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Das Arbeitsrecht kennt kein Hitzefrei!

Deutschland schwitzt! Wenn die Sahara-Hitze die Temperaturen dieser Tage auf bis zu 40 Grad hochtreibt, dann wäre das für den Monat Juni ein neuer Temperatur-Rekord. Schulkinder mögen sich vielleicht freuen, denn bei Hitzefrei lockt das Freibad. Für Erwachsene hingegen können die „Schweißheiligen” zur Gefahr werden. Im Rekordsommer 2003 starben an den Folgen der Hitzewelle etwa 3.500 Menschen, europaweit kostete die Hitze einer Studie nach bis zu 70.000 Menschen das Leben[1]. Heuer könnte es noch schlimmer kommen, denn die Hitzeperiode hält ungewöhnlich lang an. Und eine baldige Abkühlung ist vorerst nicht in Sicht.

In der Arbeitswelt erfreut die Hitzewelle bestenfalls noch den Eisverkäufer. Wer jedoch schwere körperliche Arbeiten zu verrichten hat, der leidet. Bauarbeiter etwa, die Straßen teeren müssen, oder Flughafenmitarbeiter, die auf dem aufgeheizten Rollfeld die Koffer aus den Fliegern entladen, werden bei extremer Sommerhitze“ quasi wie eine Sandwicheinlage doppelt gegrillt. Doch Hitzefrei kennt das Arbeitsrecht nicht.

Einen Anspruch, die Arbeit bei extrem hohen Temperaturen einzustellen, haben Beschäftigte nur in den seltensten Fällen – etwa wenn Mitarbeiter mit Herz-Kreislauf Erkrankungen vorbelastet sind. Auch schwangere Frauen dürfen ihren Arbeitgeber bitten, ihnen an den „Hundstagen“ vorzeitig freizugeben. Ansonsten bestimmt der Arbeitgeber alleine, wer, wann, wo und wie lange im Einsatz ist. Wer der Arbeit aufgrund der Hitze einfach fernbleibt oder die Arbeitsstelle vorzeitig verlässt, riskiert eine Abmahnung.

Arbeitgeber hat Fürsorgepflicht

Allerdings hat der Arbeitgeber für seine Mitarbeiter eine allgemeine Fürsorgepflicht, die der Arbeitnehmer in extremen Situationen gegenüber seinem Chef geltend machen kann. Demnach muss der Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass seine Arbeitnehmer am Arbeitsplatz gegen Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt sind.[2] Die Anforderungen an die Raumtemperatur im Büro konkretisieren die „Technischen Regeln für Arbeitsstätten, A3.5″ (Betriebsstättenverordnung). Demnach soll die Lufttemperatur in Arbeitsräumen in der Regel 26 °C nicht überschreiten.[3]

In Ausnahmefällen, zu denen auch Sommertage zählen, darf die Lufttemperatur bei darüber liegender Außentemperatur auch höher sein. Dann aber muss der Arbeitgeber besondere Schutzmaßnahmen ergreifen. Die Firmenleitung muss dann an Fenstern, Oberlichtern oder Glaswänden einen Schutz (wie etwa Jalousien) vor der direkten Sonneneinstrahlung anbringen und gegebenenfalls Ventilatoren aufstellen. Selbst in Berufen mit sehr strengen Kleidungsvorschriften sollte der Arbeitgeber erwägen, seine Kleiderordnung wie etwa den Krawattenzwang zu lockern.

35 Grad Celsius gelten als unzumutbar

Falls dies alles nicht wirkt und es trotzdem unerträglich heiß bleibt, können Beschäftigte ihren Chef darauf hinweisen oder auch den Betriebsrat einschalten. Ab einer Raumtemperatur von 35 °C laut der Betriebsstättenverordnung gilt ein Raum nicht mehr als Arbeitsraum geeignet. Dies hat in der Regel zur Folge, dass Arbeitnehmern bei diesen Temperaturen längerfristige Tätigkeiten dort nicht mehr zumutbar sind.

