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Legal Tech – Neue Perspektiven im Rechtswesen

Ob in Deutschland, England oder den USA: Immer häufiger treffen wir auf eine neue Art der automatisierten Rechtsfindung – genannt: Legal Tech. Unter Legal Technology versteht man Software-Abwicklungen und Online-Dienste, die juristische Arbeitsprozesse unterstützen oder sie gänzlich automatisiert durchführen. Solche IT-Produkte werden bisher vor allem von Start-ups entwickelt, die das Ziel verfolgen, effizientere Alternativen zu einzelnen Arbeitsschritten oder ganzen Rechtsdienstleistungen zu schaffen[1].

Automatisierende Legal-Tech-Anwendungen wurden seit 2009 entwickelt. Nach Schätzungen wurden alleine im Jahr 2014 in den USA Investitionen in Legal Tech in Höhe von rund 225 Millionen Euro getätigt. Auch in Europa nehmen die Investitionen von Jahr zu Jahr zu.

Mehr Effizienz bei Rechtsdienstleistungen

Begrifflich steht Legal Technology dem Feld der Rechtsinformatik nahe.  Legal-Tech-Anwendungen werden jedoch weniger aus einer wissenschaftlichen Diskussion heraus entwickelt, sondern orientieren sich eher an den praktischen Bedürfnissen nach bestimmten Rechtsdienstleistungen. Langfristig könnte Legal Technology auch dazu beitragen, das Gerichtswesen effizienter und Entscheidungen objektiver zu gestalten.

Rechtsdienstleister erhoffen sich von Legal Tech insbesondere einen sinkenden Personalbedarf für ihr derzeitiges Leistungsspektrum. Mandanten erwarten ihrerseits, dass sich der mit Legal-Tech realisierbare Effizienzzuwachs künftig in den Rechtsberatungsgebühren widerspiegelt. Denn das wichtigste Ziel von Legal Tech ist die Effizienzsteigerung bei gleichzeitiger Kostenersparnis.

Anwaltsberatung oft teurer als Streitwert

Wer keine Rechtsschutzversicherung hat, für den ist es immer ein schwer zu kalkulierendes Wagnis, einen Rechtsanwalt aufzusuchen. Denn der hat keinen Anlass, Kosten gering zu halten. Er verdient sein Geld immer. Selbst das einfache Erstberatungsgespräch beim Anwalt darf bis zu 190 Euro plus Mehrwertsteuer, d. h. insgesamt 226,10 Euro. Und das schriftliche Ausarbeiten eines einfachen Gutachtens kann bereits mit bis zu 250 Euro (zzgl. MwSt) zu Buche schlagen. Ist der eigentliche Streitwert relativ gering, dann laufen Anwaltskosten schnell über das lohnende Maß der Dinge hinaus.[2]

Legal Tech kann Zeitaufwand und Kosten minimieren – wie zum Beispiel bei der Dokumentenverwaltung, Kanzleiverwaltung, Abrechnung, Datenanalyse, Archivrecherche oder auch bei der Vernetzung von Anwaltskanzleien und Plattformen. Die Anwendungsgebiete sind vielfältig und haben die Rechtsbranche verändert. Denn die Software übernimmt standardisierbare Leistungen wie das Verfassen eines Testaments einer Patientenverfügung oder einer standardisierten Schadensersatz-Forderung. Das oberste Ziel von Legal Tech ist mittelfristig, Verbrauchern und Unternehmen Instrumente an die Hand zu geben, um rechtliche Angelegenheiten zu einem Großteil selbst zu erledigen und den Anwalt nur noch hilfsweise hinzuziehen.

In den vergangenen Jahren sind auch auf dem deutschen Markt viele Online-Marktplätze entstanden, die sich zwischen Verbraucher und Unternehmen schalten und standardisierte Rechtsdienstleistungen anbieten. Das verbraucherfreundliche daran ist, dass man sein Anliegen bequem vom PC aus  oder oft sogar schon per Handy-App vorbringen kann. Dies ist in den meisten Fällen kostenlos. Die Plattform verlangt dann in der Regel nur im Erfolgsfall einen Teil des erstrittenen bzw. ersparten Geldes.

Die Entwickler von Portalen wie flightright.de bei Flugverspätungen, bahn-buddy.de bei Zugverspätungen oder geblitzt.de bei Bußgeldforderungen beispielsweise haben die Digitalisierung so genutzt, um die Rechtsberatung nahezu vollständig zu automatisieren. Von der Datenaufnahme bis hin zum Antrag auf Schadensersatz wird alles digital von der Software erfasst. Anwälte treten erst dann in Erscheinung, wenn der Fall wirklich vor Gericht geht.

Der Vorteil: Die einfache Rechtsberatung kann wesentlich effektiver und transparenter bereitgestellt werden und der Anwalt kann sich intensiver mit individuellen Rechtsfragen auseinandersetzen. Denn auch er profitiert vom Einsatz von Legal Tech in seiner Kanzlei.

Einen ersten allgemeinen Überblick über Legal Tech vermittelt anwalt-innovativ hier in einem Video.

Einzelnachweise:

[1] Wikipedia: „Artikel: Legal Technology“, in: de.wikipedia.org, Abruf am 11. Juli 2019

und

Legal-Tech.de: “Wie Anwälte neue Chancen nutzen”, in: legal-tech.de, Abruf am 11. Juli 2019

[2] Bundesamt für Justiz: „Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG, §34“, in: gesetze-im-internet.de, Abruf am 11. Juli 2019

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sgf

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