Luxemburg führt kostenlosen Nahverkehr ein

Großstädte ersticken mehr und mehr im Verkehr. Um Autofahrer zum Umsteigen auf den Öffentlichen-Personen-Nahverkehr  ÖPNV zu bewegen, müssten Busse und Bahnen deutlich attraktiver werden. Das ginge am einfachsten über den Fahrpreis. Doch während die Preise im Fernverkehr sinken, wird der Nahverkehr in Deutschland vielerorts erneut teurer.[1]

Das kleine Luxemburg zeigt, wie es anders geht: Vom 1. März 2020 an ist Luxemburg das erste Land der Welt, in dem man für Busse und Bahnen keine Fahrkarten mehr braucht. Fahrkartenschalter werden geschlossen, Kontrolleure bekommen neue Aufgaben im Service. „Das steht uns einfach gut zu Gesicht und trägt enorm zum Image und zur Attraktivität Luxemburgs bei“, sagt der liberale Premierminister Xavier Bettel zum Gratis-Nahverkehr. Lediglich für die erste Klasse in der Bahn muss man in Luxemburg weiterhin bezahlen.[2]

Mehrausgaben des Großherzogtums gering

Luxemburg ist gerade einmal knapp 2.600 Quadratkilometer groß. Zu den rund 600.000 Einwohnern pendeln noch rund 200.000 Menschen aus Frankreich, Belgien und Deutschland täglich zur Arbeit nach Luxemburg. Die sorgen für Stau. Denn das Verkehrsaufkommen im Großherzogtum ist seit der  Jahrtausendwende um 140 Prozent gestiegen.

Das soll sich jetzt ändern. Und den Staat kostet das vergleichsweise gar nicht mal so viel Geld. Denn nachdem der Steuerzahler des reichen Großherzogtums schon bisher rund 90 Prozent der Kosten für die öffentlichen Verkehrsmittel (491 Millionen Euro) aufgebracht hat, belaufen sich die  Mehrausgaben des Staates lediglich noch auf schlappe 41 Millionen Euro.

Augsburg bundesweit der einzige Lichtblick

In Deutschland tut man sich mit der Verkehrswende deutlich schwerer. Selbst vom groß angekündigten „subventionierten 365-Euro-Ticket“ für Schüler und Auszubildende profitieren nur die Metropolregionen, wie München, Nürnberg, Stuttgart und vielleicht bald ja auch Leipzig.[3] Immerhin bietet die Stadt Augsburg als bundesweit einzige Kommune eine attraktive „Mobil-Flatrate“ für den Nahverkehr an. Bürger können in der Fugger-Stadt bereits mit einem relativ günstigen Abo-Ticket Stadtbusse, Trambahnen, Carsharing-Autos und Leihradl nutzen. Zum neuen Jahr nun führt Augsburg rund um den Königsplatz die City-Zone ein, in der  man den Nahverkehr komplett kostenlos nutzen kann[4]

Wirklich kostenlose kommunale ÖPNV-Angebote sind in Deutschland ansonsten jedoch Fehlanzeige. Selbst Versuche von vergleichsweise wohlhabenden Kommunen, ihren Bürgern in der eigenen Kommune kostenlose ÖPNV-Tickets zu finanzieren, werden von Verkehrsverbünden unterlaufen. Beispiel Planegg: In der kleinen aber wirtschaftlich starken Würmtal-Gemeinde im Südwesten Münchens drängt die regierende SPD schon seit Jahren dazu, den Bürgern kostenloses Busfahren zu ermöglichen. Doch der Münchner Verkehrsverbund MVV ist einfach zu keinem Entgegenkommen bereit. Die vom MVV vorgeschlagene Lösung wäre, dass sich die Bürgerinnen und Bürger ihre Fahrkarten nach der Fahrt in der Gemeinde erstatten lassen. So aber ist das nicht umsetzbar, denn der Verwaltungsaufwand für die Kommune wäre enorm.[5]

