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Entschädigung auch bei verspäteten Umsteigeverbindungen

Wenn ein Flug erst mit großer Verspätung am Reiseziel ankommt, dann ist das für Betroffene meist ärgerlich, zumal das Reisen eh‘ schon mit Stress und Strapazen verbunden ist. Sich Teile des Reisepreis zurück zu holen, ist nach der europäischen Fluggastrechte-Verordnung[1] durchaus legitim. Diese Rechte und damit auch das entsprechende Geld bei der Airline einzufordern, sorgt jedoch immer wieder für Probleme, mit denen sich letztlich die Gerichte auseinandersetzen müssen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat nun zwei bedeutende Grundsatzurteile zu der Problematik gesprochen.

Im aktuellen Fall hatten elf Fluggäste bei dem tschechischen Luftfahrtunternehmen České aerolinie eine einheitliche Buchung für einen Flug von Prag (Tschechische Republik) über Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate) nach Bangkok (Thailand) vorgenommen. Der erste Teilflug von Prag nach Au Dhabi war entsprechend des Flugplanes pünktlich gewesen, doch bei dem zweiten Teilflug kam es zur Verspätung. Dieser zweite Teilflug wurde im Rahmen einer Codesharing-Vereinbarung von Etihad Airways durchgeführt und kam erst mit 488 Minuten Verspätung in Bangkok an.  Die Verspätung von mehr als drei Stunden könne nach der Verordnung über Fluggastrechte dazu führen, dass Fluggästen ein Anspruch auf einen Ausgleich zustehe, urteilte das Gericht.[2]

Stadtgericht Prag rief den EuGH an

Die Fluggäste hatten zunächst bei tschechischen Gerichten Klage gegen České aerolinie auf Leistung des in der Verordnung über Fluggastrechte vorgesehenen Ausgleichs erhoben. České aerolinie argumentierte jedoch dass sie für die Verspätung des Fluges von Abu Dhabi nach Bangkok nicht in Haftung genommen werden könne, da dieser Flug von einem anderen Luftfahrtunternehmen durchgeführt worden sei. Der mit dem Rechtsstreit in zweiter Instanz befasste Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag, Tschechische Republik) wollte nun vom Europäischen Gerichtshof geklärt wissen, ob České aerolinie zur Zahlung des Ausgleichs nach der Verordnung über Fluggastrechte verpflichtet ist.

In seinem Urteil weist der EuGH zunächst darauf hin, dass ein Flug mit ein- oder mehrmaligem Umsteigen, der Gegenstand einer einzigen Buchung war, für die Zwecke des in der Fluggastrechte-Verordnung vorgesehenen Ausgleichs eine Gesamtheit darstellt. Dabei beruft sich das Gericht auf ein Urteil des Gerichtshofs vom 31. Mai 2018. [3]Demnach falle also ein Flug mit Umsteigen, dessen erster Teilflug im Gebiet eines Mitgliedstaats – im aktuellen Fall also in Prag – startete, in den Anwendungsbereich der Verordnung, auch wenn sein zweiter Teilflug mit Abflug- und Zielort in einem Drittstaat außerhalb der Europäischen Union von einem Luftfahrtunternehmen von außerhalb der Gemeinschaft durchgeführt wurde.

Die ausführende Airline muss zahlen

Zu der Frage, ob České aerolinie, das Luftfahrtunternehmen, das den ersten Teilflug des Fluges mit Umsteigen durchgeführt hat, zur Zahlung des Ausgleichs verpflichtet werden könne, der aufgrund der großen Verspätung bei der Ankunft des zweiten, von Etihad Airways durchgeführten Teilflugs geschuldet ist, stellte der Gerichtshof fest, dass nach der Verordnung für Fluggastrechte die Verpflichtung zur Leistung des Ausgleichs an die Fluggäste ausschließlich auf dem ausführenden Luftfahrtunternehmen des betroffenen Fluges laste. Da České aerolinie im Rahmen eines mit den betroffenen Fluggästen geschlossenen Beförderungsvertrags tatsächlich den Flug durchgeführt habe, könne sie als ausführendes Luftfahrtunternehmen eingestuft werden.

Die Richter stellten allerdings klar, dass Airlines, die einen solchen verspäteten Flug mit Umsteigeverbindung mittels einer Codesharing-Verbindung das Recht vorbehalten bleibe, gegen das andere Unternehmen, das die Verspätung verursacht habe vorzugehen, um Ersatz für diese finanzielle Belastung zu erhalten. Die Grundsatzentscheidung der Luxemburger Richter  bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.

