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Deutsche Richterbund DRB will EU-Strafverfolgung verbessern und übt Kritik

Kriminelle Deutsche, welche sich in die USA absetzten, haben oft nichts zu befürchten. Denn wer einmal 50.000 Euro für die Greencard bezahlt hat, möglicherweise noch ein paar Hunderttausend Euro oder Millionen auf dem Konto hat, wird selbst bei hoher Straffälligkeit kaum von den USA nach Deutschland ausgeliefert. Das ist kein Einzelfall:

Auch italienische Staatsanwälte weigern sich fast konsequent, international mit deutschen Staatsanwaltschaften oder Richtern in der Strafverfolgung oder beim Zivilrecht zusammenzuarbeiten. Man scheut die zusätzliche komplexere Arbeit.

Doch auch deutsche Staatsanwaltschaften sind nicht gerade dafür bekannt, beispielsweise sich mit slowenischen Staatsanwälten in Ljubljana zu treffen, um einen Straftäter dingfest zu machen. Lieber werden Hinweise einfach ignoriert, weiß anwalt-innovativ aus einem sehr konkreten Vorfall, über den sich sogar slowenische Staatsanwälte ärgern.

Opfer schauen oft in die Röhre

«Bei mir hat sich kein Staatsanwalt aus Deutschland in dem Verfahren gemeldet, obwohl es deutsche Opfer massiv betrifft», erklärte anwalt-innovativ gegenüber ein Staatsanwalt aus Slowenien, der versucht, Rip Deals aufzuklären. Ähnlich äußerte sich ein Staatsanwalt aus Zagreb.

Auch wenn sich kaum was ändern dürfte an der mangelhaften grenzüberschreitenden Strafverfolgung in der EU oder zwischen der EU und den USA:

Jetzt hat der Deutsche Richterbund (DRB) immerhin Nachbesserungen bei der geplanten EU-Verordnung über die grenzüberschreitende Erhebung elektronischer Beweise (E-Evidence-Verordnung) gefordert. Das teilte der DRB in einer Pressemitteilung mit. Allerdings schlägt der Richterverband auch kritische Töne an, insbesondere in Bezug auf den Datenschutz:

«Nach dem Verordnungsentwurf können die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten grenzüberschreitend unmittelbar auf Provider in anderen Staaten und damit auf dort belegene Daten zugreifen – dies im Grundsatz ohne Kontrolle durch die dortigen nationalen Behörden», kritisierte der Vorsitzende des DRB, Jens Gnisa und führt weiter aus:

«Im Interesse der Verbesserung der internationalen Strafverfolgung unterstützen wir zwar grundsätzlich das Ziel der EU-Kommission, die grenzüberschreitende Beweiserhebung elektronischer Daten zu vereinfachen und zu beschleunigen. Das darf jedoch nicht zu Lasten der rechtsstaatlichen Standards gehen, die ein von der Erhebung seiner Daten Betroffener erwarten kann. Trotz der vom Rat vorgenommenen Änderungen können wir eine hinreichende rechtsstaatliche Absicherung noch nicht feststellen.»

Konkret fordere der DRB, dass «zumindest bei den sogenannten Transaktions- und Inhaltsdaten der Staat des Ortes der Erhebung („Vollstreckungsstaat“) die Möglichkeit haben müsse, «gegenüber dem Staat, der die Herausgabe angeordnet» habe („Anordnungsstaat“) «der Übermittlung der elektronischen Daten bei rechtlichen Hinderungsgründen wirksam zu widersprechen». Man wolle also ein «hartes Widerspruchsrecht».

Warum der Richterbund das so fordert, bleibt allerdings etwas im Dunkeln. Denn umgekehrt könnten dann auch deutsche Richter oder Staatsanwälte international wesentlich einfacher Beweise gegen Straftäter sammeln, als bislang:

Italiens Justiz deckt die Mafia und Rip Deal-Gangster

So rückt beispielsweise die italienische Justiz fast nie Informationen zu Italienern oder in Italien lebende Bürger, die in Strafverfahren in Deutschland verwickelt sind, heraus. Vor allem die Justiz in Mailand (Milano), Rom oder Venedig deckt die Mafia, die immer häufiger über Rip Deals Hunderte Millionen Euro in Europa ergaunert.

Dafür arbeitet sie sehr erfolgreich grenzüberschreitend und ist in allen Geschäftsfeldern aktiv, die Geld bringen: Dem Bitcoin-Betrug, Immobilien-Betrug, Kredit-Betrug, Auto-Betrug, Schmuck-Betrug, Antiquitäten-Betrug und vielem mehr.