Kein Anspruch auf „Siesta“

Bei einer länger anhaltenden Hitzeperiode mag ja manch ein Arbeitnehmer  von der spanischen Siesta träumen. Es wäre gewiss verlockend, in der Mittagspause kurz einmal an den Badesee hinauszufahren oder sich für ein kleines „Nickerchen” in die Hängematte zu legen. Angesichts der besonders in der Mittagshitze nachlassenden Konzentration wäre das gesundheitlich gewiss förderlich. Rein rechtlich gesehen haben jedoch Arbeitnehmer bei einer Arbeitszeit von sechs bis neun Stunden lediglich einen Anspruch auf mindestens 30 Minuten Pause. [4]

Der Arbeitgeber ist allerdings verpflichtet, seinen Mitarbeitern bei extrem hohen Temperaturen mehrere kleinere Pausen zu gewähren. Diese sollen Mitarbeitern vor allem das Trinken ermöglichen. Derartige „cooling breaks” sind ja vor allem auch bei Fußballspielen bestens bekannt geworden. Der Weltfußballverband FIFA hat diese Spielunterbrechungen 2014 im Rahmen der Weltmeisterschaft in Brasilien eingeführt, nachdem ein brasilianisches Arbeitsgericht sie dazu für den Fall einer Außentemperatur von über ca. 32 °C verpflichtet hatte.[5]

Kostenloses Trinkwasser nicht verpflichtend

Es ist aber ein Irrglaube, dass Unternehmer ihren Mitarbeitern an extremen Hitzetagen kostenlos Mineralwasser zur Verfügung stellen müssen. Viele Arbeitgeber machen das zwar freiwillig, aber sie sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet. Sie müssen lediglich sicherstellen, dass sich Arbeitnehmer an ihrer Arbeitsstelle Trinkwasser beschaffen können

Sofern es die Natur der Dienstleistung zeitlich oder technisch zulässt, kann der Arbeitgeber die Arbeitszeit verkürzen oder auch manche Tätigkeiten auf die frühen Morgenstunden verlegen. Auch dazu ist er nicht verpflichtet. Ein kluger Arbeitgeber aber wird nach gesundem Menschenverstand entscheiden und seine Beschäftigten nicht einfach nur leiden lassen. Denn dann sind die Mitarbeiter nur noch genervt, ihre Motivation sinkt, die Konzentration lässt nach, es passieren Fehler. Und die Arbeitsleistung tendiert gegen Null.

Für Hitzefrei an Schulen gelten übrigens je nach Bundesland unterschiedliche Regelungen. Und je nach Schule entscheidet meist der Rektor über deren konkrete Umsetzung. So schön Hitzefrei auch für Schulkinder auch sein mag – für berufstätige Eltern führen die spontanen sommerlichen Freistunden ihrer Zöglinge oftmals zu Stress. Denn vor allem junge Grundschüler müssen dann betreut werden. Wenn der Schulausfall derart kurzfristig erfolgt, dass Eltern keine andere Möglichkeit haben, eine Betreuung zu organisieren, können sie sich nach Paragraph 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches BGB von der Arbeit freistellen lassen. Allerdings können Arbeitgeber dies im Arbeitsvertrag auschließen. Dann muss der Arbeitnehmer – sofern möglich – Urlaub oder Freizeitausgleich nehmen.[6]

Einzelnachweise:

[1] Wikipedia: „Hitzewelle in Europa 2003“, in: wikipedia.de, Abruf am 25. Juni 2019

[2] Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): „§ 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen“, in: gesetze-im-internet.de, Abruf am 25. Juni 2019

[3] Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua): „Technische Regeln für Arbeitsstätten“, in: baua.de, Abruf am 25. Juni 2019

[4] Bayerischer Rundfunk BR: „Ist Bayern reif für die Siesta?“, in: br.de vom 25. Juni 2019, Abruf am 25. Juni 2019

[5] Wikipedia: „Abkühlpause“, in: wikipedia.de, Abruf am 25. Juni 2019

[6] Focus online: „Wer betreut die Kinder bei Hitzefrei?“, in: focus.de vom 25. Juni 2019, Abruf am 25. Juni 2019 (vgl. ähnliche Meldungen diverser Regionalzeitungen  wie Münchner Merkur, Kölnische Rundschau u. a. und die entsprechende Berichterstattung der Deutschen Presseagentur dpa)

 

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sgf

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