kommen, entschieden die Richter. Das Unternehmen müsse seine Absatzstrategie nicht offenbaren. Wäre ein Unternehmer „verpflichtet darauf hinzuweisen, dass möglicherweise oder bestimmt in ferner Zukunft/in Bälde/oder zu einem schon feststehenden Zeitpunkt ein neues Modell auf dem Markt erscheine, würde das die Investitionen, die gemacht wurden, um das neue Modell auf den Markt zu bringen, gefährden“, schrieb das Gericht.[2]

Thermomix-Hype wandelte sich in Frust

Zudem hatte Vorwerk selbst das Modell TM5 keineswegs als Auslaufmodell bezeichnet. Und es wurde zum Zeitpunkt des Modellwechsels noch im Sortiment geführt. Ob der TM5 zu diesem Zeitpunkt noch produziert wurde oder der Verkauf aus dem vorhandenen Bestand erfolgte, sei laut Gericht unerheblich. Der einst fast schon sektenartige Thermomix-Hype wandelte sich bei enttäuschten Hausfrauen längst mehr und mehr zu einer Art „Thermomix-Frust”.[3] Und das Wuppertaler Urteil setzte dem Schlamassel quasi nun noch eine unschöne Spitze auf.

Jetzt aber erfuhr der Streit in einem ähnlich gelagerten Fall doch noch eine überraschende Wende. Aufgrund eines Vergleichs darf sich nämlich eine andere Kundin über ein kostenloses neues Modell TM6 freuen. Und einen Kochtopf bekommt sie obendrein ebenso gratis dazu wie ein neues Probekoch-Abo.[4]

Vertrauensverhältnis durch „Probekochen“

Zwar habe der Hersteller bei einem Produktwechsel keine proaktive Aufklärungspflicht. Allerdings dürfe Vorwerk Verbraucher nicht bewusst täuschen, klärt der Berliner Anwalt der Klägerin auf. Denn die besondere Vertriebsform beim Thermomix, bei der sich mittels Probekochen ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmensrepräsentant und Kunde aufbaut,  könnte durchaus auch eine gegenteilige Entscheidung als die des Wuppertaler Landgerichtes rechtfertigen.[5]

Diese Wendung stellt zwar kein rechtsverbindliches Urteil dar, sondern lediglich eine Einzelfallentscheidung auf dem Wege einer gütlichen Einigung. Dennoch dürften sich weitere Kundinnen, die nachweisen können, dass sie bei einer Thermomix-Kochdemonstration ebenso explizit nach einem möglichen Nachfolgemodell gefragt hatten, Hoffnung auf ein neues Modell machen. Vorwerk kündigte an, das betroffene Kunden, die ebenso kurz vor dem Modellwechsel das ältere Modell erworben hätten, aus Kulanz ein attraktives Angebot für einen Modellwechsel erhalten hätten.

Einzelnachweise:

[1] Ströer Media Brands GmbH (GIGA.de): „Thermomix vor Gericht: Überraschende Wende – Kunden dürfen hoffen“, in: giga.de vom 18. Februar 2020, Abruf am 21. Februar 2020.

[2] Landgericht Wuppertal: „Urteil 9 S 179/19“, in: justiz.nrw.de vom 9. Januar 2020, Abruf am 21. Februar 2020.

[3] Facebook-Gruppe: „Zur Hölle mit dem Thermomix“, in: de-de.facebook.com, Abruf am 21. Februar 2020.

[4] Westdeutsche Zeitung: „Keine Aufklärung über Nachfolgemodell – Kundin siegt vor Gericht“, in: wz.de vom 28 Januar 2020, Abruf am 21. Februar 2020.

[5] Karimi Rechtanwälte: „Vorwerk verliert erstmals Thermomix-Prozess“, in: karimi.legal vom 23. Januar 2020, Abruf am 21. Februar 2020.

Share
Tobias Köhler

View Comments

  • Vielen Dank für den schön geschriebenen Artikel. Ich möchte lediglich noch einmal ganz eindeutig klarstellen, dass es sich nicht um eine bloße Einzelfallentscheidung handelte. Alle Thermomix Kunden, die vor der Einführung des TM6 bewusst oder getäuscht worden sind, haben einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Recent Posts

Empfängnis­verhütende Mittel können beihilfefähig für andere Krankheiten sein

BVerwG: Verhütungsmittel zur Krankheitsbehandlung können beihilfefähig sein Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) befasste sich mit der Frage,…

27, August 2020

Restzahlungen bei Pauschalreisen

Pauschalreisen in Coronazeiten: Muss ich den Restpreis bezahlen? Sind Sie wegen der Coronalage noch unsicher,…

25, August 2020

Kompromiss-Urteil zu Schönheitsreparaturen

BGH: Vermieter trifft auch bei unrenoviert übergebener Wohnung eine Instandhaltungspflicht Der BGH hatte über zwei…

20, August 2020

So erkennen Sie Betrugsversuche

C.B. Group Inkasso verschickt gefälschte Mahnungen: So erkennen Sie Betrugsversuche Fast wöchentlich gibt es neue…

18, August 2020

Das krankenversicherte Kind

Bei Möglichkeit der Mitversicherung haben Kinder keinen Anspruch auf privaten Krankenversicherungsschutz Das OLG Frankfurt am…

13, August 2020

Dieselskandal

Nacherfüllungsanspruch kann sich auf Lieferung eines Nachfolgemodells erstrecken Das OLG Köln hat entschieden, dass der…

11, August 2020