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Millionen Falschparker-Knöllchen sind ungültig

In einer Grundsatzentscheidung hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) die Überwachung des ruhenden Verkehrs durch „private Dienstleister“ für gesetzeswidrig erklärt. Die so ermittelten Beweise unterliegen einem absoluten Verwertungsverbot, entschied das OLG.

Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main (Stadt Frankfurt) hatte als Ortspolizeibehörde wegen unerlaubten Parkens im eingeschränkten Halteverbot gegen einen Falschparker ein Verwarngeld von 15 € verhängt. Dagegen legte der betroffene Autofahrer Widerspruch ein. Das Amtsgericht Frankfurt am Main hatte das Verwarngeld zunächst noch bestätigt (Urteil vom 19.7.2018, Az: 979 OWi – 858 Js 47749/17).[1]

Verkehrsontrollen durch Leiharbeiter sind unzulässig

Mit Erfolg jedoch klagte der Betroffene daraufhin gegen die Verurteilung vor dem OLG. Die Stadt Frankfurt hatte nämlich für die Kontrolle des ruhenden Verkehrs Leiharbeitskräfte eines privaten Dienstleisters als „Hilfspolizeibeamte” auf Basis einer Stundenvergütung eingesetzt. Dieses Vorgehen erklärte das OLG nun für gesetzeswidrig. Das Recht, Ordnungswidrigkeiten zu ahnden, sei ausschließlich dem Staat – also konkret der Polizei – zugewiesen.

Dieses im Rechtsstaatsprinzip verwurzelte staatliche Gewaltmonopol beziehe sich auf die gesamte Verkehrsüberwachung, also sowohl auf den fließenden wie auch den ruhenden Verkehr. Erst im November vergangenen Jahres hatte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einer Grundsatzentscheidung Blitzerkontrollen privater Dienstleister für unzulässig erklart (wir berichteten).

Arbeitnehmerüberlassung nur für private Wirtschaft

Die der Stadt Frankfurt als Polizeibehörde gesetzlich zugewiesene Verpflichtungen, den ruhenden Verkehr zu überwachen und Verstöße zu ahnden, seien hoheitliche Aufgaben. Mangels Ermächtigungsgrundlage dürften diese Aufgaben nicht durch private Dienstleister durchgeführt werden stellte das Gericht klar. Die Überlassung privater Mitarbeiter nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zur Durchführung hoheitlicher Aufgaben sei unzulässig. Die Bestellung privater Personen nach § 99 HSOG zu Hilfspolizeibeamten der Ortspolizeibehörden sei gesetzeswidrig.

Es gebe keine vom Parlament erlassene Ermächtigungsgrundlage, die die Stadt Frankfurt berechtigte, die Aufgabe der Überwachung des ruhenden Verkehrs auf „Dritte“ zu übertragen. Dies ergebe sich auch au dem sogenannten „Arbeitnehmerüberlassungsgesetz”. Ein über die Arbeitnehmerüberlassung entliehener Mitarbeiter werde nicht automatisch zum „Bediensteten“ der Stadt Frankfurt und könne deshalb auch nicht durch einen hoheitlichen Bestellungsakt „Stadtpolizist“ werden.

Urteil hat bundesweit Signalwirkung

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz dient dazu, den Missbrauch von Arbeitnehmerüberlassung im privatwirtschaftlichen Bereich einzudämmen. Ein Wirtschaftsunternehmen (also explizit nicht der Staat) dürfe dem Gesetz nach kurzfristige auftretende Tätigkeitsspitze durch die kurzfristige Hinzuziehung fremder Arbeitskräfte ausgleichen. Entscheidend dabei aber sei, dass der entliehene Arbeitnehmer im verleihenden Unternehmen verbleibe.

Das OLG Frankfurt ist die erste höhere gerichtliche Instanz, die sich mit der Frage der Zulässigkeit des Einsatzes „privater Dienstleister“ im Bereich der Verkehrsüberwachung des ruhenden Verkehrs auseinandergesetzt hat. Bei dem hessischen Gericht hieß es, die Entscheidung könne bundesweite Signalwirkung haben – sie müsse es jedoch nicht. Die Erwägungen der Richter, die der Entscheidung zugrunde liegen, wären prinzipiell aber deutschlandweit übertragbar, da sie sich unter anderem auf Bundesrecht beziehen. Bindend sind sie allerdings nur in dem konkreten Fall. Andere Gerichte könnten in vergleichbaren Fällen durchaus auch anders entscheiden.

Viele andere Kommunen betroffen

Allein in Frankfurt wurden im Jahr 2018 mehr als 700.000 Parkverstöße geahndet mit einem Sanktionswert von über 10 Mio. Euro. Die Praxis, Leiharbeiter als Hilfspolizisten einzusetzen wurde ähnlich aber auch in anderen Kommunen Hessens angewandt und dort geht nun die Sorge um, dass sich viele Autofahrer künftig wehren werden und den Kommunen wichtige Einnahmen verloren gehen könnten. Die Erwägungen der Richter, die der Entscheidung zugrunde liegen, sind prinzipiell deutschlandweit übertragbar, da sie sich unter anderem auf Bundesrecht beziehen. Bindend sind sie allerdings nur in dem konkreten Fall. Andere Gerichte könnten in vergleichbaren Fällen auch anders entscheiden.

In Gießen beispielsweise hatte die  Ordnungspolizei schon im Jahr 2009 damit begonnen, externe Dienstleister für Kontrollen im ruhenden Verkehr einzusetzen. Erst im Im Mai des vergangenen Jahres hatte man sich bei der Stellenplanung dazu entschlossen, künftig komplett auf Dienstleister zu verzichten.[2]  Die Stadt Darmstadt hat als Reaktion auf die OLG-Entscheidung ihrer privaten Sicherheitsfirma gekündigt, deren Mitarbeiter bislang für die Kontrolle der Parksünder tätig war. Wie eine Umfrage der Deutschen Presseagentur dpa ergab, seien in bundesweit großen Städten wie etwa Hamburg, München und Hannover keine privaten Dienstleister bei Park-Kontrollen im Einsatz.[3]

Bezahlte Knöllchen werden nicht erstattet

Falschparker, die nun ihr bereits gezahltes Geld jetzt wieder zurückbekommen wollen, dürften allerdings schlechte Karten haben. Denn in der Regel werden Strafzettel mit einer Verwarnung quittiert. Durch die Bezahlung wird dieses Verfahren rechtskräftig und eine Wiederaufnahme sieht das Gesetz – anders als bei Bußgeldverfahren – nicht vor.

Einzelnachweise:

[1] Oberlandesgericht Frankfurt am Main „Keine Überwachung des ruhenden Verkehrs durch private Dienstleister“, in: ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de vom 20.Januar 2020, Abruf am 23. Januar 2020.

[2] Gießener Allgemeine: „Knöllchen-Urteil: Was Falschparker in Gießen nun wissen müssen“, in: giessener-allgemeine.de vom 21.Januar 2020, Abruf am 23. Januar 2020.

[3] Nordkurier  Neubrandenburg: „Anwalt: Autofahrer sollten ‘Knöllchen’ prüfen“, in: nordkurier.de vom 21.Januar 2020, Abruf am 23. Januar 2020.

 

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sgf

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