Heftiger Streit um Abtreibungsrecht in der Schweiz: «Marsch fürs Läbe» in Zürich

In der Schweiz tobt ein heftiger Streit rund um das Abtreibungsrecht für Frauen. Unter dem Motto: «Marsch fürs Läbe» riefen am Wochenende selbsternannte «rechtskonservative Christen» auf, Abreibungen zu verbieten.

So wollen sich am Samstag die Abtreibungsgegner mit einem «Marsch fürs Läbe» im Rahmen einer großen Demonstration in Zürich als Lebensretter ungeborenen Lebens inszenieren.

Die Neue Zürcher Zeitung schreibt[i], wonach bereits seit Wochen Linksextreme und sonstige Kritiker im Internet sich zu Störaktionen des «Marsch fürs Läbe» zusammengetan hätten. Immerhin würden, so die NZZ, die Veranstalter von einigen Hundert «rechtskonservativen Christen» sprechen, welche sich am Wochenende rund um den Zürichsee versammeln wollten.

Die Abtreibungsgegner sind Anhänger eines alten Familienbildes, wozu auch gehört, dass ungewünschte oder ungewollte Kinder auf die Welt kommen müssten, egal, wer, wie, wo und unter welchen Umständen sie dann aufwachsen würden.

Bereits seit Wochen habe es rund um den Paradeplatz in Zürich auch im Stadtrat ein juristisches Tauziehen um die Genehmigung der Abtreibungsgegner-Demo gegeben.

Zürcher Stadtrat wollte die Antiabtreibungs-Demo verbieten

Zunächst hätte die Stadtzürcher Exekutive den heutigen Umzug verbieten wollen, mit dem etwas abgegriffenen Totschlagargument, die Sicherheit der Stadt sei angeblich gefährdet.

Gegner einer solchen Behauptung sagten, die Meinungsfreiheit stehe allen zu – auch Abtreibungsgegnern. Deshalb müsse der für heute geplante Demonstrationsumzug der Schweizerischen Moral-Sturmhauben erlaubt werden.

Schon in der Vergangenheit hatte es in der Schweiz einen «Marsch fürs Läbe» gegeben. Auch damals schon hatte dies zu Zusammenstößen mit Kritikern geführt, die in leichten Sachschäden resultierten.

Dass die Abreibungs-Christen heute in Zürich demonstrieren dürfen, ist dem Zürcher Verwaltungsgericht zu verdanken. Es kassierte ein Demonstrationsverbot, welches der Stadtrat ausgesprochen hatte, ein. Allerdings gab es erst in zweiter Instanz schließlich grünes Licht.

Fast zeitgleich hatten dann die Jungsozialisten eine Erlaubnis für eine Gegendemonstration am selben Tag erhalten.

Stimmvolk für Abtreibungen in der Schweiz

Trotz der Turbulenzen rund um die aktuelle Abtreibung-Demo in Zürich gilt das Anliegen in der Schweiz, dem einzigen Land in Europa mit einer umfangreichen Direktdemokratie, als chancenlos.

Bereits vor 17 Jahren hatte das Schweizer Stimmvolk mit 72% sich klar für das Recht auf Abtreibung im Rahmen einer Fristenregelung geäußert.

Seitdem ist es Frauen erlaubt, zumindest in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft, einen gewaltsamen Abbruch durch einen Arzt herbeizuführen.

Die angesehen Neue Zürcher Zeitung bilanziert denn auch: «Keine Frage: Das vom ‘Marsch fürs Läbe’ propagierte Frauenbild lässt einen erschaudern. Es ist weder zeitgemäss noch liberal, das Selbstbestimmungsrecht der Frau auf ihren Körper infrage zu stellen. Den Linksextremen geht es aber offenbar um etwas anderes als Frauenrechte: Sie sehen hier schlicht eine weitere Chance zum Krawall-Machen. An der offiziellen Gegendemonstration der Juso wollen sie nicht teilnehmen.»

“Privatsache”

Interessant ist, dass der zunehmende Wohlstand und die soziale Sicherheit in der Schweiz scheinbar positive Auswirkungen auf die Abtreibungsquote haben. Denn die Abtreibungen sind auch nach der Legalisierung nicht angestiegen, sondern gesunken. So schreibt ein Schweizer Portal unter dem vielsagenden Namen «privatsache.ch»:

«Während es 1970 noch 14.000 – 16.000 legale Abbrüche waren, so sind es heute noch 10.000 – 11.000 – also rund 30 Prozent Rückgang. Unvorstellbar war die Situation in den frühen 1950er und 1960er Jahren. Da wurden die illegalen Abtreibungen auf rund 20.000 – 50.000 geschätzt, aber seit den 80er Jahren gibt es tatsächlich praktisch auch keine Verurteilungen mehr.»[ii]

Einzelnachweise

[i] Kommentar: Um das Schicksal der Frauen geht es nicht, von Linda Koponen, in: Neue Zürcher Zeitung online vom 14.9.2019.

[ii] Für eine Abtreibung in der Schweiz gilt die Fristenregelung, auf: privatsache.ch mit durch uns nicht lokalisierbarem Erscheinungsdatum. Abgerufen am 14.9.2019.

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sgf

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