Das Prinzip ist immer das gleich: Man bietet deutlich über dem Marktwert liegende angebliche Preise für ein Produkt. Dafür lockt man die Opfer unter Vorwänden ins Ausland in Länder wie Slowenien, Serbien, die Niederlande oder Italien, oft in Luxushotels oder ähnliche vermeintliche öffentliche Hotspots. Dort verwickelt man die Opfer in dubiose Bargeldgeschäfte. Meist soll man für irgendwas Bargeld ins Ausland mitbringen – meist über 10.000 Euro.

Man lockt die Opfer in Geldwäschegeschäfte

Der Betrag ist nicht zufällig hoch. Grund: So zieht man die Opfer obendrein wegen zu hoher Bargeldausführungen in Geldwäschegeschäfte hinein. Dann stiehlt man den Opfern das Geld in Restaurants, auf einem Parkplatz, einem Einkaufszentrum oder einer Hotel-Lobby. Da die Opfer Angst vor Geldwäschevorwürfen haben, getrauen sich diese dann oft nicht, eine Anzeige gegen die Täter zu erstatten. Man hat Angst, sich selbst strafbar gemacht zu haben. Hinzu kommt:

Die Kriminellen sind sehr geschickt, nutzen Prepaid-Handys, die man Flüchtlingen abgekauft hat und legen Dutzende gefälschte Pässe vor. Außer, dass die Bilder manchmal stimmen, stimmt an solchen Pässen nichts. Erschwerend kommt hinzu: Wer getraut sich schon, Pässe abzufotografieren bei einem Deal, wo man hofft, einen Reibach zu machen?

Das berühmteste deutsche Opfer eines solch international kriminell ausgeheckten Rip Deals war der deutsche Fluege.de- und Ab-in-den-urlaub.de-Gründer Thomas Wagner von der Unister Holding in Leipzig, die einstmals über 2000 Mitarbeiter beschäftigte.

Thomas Wagner prominentestes deutsches Opfer

Ein Immobilienhändler aus Leipzig hatte sich das Vertrauen Wagners erschlichen und diesen an dubiose angebliche «Kreditvermittler» weitergereicht, die ihn wiederum nach Venedig mit dem Versprechen lockten: Würde er eine «Kreditausfallversicherung» in Höhe von 1,5 Millionen Euro in bar bezahlen, erhalte er angeblich einen «Überbrückungskredit» in Höhe von 15 Millionen Euro für einen geplanten Börsengang. Alles war natürlich Lug und Trug.

Auf dem Rückflug von Venedig war Thomas Wagner in einer Privatmaschine über Slowenien in einem dubiosen Flugzeugabsturz mit drei weiteren Opfern ums Leben gekommen – mit nur 38 Jahren. In Venedig hatte man ihm obendrein auf einem geschickt gewählten, da mit Kameras kaum überwachten Hotelparkplatz die 1,5 Millionen Euro abgenommen.

Statt Realgeld hatte man ihm einen Koffer mit Falschgeld angedreht. Nur die oberste Schicht war echt. Der Rest waren in der Mitte gebündelte Schweizer Franken-Blüten, so dass der «Faksimile»-Aufdruck nicht gesehen werden konnte.

Venedigs Staatsanwälte mauern und rücken nichts raus

Bis heute sollen sich die Staatsanwälte in Venedig mehr oder weniger weigern, der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden in diesem Fall zuzuarbeiten. Ein prominentes Beispiel also für mangelnde Zusammenabeit der EU-Strafverfolgungsbehörden.

Jedenfalls teilte der Deutsche Richterbund außerdem mit, wonach man ebenso beanstande «dass das Prinzip der spiegelbildlichen Strafbarkeit aufgegeben» worden sei.

So sei der Anwendungsbereich der neuen EU-Strafverfolgungsverordnung teilweise abhängig von der jeweiligen Höchststrafandrohung (drei Jahre Freiheitsstrafe) im jeweiligen Anordnungsstaat. Dies sei aber wesentlich zu weit gezogen. Außerdem sei die neue Rechtslage «uneinheitlich».

So halte man es nicht für richtig, «dass die Herausgabe von Daten von der Zufälligkeit» abhänge, mit welchem Strafmaß die verfolgte Straftat im Anordnungsstaat angedroht werde.

Daten von Straftätern

Noch weniger sei man dafür, dass die Herausgabe von Daten zu Straftätern davon unabhängig sei, «ob die verfolgte Straftat im Vollstreckungsstaat überhaupt eine Straftat» darstelle. Dies erklärte Hans Jörg Städtler-Pernice, DRB-Präsidiumsmitglied für Europarecht.

Der Richterbund halte deshalb die Erstellung eines Straftatenkatalogs für erforderlich, «wie er auch aus anderen internationalen Rechtsinstrumenten» bekannt sei. Der Vorschlag des Deutschen Richterbundes werde «zurzeit im Europäischen Parlament im dort federführenden LIBE-Ausschuss beraten», so der DRB. Im Anschluss beginne das Trilogverfahren zwischen Parlament, Rat und Kommission.

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sgf

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