Verkehrsrecht

Nürnberg: Bürgerbegehren für eine bessere Fahrrad-Infrastruktur

Kommt ein Radlentscheid nun auch in Nürnberg? In der bayerischen Landeshauptstadt hat das Bündnis Radentscheid München bekanntlich seine ersten Ziele bereits erreicht. Nachdem der Münchner Stadtrat die Forderungen des Bündnis Radentscheid übernommen hat, befinden sich dort die Projekte schon in der Umsetzungsphase. Nun also hat ein ähnliches Bündnis von  „Radlbotschafter*innen“ auch in Nürnberg mit der Unterschriftensammlung für ein ähnliches Bürgerbegehren begonnen.[1]

Das Bündnis, dem mehr als 30 Organisationen – wie der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC), Parteien und politische Gruppen, wie etwa die Grünen, die Linke, die ÖDP, die Guten oder die Piraten sowie  mehrere Umweltgruppen und Kirchengemeinden – angehören, will eine bessere Radinfrastruktur und damit auch eine klimaneutrale Mobilität erreichen. Für die Zulassung eines Bürgerbegehrens brauchen die Organisationen im ersten Schritt 15.000 Unterschriften. Insgesamt hat die Initiative dazu zwölf Monate Zeit, aber die Organisatoren sind optimistisch, die nötigen Unterstützungsunterschriften schon bis zum Sommer beisammen zu haben.

Umfangreicher Forderungskatalog

Der Forderungskatalog des Bündnisses ist umfangreich: Für mehr durchgängige Wege wollen die Initiatoren zeitnahe Lückenschlüsse im Radwegenetz, hochwertige Radwege an Hauptverkehrsstraßen sowie einen attraktiven Altstadtring bis zum Jahr 2026 und auf Langstrecken Radschnellwege für die Pendler. Für mehr Sicherheit sollen 15 km sichere Nebenstraßen pro Jahr sorgen.

Für Komfort und sichere Abstellmöglichkeiten der Fahrräder fordert das Bündnis die Schaffung von  1.000 Fahrradabstellplätzen pro Jahr. Fahrradfreundliche Kreuzungen und Einmündungen, eine übersichtliche Baustellengestaltung und saubere Radwege sollen für mehr Sicherheit sorgen. Dazu gehören auch sichere Radwege zur Schule und zur Kindertagesstätte. Und damit all das auch zügig umgesetzt werden kann fordert das Bündnis nicht zuletzt mehr Personal in der Verkehrsplanung.

Münchner Radlbegehren bereits erfolgreich

Viele der Forderungen ähneln dem, was in München bereits für eine klimafreundliche Verkehrswende beschlossen ist. In der bayerischen Landeshauptstadt hatte das Bündnis Radentscheid für seine beiden Radlbegehren innerhalb von drei Monaten mehr als 160.000 Stimmen sammeln können und damit die erfolgreichsten Bürgerbegehren in der Geschichte Münchens auf den Weg gebracht. Nötig wären jeweils etwa 33.000 Stimmen gewesen.

Eines der beiden Bürgerbegehren forderte unter anderem den Ausbau des Radwegenetzes in München, die Errichtung von geschützten und breiten Radspuren mit einer Mindestbreite von 2,30 Metern sowie mehr Abstellanlagen für Fahrräder. Ein Netz von optisch hervorgehobenen Rad-Vorrangrouten soll die wichtigsten Orte der Stadt verbinden. Außerdem sollen Kreuzungen umgebaut und für Radler sicherer gestaltet werden. Im anderen Bürgerbegehren ging es um den Bau eines durchgehenden Altstadt-Radlrings. Dass ein solcher Ring baulich möglich wäre. hatte eine Machbarkeitsstudie gezeigt.[2]

Umsetzung sorgt für Konflikte

Der Münchner Stadtrat hatte die Forderungen des Bündnis Radentscheid mit deutlicher Mehrheit übernommen. Damit wurde ein Bürgerentscheid hinfällig. Lediglich die Bayernpartei plädierte erfolglos dafür, die Münchner Bürger über die Begehren abstimmen zu lassen[3]. Die Nürnberger Initiatoren hoffen jetzt auch darauf, dass es mit ihrem Anliegen ähnlich gut vorangeht.

Die Umsetzung der beiden Münchner Bürgerbegehren zeigt aber auch Konfliktfelder auf, die sich aus dem Wegfall von Kfz-Stellplätzen, Behinderungen des Busverkehrs und infolge von Baumfällungen ergeben. Wenn beispielsweise – wie bereits geschehen – in einer Wohn- und Geschäftsstraße quasi handstreichartig alle Kfz.-Stellplätze zugunsten eines komfortablen Radweges wegfallen, ist das Gejammer unter betroffenen  Autofahrern, Anwohnern und Geschäftsleuten groß (wir berichteten).

Angebliche „Geheime Liste“ nur veraltet?

Für Unruhe sorgte so nun auch ein Zeitungsbericht der Münchner Abendzeitung über eine angebliche geheime „Streich-Liste“ der Stadt. Etwa 2.000 Parkplätze und zahlreiche Auto-Fahrstreifen sollen in München für breitere, sicherere Fahrradwege weichen. Bisher sind es zehn konkrete Maßnahmen, die der Stadtrat bereits beschlossen hat. Der angeblich bisher nur verwaltungsintern bekannten Liste aus dem Münchner Rathaus zufolge seien nun weitere 40 Straßen in der Stadt betroffen, bei denen sich Radler freuen dürften und Autofahrer sich sorgen müssten.[4]

Das Bündnis jedoch widerspricht dieser Darstellung. Die Liste sei weder geheim noch endgültig, sondern „schlicht veraltet“, heißt es. Denn mit einem Stadtratsbeschluss vom 18. Dezember 2019 habe man einen sogenannten „Radldialog“ etabliert. Demnach würden pro Quartal jeweils zehn Maßnahmen zur Umsetzung des Radentscheids erarbeitet und anschließend vom Stadtrat beschlossen. Anwohner, Gewerbetreibende und die Bezirksausschüsse würden in die Detailplanungen eingebunden.[5]

In Nürnberg wird man die weiteren Entwicklungen gewiss aufmerksam verfolgen. Denn die gegenwärtigen Interessenskonflikte, mit denen die Münchner Radler, Autofahrer, Geschäftsleute und Anwohner aufeinandertreffen, sind gewiss wohl auch in der mittelfränkischen Metropole schon vorprogrammiert.

Einzelnachweise:

[1] Radlbotschafter Nürnberg: „Radentscheid Nürnberg 2020“,in: radentscheid-nuernberg.de vom 24.Februar 2020, Aruf am 25. Februar 2020.

[2] Stadt München: „München setzt die Radl-Bürgerbegehren um“, in: muenchen.de vom 24. Juli 2019, Abruf am 25. Februar 2020.

[3] Süddeutsche Zeitung: „München bekommt bessere Radwege“, in: sueddeutsche.de vom 24. Juli 2019, Abruf am 25. Februar 2020.

[4] Abendzeitung München: „Neue Radlstreifen: Das ist die geheime Liste der Stadt!“, in: abendzeitung-muenchen.de vom 20. Januar 2020, Abruf am 25. Februar 2020.

[5] Bündnis Radentscheid München: „Geheime Liste nicht geheim – nur veraltet!“, in: radentscheidmuenchen.de vom 20. Januar 2020, Abruf am 25. Februar 2020.

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Anton Anger

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