Sachzwänge statt Klimaschutz

Wie generell auch schon beim „Klimapäckchen“ hudeln Politik, Kommunen, Wirtschaft und Verkehrslobbyisten allerorts einfach weiter vor sich hin. Zwar sollen Bahntickets im Fernverkehr durch die Senkung der Mehrwertsteuer 19 auf 7 Prozent ab dem 1. Januar 2020 um bis zu zehn Euro günstiger werden. Der Nahverkehr jedoch wird sich in vielen deutschen Städten aber um  bis zu 3,3 Prozent verteurern.

Nach einer Auswertung durch die Deutschen Presse-Agentur dpa betrifft das etwa Kunden im Ruhrgebiet, im Rheinland, in Berlin und Brandenburg, in den Großräumen Hamburg und Bremen sowie im Rhein-Main-Gebiet. Als Gründe werden allerorts wirtschaftliche Sachzwänge vorgeschoben: Höhere Gehälter, Diesel- und Strompreise oder steigende Materialkosten genießen halt absoluten Vorrang vor dem Klimaschutz.

In Berlin und Brandenburg wird der ÖPNV im Schnitt 3,3 Prozent teurer. Im Verkehrsverbund Rhein-Sieg Zwischen Aachen, Bonn und Remscheid steigen die Preise um 2,5 Prozent, an Rhein und Ruhr um 1,8 Prozent. und im Verkehrsverbund Rhein-Main (Frankfurt/Wiesbaden) um 1,5 Prozent. Selbst in Hamburg wird das Fahren mit Bus und Bahn immerhin noch  um 1,3 Prozent teurer. Lediglich in München und in Stuttgart machten Tarifreformen die ÖPNV-Nutzung für viele Kunden günstiger. Dennoch gibt es auch hier Betroffene, die künftig tiefer in die Tasche greifen müssen. Zumindest in Nürnberg bleiben die Fahrpreise heuer stabil.

„Deutschland muss Autoland bleiben!“

Die Klimaschutzziele im Verkehrssektor sind eigentlich eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern, Kommunen und den Verkehrsunternehmen. Doch der Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) stemmt sich weiterhin beharrlich gegen die Einführung Tempolimits. Deutschland möge weiterhin Autoland bleiben, wünscht sich selbst der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Stuttgart.[6]

Die Mär von der angeblich so wichtigen Verkehrswende in Deutschland besteht offensichtlich nur aus leeren Worthülsen. Wirklich voran gehen tut in Sachen Verkehrswende hierzulande quasi rein gar nichts – und das nahezu auf allen Ebenen!

Einzelnachweise:

[1]  ZDF Heute: „Der ICE wird billiger, die S-Bahn teurer“, in: zdf.de vom 29. Dezember  2019, Abruf am 31. Dezember 2019.

[2] Grenzecho: „Ein Sahnehäubchen: Luxemburg macht Bahn und Bus kostenlos“, in: grenzecho.net vom 29.Dezember 2019, Abruf am 31. Dezember 2019.

[3] Süddeutsche Zeitung: „365-Euro-Ticket für Leipzig rückt näher“, in: sueddeutsche.de vom 18. Dezember 2019, Abruf am 30. Dezember 2019.

[4] Anwalt-Innovativ: „Augsburg bietet bundesweit erst Mobil-Flatrate für den Nahverkehr“, in: anwalt-innovativ.de vom 3. November 2019, Abruf am 30. Dezember 2019.

[5] Wuermtal.Net: „Pilotprojekt zum kostenlosen Busfahren in Planegg“, in: wuermtal.net.de vom 27.November 2019, Abruf am 31. Dezember 2019.

[6] Tagesspiegel: „Wir müssen alles dafür tun, dass wir Autoland bleiben“, in: tagesspiegel.de vom 29.Dezember 2019, Abruf am 31. Dezember 2019.

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Wilfried Müller

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