Categories: InkassorechtSonstige

Warnung vor unseriösem Nachhilfeunterricht für Schüler und Abofallen

Nach bald 20 Jahren des Internets meinen viele, sie würden mittlerweile sämtliche Abzock-Betrugsmaschen im Netz kennen. Doch weit gefehlt. Jetzt knöpfen sich die Kriminellen die Schüler und deren Eltern in einem relativ neuen «Geschäftsfeld» vor: Dem Nachhilfeunterricht für die Kleinen und Heranwachsenden.

Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung würden in Deutschland gut 1,2 Millionen Schüler Nachhilfeunterricht in Mathe, Englisch, Französisch, Latein, Biologie, Chemie, Physik & Co bekommen. Die Eltern würden dafür jährlich rund 900 Millionen Euro ausgeben.[1] Der Leistungsdruck ist groß, schließlich gibt es in vielen Bundesländern mittlerweile Schulklassen, wo fast 50 Prozent der Abinoten im 1er Bereich liegen. Das war vor 20 oder 30 Jahren noch undenkbar.

Da hatte vielleicht einer oder zwei von 25 oder 30 Schülern ein solches Abitur. Das lag nicht daran, dass diese Schüler oder Schülerinnen dümmer gewesen wären, sondern weil die Ansprüche höher waren. Auch war der Druck auf Schulen und Lehrer geringer, mit Top-Noten um sich zu werfen, da es faktisch für jeden einen Studienplatz ohne Numerus Clausus gab. Bildung für alle, egal mit welchen Fähigkeiten jemand an die Uni kam, war der Anspruch. Und nicht nur Bildung für die 1er Kandidaten.

Als Problem kommt hinzu: Da vor allem die SPD das Hochschulstudium für jeden öffnen wollte, wurde gleichzeitig das Handwerker im Image beschädigt. Plötzlich galten Handwerker als Idioten, als der intellektuelle Abschaum der Gesellschaft. Wer nicht Nietzsche oder das Umweltschutz-Programm der GRÜNEN zitierten konnte, war ein Außenseiter. Dabei gibt es heute im Handwerk Jobs ohne Ende, oft auch gut bezahlte.

Jeder will an die Uni

Dass viele Uni-Abgänger hinterher kaum mehr als 25.000 Euro oder 35.000 Euro brutto im Jahr verdienen, scheint selbst die Betroffenen oft wenig zu interessieren. Erst später merken sie, dass man mit so einem Gehalt niemals eine Eigentumswohnung erwerben kann und auch keine vernünftige Altersvorsorge betreiben kann.

Selbst das Einstiegsgehalt für Ingenieure liegt bei hochqualifizierten Uni-Abgängern oft in Deutschland maximal bei 45.000 Euro brutto – da bleiben auf Grund der hohen Steuern und Abgabenlast monatlich nicht üppige 2.600 Euro netto übrig. Besser sieht es bei Junior-Unternehmensberatern aus. Die können es schon mal auch in Städten wie Berlin auf ein Einstiegsgehalt von 70.000 Euro im Jahr bringen. Dafür müssen sie dann aber auch Tag und Nacht schuften. 60 Stundenwochen und mehr sind da keine Seltenheit – Arbeitsgesetze hin oder her.

In einem solch etwas verschrobenen Jahrmarkt des Bildungswahnsinns wundert es sich nicht, dass Schüler, die den hohen Anforderungen an Top-Noten nicht gerechnet werden können, in ihrer Not einen Weg über die Schüler-Nachhilfe suchen. Doch wie immer, wo Not ist: Die Geier warten schon und versuchen sich daran zu laben. Pro Nachilfekind würden im Monat immerhin rund 87 Euro ausgegeben, schreibt der RBB, Rundfunk Berlin-Brandenburg und kommt auf neue Abzockmaschen zu sprechen:[2]

Die Schülernachhilfe-Abzocker hängen auch Plakate aus

So berichtet der öffentlich-rechtliche Rundfunk RBB über sein Onlineportal rbb24, wonach Ende Oktober 2019 im Berliner Stadtteil Charlottenburg-Wilmersdorf zum Beispiel Aushänge für Nachhilfeunterricht zu finden gewesen seien. Das heißt:

Die Kriminellen suchen nicht nur im Internet ihre Opfer, sondern bedienen sich zunehmend scheinbar auch der Offline-Medien, der ganz klassischen Werbung über Plakate oder sonstige Aushänge. Das wirkt natürlich vertrauensvoll, da sich viele denken werden: Wer sich schon die Mühe macht, rund um Schulen, den U-Bahnhöfen oder auf sonstigen Klebeplätzen Aushänge anzubringen, wird schon seriös sein. Doch weit gefehlt, so der RBB und schildert:

«Der Text erweckt den Eindruck, als handelte es sich um ein Angebot von Berliner Studenten – wer aber unter der angegebenen Nummer anruft, erreicht eine GmbH in Süddeutschland. Die Mitarbeiter dort drängen die Anrufer, möglichst noch während des Gesprächs einen Vertrag abzuschließen. Der soll langfristig binden, die Preise liegen mitunter bei mehr als 1.000 Euro für das Gesamtpaket.»

Berliner Geschäftsfrau wollte Unterricht für ihre 13-jährige Tochter

Der RBB habe mit einer Betroffenen gesprochen, die Mutter einer 13-jährigen Tochter. In ihrem Fall hätten die Abzocker ihr einen monatlichen Abo-Vertrag für Schülernachhilfe aufgequatscht der die Mutter letzten Endes 1.248 Euro für angebliche 79 Unterrichtseinheiten kostet. Doch ein Nachhilfelehrer sei nie aufgekreuzt. Ganz abgesehen davon, dass es erhebliche Zweifel gebe, ob ein «Unterricht» von der angeblichen GmbH überhaupt qualitativ den Ansprüchen genüge.

