Categories: Mietrecht

Mieterhöhung um einen Cent – freiwillig!

Wohnen in Deutschland ist teuer geworden – in Ballungsräumen für einfache Bürger fast unbezahlbar (wir berichteten). Es sind allerdings eher weniger die kleinen privaten Wohnungsinhaber, die die Mietpreise in den deutschen Großstädten in die Höhe treiben. Meist sind es die großen Wohnungsbaugesellschaften, die mit allen nur erdenklichen Trick versuchen, aus ihren Mietern herauszupressen, was noch irgendwie geht. Luxussanierung, Mietwahnsinn, Vermieter-Terror – in den Boulevardzeitungen überschlagen sich die Schlagzeilen zuweilen gerne über  diese Dinge, die der Mieterverein oder ein guter Anwalt dann vielleicht doch noch in der Luft zu zerpflücken vermag.[1]

Doch auch Mieter wissen sich mitunter recht trickreich zu wehren. Die Stadt Hamburg beispielsweise ist bekannt dafür, dass sie mit ihrem links-autonomen Kulturzentrum  „Rote Flora”[2] über einen politischen Störfaktor verfügt, deren Protagonisten mit manch cleveren Ideen auch in eher bürgerlichen Kreisen mancherlei Sympathien findet. Die Punks, die langhaarigen Althippies, die Kohlrabi-Apostel[3] und total verkifften Arbeitsverdrossenen à la „No chance, no future” aus den maroden Altbauten des berüchtigten Hamburger Schanzenviertels, die in ihren besetzten Abrisshäusern leben und dabei stets gesellschaftlichen Widerstand leisten oder zumindest äußerst wenig Miete zahlen für einen Wohnraum, deren besonderer Reiz vielleicht noch in  einem gewissen morbiden Charme (mit fließend Wasser von den Wänden anstatt aus dem Hahn) glänzt, haben schon oft gezeigt, dass es auch noch  „einen zweiten Weg ums Gehirn rum” geben kann.[4]

Schutz vor saftigen Mieterhöhungen

Ein bisschen was davon scheint wohl auch auf bürgerliche Kreise abgefärbt zu haben. Was – oberflächlich betrachtet – wie eine Posse mit typisch Hamburger Lokalkolorit anmutet, ist einigen Mietern der städtischen Wohnungsbaugesellschaft „SAGA” bitterer Ernst: Sie haben angeboten, monatlich einen Cent mehr Miete zu bezahlen, um andere Hamburger vor saftigen Mieterhöhungen zu schützen. Durch die kleinstmögliche Preiserhöhung sollten Mieter in ganz Hamburg entlastet werden. Denn das wirke sich dämpfend auf den Mietenspiegel aus.[5]

Dem voraus gegangen war ein langer und intensiv geführter Streit im Hamburger Senat um Mieterhöhungen bei der städtischen Wohnungsbau-Gesellschaft SAGA. CDU und Linke hatten ein Mietenmoratorium, also einen Mieterhöhungs-Stopp, für SAGA-Wohnungen gefordert. Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) lehnte das jedoch ab. Die Begründung: Würden die Mieten eingefroren, fielen die aktuell noch ungebundenen 90.000 SAGA-Wohnungen aus rechtlichen Gründen aus der Mietenspiegel-Erhebung (SAGA-Anteil: 20 Prozent) heraus – und der Mietenspiegel würde steigen.

„Fischbrötchen gegen Miethaie“

Bei einer Erhöhung um einen Cent pro Quadratmeter wäre das nicht so, argumentierten betroffene Bürger. Denn dann gäbe es keine politische Regulierung. Vielmehr wäre es die freie Entscheidung der SAGA, die Mieten nur minimalst zu erhöhen und so ihrem sozialen Auftrag nachzukommen, Mietern günstigen Wohnraum anzubieten.

