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Miet-Horror in Hamburg

Bis zu 800 Euro Miete sollten in Osteuropa angeworbene Wanderarbeiter für ein schäbiges Loch von gerade einmal 9,5 Quadratmetern zahlen. Ein weiteres Zimmer von gut 20 Quadratmetern Größe ohne eigenes WC wurde für 1.150 Euro vermietet. Im  von den Behörden überprüften Objekt im Hamburger Stadtteil Barmbek war zudem ein Gebäudeteil, der nicht zum Wohnen vorgesehen ist, mit Betten möbliert.

Nach einem Bericht der Hamburger Morgenpost bot sich den rund 100 Mitarbeitern von Zoll. Polizei und Bezirksamt ein erschreckender Anblick: Die Zimmer mit Stockbetten vollgestellt, das Treppenhaus total heruntergekommen, der Putz bröckelte von den Wänden und Stromkabel lagen frei.[1]

Überbelegung, Mietwucher und Ausbeutung!

Zimmerweise wurde hier zu Wucherpreisen vermietet. Zwei Männer, die unten im Haus wohnten, fungierten dabei als Hausmeister und Geldeintreiber in einem: Sie gaben Bettlaken aus und kassierten die Miete – selbstverständlich in bar. Der Behördenverdacht: Überbelegung, Mietwucher und Ausbeutung!

Die Behörden sind bei ihrer Razzia offenbar einer modernen Form der Sklavenhaltung auf die Schliche gekommen. Denn anscheinend handelt es sich um eine betrügerische Verquickung von Arbeitsvermittlung und illegaler Beherbergung.

Hamburg ein Eldorado für Billig-Tagelöhner?

Die Wanderarbeiter waren in Osteuropa – überwiegend in Bulgarien, Rumänien und teils auch in Serbien – angeworben worden, und in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland gekommen. Meist ohne Deutsch- und Englischkenntnisse waren sie abhängig von ihrem Arbeitgeber, der die Mitarbeiter an Baufirmen vermittelte. Sie hatten von vorneherein überhaupt keine Chance, sich eine Bleibe auf dem freien Wohnungsmarkt zu suchen und mussten die Wuchermieten akzeptieren.

„Wir wollen verhindern, dass Hamburg Ziel für Billiglohnarbeitskräfte und für prekäre Unterbringungen wird“, sagte Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde, der Hamburger Morgenpost. Seit September 2017 kontrolliere seine Behörde in unregelmäßigen Abständen derartige Unterkünfte. Diese sogenannten „Aktionstage“ richteten sich ausdrücklich nicht gegen die ausgebeuteten Menschen, sondern gegen die Ausbeuter.

Kein Arbeiter soll obdachlos werden

Allerdings wurden bei der Razzia in Barmbek auch zwei Männer in Gewahrsam genommen, die sich illegal in Deutschland aufhielten. Die übrigen Bewohner könnten laut Sozialbehörde aber erst einmal in ihren Unterkünften verbleiben. Es solle keiner der Arbeiter durch die Aktion obdachlos werden.

Man wolle die Hinterleute derartiger Strukturen ausfindig machen und zur Verantwortung ziehen, so laute die klare Botschaft der Sozialbehörde an die ausbeuterische Vermieter und Arbeitgeber. Diese dürften diesem Geschäft in Hamburg nicht ungestraft nachgehen.

Ob allerdings die Vermieter im aktuellen Fall für ihre ausbeuterische Praxis auch zur Rechenschaft gezogen werden können, ist ungewiss. Denn der gesetzliche Rahmen lässt den Behörden bei Mietwucherei wenig Spielraum. Die Behörden müssten nachweisen, dass die Vermieter die missliche Lage der Arbeiter wissentlich ausgenutzt haben. Und die möglichen Strafen wären eh äußerst gering. Das maximale Bußgeld bei Mietwucherei beläuft sich gerade einmal auf 50.0000 Euro. Die Frage wäre, ob den Vermietern zusätzlich auch Betrug, Steuervergehen und, Nötigung im Rahmen von Mietbarzahlung und -eintreibung nachwiesen werden kann.[2]

Jetzt gehe es der Sozialbehörde zunächst einmal nur darum, den ordnungsgemäßen Zustand des Gebäudes, also eine Normalbelegung, wiederherzustellen. Um das zu erreichen, werde der Vermieter demnächst Post vom Bezirksamt bekommen. Von den inzwischen sechs durchgeführten Aktionstagen der Sozialbehörde ist lediglich in einem Fall bekannt, dass die Stadt tatsächlich gegen eine Abzock-Vermieterin auch juristisch vorgegangen ist![3]

Einzelnachweise:

[1] Hamburger Morgenpost: „Mietwucher-Razzia in Hamburg: 600 Euro für ein schäbiges Loch“, in: mopo.de vom 25. Oktober 2019, Abruf am 28. Oktober 2019

[2] Anwalt innovativ: „Bayerische Bundesratsinitiative: Höhere Bußgelder für Mietwucherer“, in: anwalt-innovativ.de vom 26. Oktober 2019, Abruf am 28. Oktober 2019

[3] Hinz&Kunzt: „Behörden kontrollieren Wanderarbeiter-Unterkünfte“, in: hinzundkunzt.de vom 25. Oktober 2019, Abruf am 28. Oktober 2019

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Wilfried Müller

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