So lässt sich denn auch die Mutter, eine Geschäftsfrau, im Rundfunk Berlin-Brandenburg mit den Worten zitieren, sie fühle sich «total überrumpelt». Grund: Der angebliche «Nachhilfe»-Mitarbeiter habe ihr am Telefon immer bei den relevanten Themen rund um Nachhilfe-Einheiten «sehr schnell gesprochen». So habe die Anruferin am Ende Probleme gehabt, dem Gesprächsverlauf überhaupt «hinterherzukommen».

Das schnelle Zutexten von Eltern oder Schülern sei Bestandteil der kriminellen Betrugs-Masche, folgert der RBB.

Vor allem versuche man die in Not befindlichen Eltern oder Schüler, die bei schlechter oder nicht genügender schulischer Schulleistungen sowieso schon mit dem Rücken zur Wand stehen, diese obendrein psychisch unter Druck zu setzen. Deshalb könnten sich die Opfer häufig nicht auf den Gesprächsverlauf richtig konzentrieren.

Rücktritt vom Vertrag nur möglich, wenn noch keine “Nachhilfestunde” genommen wurde

Immerhin: Auch für am Telefon abgeschlossene Verträge oder persönlich unterschriebene Verträge gilt, dass man von solchen Verträgen innerhalb von 14 Tagen schriftlich per Einschreiben zurücktreten darf (unterschriebene Kopie behalten).

Allerdings ist man komplett chancenlos in der Falle, wenn man sich überrumpeln lässt und zeitnah oder noch während des Telefonats eine angebliche «Probestunde» oder tatsächliche «Unterrichtsstunde» beispielsweise online oder persönlich mitmacht, so der RBB und schreibt:

«Von Preisen, Lerninhalten oder Methoden war in dem Testgespräch keine Rede. Trotzdem wurde von der Firma ein schnellfolgender Termin für eine erste Unterrichtseinheit vorgeschlagen. Nicht wie ursprünglich angenommen von Studenten zu Hause durchgeführt, sondern online. Genau da aber liegt das Problem: Mit Beginn der ersten Lerneinheit wäre der Vertrag geschlossen gewesen. Verbraucherschützer nennen das Überrumpelung.»

Zwar habe man bei Verträgen, die am Telefon geschlossen werden, ein vierzehntägiges Widerrufsrecht». Doch «wer gleich am nächsten Tag die erste Stunde nimmt, hat eine Leistung in Anspruch genommen – und dann gibt es kaum noch einen Weg aus dem Vertrag. Auch wer später merken sollte, dass er gar nicht alle Unterrichtseinheiten braucht, hat Pech gehabt: Geld zurück gebe es nicht, so die Firma. Man könne dann ja auf ein anderes Fach umschwenken – verschenktes Geld, wenn man das Fach gar nicht braucht.»

Verbraucherzentrale hält “Angebot” für unseriös

Die Berliner Verbraucherzentrale (VZB) kritisiert das Verhalten der Schülernachhilfe-Abzocker und bezeichnet das Vorgehen von der im RBB geschilderten GmbH aus Süddeutschland als unseriös. Warum die GmbH nicht genannt wird im Text des RBB ist ein Geheimnis, das der RBB vielleicht noch einmal lüftet. Scheinbar ist die Angst vor juristischen presserechtlichen Auseinandersetzungen größer als der Wille den Schülern zu helfen. Denn gut auch über das Internet aufgezogene Abzockmaschen erreichen schnell Hunderttausende Opfer.

Wichtig: Jede Schule bietet von sich aus Hilfe bei Nachhilfe an und kann hier Empfehlungen aussprechen. Empfehlenswert ist es auch immer, wenn man persönlich gute Mitschüler kennt oder gute Studenten aus dem Freundeskreis, die man vielleicht mal ansprechen kann, ob diese einen kleinen Nebenjob haben möchten.

Einzelnachweise

[1] Eltern geben jährlich rund 900 Millionen Euro für Nachhilfe aus, von: Bertelsmann Stiftung vom 27.1.2016. Abgerufen am 24.11.2019.

[2]  Verbraucherschutz warnt vor unseriösen Angeboten Wenn der Nachhilfelehrer gar nicht um die Ecke wohnt, von Andrea Ewerwien, in rbb24.de vom 11.11.2019. Abgerufen am 24.11.2019.

Share
sgf

Recent Posts

Empfängnis­verhütende Mittel können beihilfefähig für andere Krankheiten sein

BVerwG: Verhütungsmittel zur Krankheitsbehandlung können beihilfefähig sein Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) befasste sich mit der Frage,…

27, August 2020

Restzahlungen bei Pauschalreisen

Pauschalreisen in Coronazeiten: Muss ich den Restpreis bezahlen? Sind Sie wegen der Coronalage noch unsicher,…

25, August 2020

Kompromiss-Urteil zu Schönheitsreparaturen

BGH: Vermieter trifft auch bei unrenoviert übergebener Wohnung eine Instandhaltungspflicht Der BGH hatte über zwei…

20, August 2020

So erkennen Sie Betrugsversuche

C.B. Group Inkasso verschickt gefälschte Mahnungen: So erkennen Sie Betrugsversuche Fast wöchentlich gibt es neue…

18, August 2020

Das krankenversicherte Kind

Bei Möglichkeit der Mitversicherung haben Kinder keinen Anspruch auf privaten Krankenversicherungsschutz Das OLG Frankfurt am…

13, August 2020

Dieselskandal

Nacherfüllungsanspruch kann sich auf Lieferung eines Nachfolgemodells erstrecken Das OLG Köln hat entschieden, dass der…

11, August 2020