Die durchschnittliche SAGA-Miete lag damals, im Jahr 2018, mit 6,44 Euro pro Quadratmeter rund zwei Euro unter dem Mietenspiegel und damit bei einem Mietpreis, von dem Münchner nicht einmal im Entferntesten zu träumen wagen. Nach großen Protestaktionen, wie die „Mietenmove“ unter dem Motto „Fischbrötchen gegen Miethaie”, die sich unter anderem auch gegen die Entmietungspraktiken des Bochumer Wohnungsbau-Unternehmens Vonovia richtete, und bei der vom örtlichen Mieterverein bis zur Roten Flora, von „Viva La Bernie“ bis hin zur „Mieterinitiative Steilshoop“ so ziemlich alles auf die Straße ging, scheint sich die Lage auf dem Hamburger Wohnungsmarkt ein klein wenig zu entspannt zu haben. Denn die Stadt hat viel gebaut.

Laut der bundesweiten Studie „F+B Wohn-Index“ sanken die Neuvertragsmieten in Hamburg im ersten Quartal 2019 im Vergleich zum vierten Quartal 2018 um 0,9 Prozent. Im Jahresvergleich sind sie jedoch um 1,6 Prozent auf 10,52 Euro den Quadratmeter gestiegen.[6] Für die Fraktion der Linken ist das noch immer viel zu viel – bzw. zu wenig an sozial gefördertem Wohnungsbau. Aber das Beispiel Hamburg zeigt zumindest, dass es sich für Mieter lohnen kann, Widerstand zu leisten.

Einzelnachweise:

[1] tz München: „Miet-Wahnsinn in München: Die miesesten Tricks – und wie sich Mieter wehren können“, in: tz.de vom 15. August 2019, Abruf am 20. August 2019

[2] Wikipedia: „Artikel Rote Flora, in: de.wikipedia.org, Abruf am 20. August 2019

[3] Wikipedia: „Artikel Karl Wilhelm Diefenbach“, in: de.wikipedia.org –  vgl. Herrmann Hesse: Dr,.Knölges Ende (1910)“, in: youtube.com, vom 24.November 2011,  Abruf am 20. August 2019

[4] Peter Rühmkorff, „Es muss doch noch einen zweiten Weg ums Gehirn rum geben“,  in: „Gedichte“, April 1984, Bund Verlag ISBN 10:3766307657 und ISBN 13: 9783766307651, Abruf am 20. August 2019

[5] Morgenpost: „SAGA-Mieter bieten an, einen Cent mehr zu zahlen“, in: mopo.de vom 1. Juni 2018, Abruf am 20. August 2019

[6] F+B Forschung und Beratung, Hamburg: „F + B Wohnindex Deutschland 2019“, in: f-und-b.de vom 8. Mai 2019, Abruf am 20. August 2019

Share
sgf

Recent Posts

Empfängnis­verhütende Mittel können beihilfefähig für andere Krankheiten sein

BVerwG: Verhütungsmittel zur Krankheitsbehandlung können beihilfefähig sein Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) befasste sich mit der Frage,…

27, August 2020

Restzahlungen bei Pauschalreisen

Pauschalreisen in Coronazeiten: Muss ich den Restpreis bezahlen? Sind Sie wegen der Coronalage noch unsicher,…

25, August 2020

Kompromiss-Urteil zu Schönheitsreparaturen

BGH: Vermieter trifft auch bei unrenoviert übergebener Wohnung eine Instandhaltungspflicht Der BGH hatte über zwei…

20, August 2020

So erkennen Sie Betrugsversuche

C.B. Group Inkasso verschickt gefälschte Mahnungen: So erkennen Sie Betrugsversuche Fast wöchentlich gibt es neue…

18, August 2020

Das krankenversicherte Kind

Bei Möglichkeit der Mitversicherung haben Kinder keinen Anspruch auf privaten Krankenversicherungsschutz Das OLG Frankfurt am…

13, August 2020

Dieselskandal

Nacherfüllungsanspruch kann sich auf Lieferung eines Nachfolgemodells erstrecken Das OLG Köln hat entschieden, dass der…

11, August 2020