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Schadenersatz und Ausgleichszahlungen müssen verrechnet werden

Bei einer Flugreise klappt nicht immer alles wie geplant. Flugausfälle oder Verspätungen können den Reiseverlauf schon einmal kräftig durcheinanderwirbeln. Glücklicherweise gibt es in Europa zumindest die Fluggastrechte-Verordnung, auf die sich Reisende  berufen können und in der Regel auch entschädigt werden – wenngleich man bei der Einforderung der Entschädigungszahlungen gegenüber der Airline mitunter etwas hartnäckig sein muss.[1]

Doch es gibt immer wieder Fälle, in denen die Auslegung der Fluggastrechte-Verordnung nicht ganz eindeutig ist. Dann müssen die Gerichte für eine Klärung sorgen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem nun mit einem Grundsatzurteil ein weiteres Kapitel hinzugefügt: Flugpassagiere, die wegen erheblicher Verspätung eine Ausgleichszahlung der Airline erhalten, müssen sich diese auf weitere Schadensersatzforderungen anrechnen lassen. Damit wiesen die Karlsruher Richter die Klagen mehrerer Reisenden ab, die zusätzlich zur Ausgleichszahlung der Airline bzw. des Reiseveranstalters  Erstattungen für Hotelkosten und Mietwagen gefordert hatten.[2]

Aus Verbrauchersicht ist das Urteil wenig erfreulich. Denn eigentlich, so möchte man annehmen, sei die Entschädigung nach der Fluggastrechte-Verordnung zunächst einmal ein Ausgleich für den entstandenen Flugärger. Denn Reiseverspätungen, Flugausfälle und Umbuchungen verursachen bei Betroffenen nicht unerheblichen Reisestress. Doch die obersten deutschen Richter beurteilen die Rechtslage anders.

Flugärger und Zusatzkosten

Im ersten Fall hatten mehrere Personen in einem Reisebüro eine Urlaubsreise in die USA gebucht. Die Flüge sollten von Frankfurt nach Las Vegas und zurück führen, zudem hatten die Urlauber einen Mietwagen und verschiedene Hotelaufenthalte gebucht. Der Flug fand jedoch nicht statt. Die Kläger konnten daher erst am Folgetag über  Vancouver nach Las Vegas  anreisen und kamen dort mehr als 30 Stunden später als geplant an. Neben der Ausgleichszahlung von 600 Euro pro Person forderten die Kläger daraufhin Ersatz für die Kosten des  Mietwagens, für die Hotelkosten, die Erstattung einer Übernachtung in einem anderen Hotel sowie die Anwaltskosten.

Im zweiten Fall ging es um eine Flugreise dreier Personen von Frankfurt nach Namibia. Der Abflug verzögerte sich, die Fluggäste erreichten ihr Reiseziel Windhoek  erst einen Tag später als geplant. Über die Ausgleichszahlung von 600 Euro pro Person hinaus forderten die Kläger die Kosten für eine Hotelübernachtung in Windhoek sowie Ersatz für eine Übernachtung, die sie ursprünglich für ihre Afrika-Rundreise gebucht hatten und die den Reisenden entsprechend berechnet worden war.

BGH: Rechtslage der EU-Verordnung eindeutig

In beiden Fällen lagen die Ausgleichszahlungen über den Schadensersatzforderungen. Der für das Reiserecht zuständige X. Zivilsenat des BGH lehnte die zusätzlichen Forderungen der Reisenden nun in beiden Fällen ab. Pauschale Ausgleichszahlungen nach der EU-Verordnung über die Fluggastrechte und der Schadensersatz nach nationalem  Recht müssten miteinander verrechnet werden, urteilten die Karlsruher Richter.

Der BGH befand, dass die Schadensersatzforderungen wegen zusätzlicher Hotelübernachtungen und Mietwagenkosten auf deutscher Gesetzgebung beruhten. In der europäischen Fluggastrechte-Verordnung heißt es jedoch, dass die gewährte Ausgleichsleistung auf einen Schadensersatzanspruch angerechnet werden könne. Hier sei die Rechtslage eindeutig. Daher sah der BGH von einer Vorlage der Fälle an den Europäischen Gerichtshof ab (Az: X ZR 128/18 und X ZR 165/18).[3]

Um das bestmögliche Ergebnis für den Verbraucher zu erhalten, empfehlen Verbraucherschützer im ersten Schritt, die Schäden bei der Airline bzw. beim Reiseveranstalter anzuzeigen, um eine spätere Durchsetzung weiterer Ansprüche zu ermöglichen. Dementsprechend sollten Reisende zuerst ihre Ansprüche nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung geltend machen und erst in einem zweiten Schritt prüfen, ob der persönliche Schaden durch zusätzliche Hotel- und Mietwagenkosten höher ist als die bereits erhaltene Entschädigung.[4]

Einzelnachweise:

[1] Europäisches Parlament:  „Verordnung (EG) Nr. 261/2004“,  in: eur-lex.europa.eu vom 11. Februar 2004, Abruf am 6. August 2019

[2] Berliner Morgenpost: „Entschädigung wegen Flugverspätung gilt auch für die Hotelkosten“, in: morgenpost.de vom 6. August 2019, Abruf am 6. August 2019

[3] Bundesgerichtshof: „Pressemitteilung 105/2019“, in: bundesgerichtshof.de vom 6. August 2019, Abruf am 6. August 2019

[4] Tagesspiegel: „Keine doppelte Entschädigung bei Pannen“, in: tagesspiegel.de vom 6. August 2019, Abruf am 6. August 2019

 

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Werner Schmid

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