Bei Pauschalreisen haftet der Veranstalter

In einem anderen Fall ging es für die Passagiere, die auf Entschädigung nach dem Fluggastrecht geklagt hatten nicht so gut aus. Im März 2015 hatten drei Personen bei Hellas Travel, einem in den Niederlanden ansässigen Reiseveranstalter eine Reise nach Korfu(Griechenland) gebucht. Die Flüge waren folglich Teil einer „Pauschalreise“, deren Preis an Hellas Travel gezahlt wurde.[4]

Die Flugdurchführung sollte Aegean Airlines, einer in Griechenland ansässigen Gesellschaft, obliegen. Diese hatte hierzu mit G. S. Charter Aviation Services, einer in Zypern ansässigen Gesellschaft, eine Vereinbarung geschlossen: Aegean Airlines stellte G. S. Aviation Services gegen Zahlung eines Charterbetrags ein bestimmtes Sitzplatzkontingent zur Verfügung. G. S. Charter verkaufte diese Sitzplätze sodann weiter an Dritte, so auch an den Reiseveranstalter Hellas Travel.

Insolvenz des Reiseveranstalters

Wenige Tage vor dem Abflug teilte Hellas Travel den drei Reisenden jedoch mit, dass ihre Reise annulliert werde. Aegean Airlines hatte nämlich beschlossen, keine Flüge mehr nach und von Korfu durchzuführen, da sie das zuvor mit Hellas Travel vereinbarten Geld nicht bekam. Hellas Travel ging im August 2016 in die Insolvenz und konnte den drei Reisenden ihre Flugkosten folglich nicht erstatten.

Die drei Reisenden erhoben eine Klage vor dem Bezirksgericht Nordniederlande, die Aegean Airlines verurteilte, ihnen nach der Verordnung über die Fluggastrechte eine Ausgleichsleistung wegen Annullierung ihres Fluges zu zahlen. Das Gericht entschied dagegen nicht über ihren Antrag auf Erstattung der Flugscheinkosten. Hierzu hat das Gericht den Gerichtshof befragt. Es mochte stattdessen vom EuGH wissen, ob ein Fluggast, der nach der Richtlinie über Pauschalreisen gegen seinen Reiseveranstalter Anspruch auf Erstattung seines Flugscheins habe, die Erstattung dieses Flugscheins auf der Grundlage der Verordnung über die Fluggastrechte beim Luftfahrtunternehmen geltend machen könne.

Ansprüche nicht kumulierbar

In ihrem Urteil betonten die Luxemburger Richter nun, dass bereits das Bestehen eines Erstattungsanspruchs aus der Richtlinie über Pauschalreisen ausreicht, um auszuschließen, dass ein Fluggast, dessen Flug Bestandteil einer Pauschalreise ist, beim ausführenden Luftfahrtunternehmen die Erstattung seiner Flugscheinkosten nach der Verordnung über die Fluggastrechte verlangen könne. Die Ansprüche auf Erstattung der Flugscheinkosten nach der Verordnung über die Fluggastrechte und nach der Richtlinie über Pauschalreisen[5] seien nicht kumulierbar.

Eine solche Kumulierung wäre nach Ansicht des Gerichts dazu angetan, zu einem ungerechtfertigten Übermaß an Schutz der betroffenen Fluggäste zu Lasten des ausführenden Luftfahrtunternehmens zu führen. Denn dann liefe das Luftfahrtunternehmen Gefahr da dieses, einen Teil der Verantwortung übernehmen zu müssen, die dem Reiseveranstalter obliege. Dies gelte auch im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters. Dieser hätte über eine Versicherung sicherstellen müssen, den Kunden auch im Falle einer Insolvenz gegen Vorlage eines Reisekosten-Sicherungsschein die Kosten für die ausgefallene Reise erstatten zu können.

Einzelnachweise:

[1]Europäisches Parlament:  „Verordnung (EG) Nr. 261/2004“,  in: eur-lex.europa.eu vom 11. Februar 2004, Abruf am 11. Juli 2019

[2] Europäischer Gerichtshof: „Urteil, Rechtssache C-502/18“, in: curia.europa.eu vom 11. Juli 2019, Abruf am 11. Juli 2019

[3] Europäischer Gerichtshof: „Urteil, Rechtssache C-537/17“, in: curia.europa.eu vom 31. Mai 2018, Abruf am 11. Juli 2019

[4] Europäischer Gerichtshof: „Urteil, Rechtssache C-163/18“, in: curia.europa.eu vom 10. Juli 2019, Abruf am 11. Juli 2019

[5] Europäischer Rat: „Richtlinie 90/314/EWG des Europäischen Rates“, in: eur-lex.europa.eu  vom 13. Juni 1990, Abruf am 11. Juli 2019

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