Reiserecht

Gastkommentar von Dr. Annabel Oelmann, Verbraucherzentrale Bremen zu Reisegutscheinen

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher fragen seit Wochen die Verbraucherzentralen um Rat, wenn es um die Frage geht, wie sie sich im Falle einer Reisebuchung verhalten sollen – Umbuchung, Stornierung, Gutschein, Rückerstattung? Die Rechtslage sei klar ist sich die Verbraucherzentrale sicher: Wenn der Reiseveranstalter den Urlaub absage, müsse er die Kosten erstatten. Das Gleiche gelte für Airlines und ihre Flugtickets. In diesem Gastkommentar nimmt die Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Bremen exklusiv auf anwalt-innovativ.de Stellung, wie sie die Sache sieht, die derzeit bei Millionen Urlaubern für Ärger und Ratlosigkeit sorgt:

Um die Folgen der Corona-Krise für Unternehmen abzufedern, gibt es Pläne, die geltendes Verbraucherrecht außer Kraft setzen können. Sollte es so kommen, müssten die Unternehmen ihren Kunden Kosten für ausgefallene Flüge und Reisen vorerst nicht erstatten. Verbraucher sollen stattdessen Gutscheine akzeptieren, deren Wert sie sich erst nach Ende 2021 auszahlen lassen können.

Das wird auch auf europäischer Ebene besprochen, da hier Europarecht berührt wird. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher werden nun hingehalten und Veranstalter und Fluggesellschaften spielen auf Zeit und nutzen die Unsicherheit zu einer möglichen Gesetzesänderung offenbar aus. Manche verweigern die Rückzahlung mit Verweis auf die Gutschein-Lösung, so als wäre diese schon Gesetz. Das ist aber nicht der Fall. Die fragliche Praxis betrifft sowohl Reiseveranstalter als auch Fluggesellschaften.

Dabei ist der Rückzahlungsanspruch klar festgelegt. Das Geld muss bei Pauschalreisen binnen 14 Tagen nach Absage der Reise zurückgezahlt werden. Bei individuell gebuchten Flugreisen mit EU-Bezug beträgt die Frist sieben Tage ab Zahlungsaufforderung.

Dr. Annabelle Oelmann ist die Chefin der Verbraucherzentrale Bremen.

Betroffene Verbraucher haben derzeit die Wahl, ob sie – wie es Ihnen zusteht – eine Rückzahlung wünschen oder einen ihnen angebotenen Gutschein akzeptieren, um besonders hart von der Krise getroffene Anbieter zu unterstützen. Doch nicht jeder Urlauber kann oder will sich das leisten. Wenn die Rückzahlung auf sich warten lässt, sollten sich Verbraucherinnen und Verbraucher schriftlich an den Anbieter wenden und das Geld unter Fristsetzung zurückfordern.

Schreiben Sie Ihren Abgeordneten!

Zwangsgutscheine gefährden das Vertrauen in den Rechtsstaat und die Vertragstreue. Außerdem verschieben sie das Liquiditätsproblem der Unternehmen nur – wenn überhaupt – auf einen späteren Zeitpunkt. Zudem dürften Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zwangsweise als eine Refinanzierungsquelle für Unternehmer missbraucht werden. Deshalb halten wir Zwangsgutscheine für unfair. Sie auch? Dann können Sie sich Gehör verschaffen und ihrem Abgeordneten schreiben.

Eine Möglichkeit die Kontaktdaten Ihres Abgeordneten zu finden und einen Musterbrief  finden Sie unter anderem auf der Homepage der Verbraucherzentrale Bremen. Verschicken Sie das Schreiben mit der Post, per E-Mail oder als Fax – je nachdem, was Sie am liebsten mögen und welche Kontaktmöglichkeiten die jeweiligen Abgeordneten zur Verfügung stellen. Natürlich können Sie auch Kontaktformulare auf den Internetseiten der Politiker nutzen oder über deren Social-Media-Auftritte Kontakt aufnehmen.

Reisesicherungsfonds ist wirksamere und verbraucherfreundliche Lösung

Statt eines staatlich vorgeschriebenen “Reisegutscheins” wegen der Coronakrise schlagen wir vor, einen Reisesicherungsfonds einzurichten. Dabei handelt es sich um einen vorläufig aus Steuermitteln finanzierten oder mit Staatsgarantien versehenen Fonds. Sämtliche Rückzahlungen, die von Reiseanbietern und Fluggesellschaften an ihre Kunden geleistet werden müssen, würden aus diesem Fonds bezahlt. So blieben die Unternehmen in der Krise liquide.

Diese könnten so alle weiteren Akteure in der Reisebranche, wie zum Beispiel Hotels, Reisevermittler oder Buchungssysteme, vertragsgemäß entlohnen. Nach der Krise erhielten die Unternehmen von ihren Kunden das dringend benötigte Geld. Die dem Fonds entnommenen Beträge würden die Unternehmen später zurückzahlen, nach etwa drei bis sechs Jahren. Ein Reisesicherungsfonds ist die gerechtere und nachhaltiger wirkende Lösung für alle Akteure in der Tourismuswirtschaft, einschließlich der Reisenden.

Weitere Informationen und unabhängige Beratung

Bei Fragen und Problemen mit ihrer Reise hilft Ihnen gerne Ihre Verbraucherzentrale vor Ort weiter. Zur Kontaktaufnahme oder zur Terminvereinbarung erreichen Sie die Verbraucherzentrale Bremen unter 0421-160 777. Weitere aktuelle Informationen rund um Corona finden Sie der Homepage der Verbraucherzentrale.

Zur Autorin: Dr. Annabel Oelmann ist Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Bremen. Sie hat diesen Beitrag exklusiv für anwalt-innovativ.de geschrieben.

Anmerkung Redaktion

Neben den Verbraucherzentralen gibt es auch unabhängige anwaltliche Hilfe beispielsweise durch bundesweit tätige Anwaltskanzlei WKR (wkr-anwalt.de) aus Leipzig.

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CHLA

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