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Microjobs im Internet begründen keine Festanstellung

Die Zahl der Crowdworker wächst stetig. Die Arbeiter aus der Crowd, damit ist die Schar der Internetnutzer gemeint, schreiben, programmieren, testen, fotografieren, kreieren und entwickeln Ideen. Ihr Aufgabenspektrum reicht von der Kleinstaufgabe bis hin zu komplexen Aufträgen für Spezialisten. Unternehmen vergeben solche Arbeiten über entsprechenden Online-Plattformen wie Crowdguru oder Clickworker an private Auftragnehmer.

Sind diese Crowdworker tatsächlich selbstständig? Oder müssten sie eigentlich wie Angestellte behandelt werden? Dazu hat das Landesarbeitsgericht in München nun ein Urteil gesprochen. Ein Arbeitsvertrag liege nach der gesetzlichen Definition nur dann vor, wenn der Vertrag die Verpflichtung zur Leistung von weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit vorsehe, stellte das Gericht klar. Das setzt in der Regel einen regulären Arbeitsvertrag voraus. Nach Ansicht des Gerichts seien Crowdworker selbständig urteilten folglich die Richter.[1]

Höchstes Maß von Flexibilisierung der Arbeit

Geklagt hatte ein 52jähriger, der sich als Angestellter der Internetfirma sah, die ihm Jobs vermittelte. Nach der Vermittlung der Aufträge durch die Plattform machte unter anderem Fotos von Warenpräsentationen in Shops, Tankstellen und Märkten. Da er sehr lange hauptberuflich für ein und denselben Auftraggeber tätig war, zog er vor Gericht, als die Plattform die Zusammenarbeit mit ihm beenden wollte. Aus seiner Sicht bestand zwischen ihm und der Plattform inzwischen schon ein ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die beklagte Internetfirma meinte hingegen, der Kläger habe die Aufträge als als Selbstständiger übernommen.

Für Unternehmen entsprechen Crowdworker dem Idealbild der Arbeitskraft. Denn die Art der Arbeitsvergabe verspricht ungeahnte Möglichkeiten und ein höchstes Maß an Flexibilisierung von Arbeit. Man spricht in diesem Fall daher auch von „Crowdsourcing”, angelehnt an den Begriff des Outsourcings, also die Auslagerung von Unternehmensaufgaben an Dritte – die in diesem Fall an selbständige Privatpersonen.[2]

„Pfandflaschen sammeln geht schneller“

Nach einer Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, dem Crowdworking-Monitor[3], nimmt die Plattformbeschäftigung in der Arbeitswelt bereits eine größere Rolle ein als bisher angenommen. Rund 70 Prozent der Crowdworker erzielen auf diese Weise meist nur einen Nebenverdienst von 200 bis 300 Euro im Monat. Auf Bewertungsportalen schneiden die Anbieter meist dementsprechend schlecht ab, weil sich der Mindestlohn verglichen mit dem jeweiligen Zeitaufwand durch Microjobs meist kaum real erzielen lasse. „Pfandflaschen sammeln geht schneller” spottete beispielsweise ein enttäuschter Mitarbeiter einer Crodworkingfirma auf der Job-Bewertungsplattform kununu.[4]

Crowdworker sind gewissermaßen die digitalen Tagelöhner unserer Zeit. Wenn sie krank oder arbeitsunfähig werden, droht ihnen der soziale Absturz. Sie müssen sich selbst krankenversichern, Rentenbeiträge des Arbeitgebers oder eine betriebliche Altersvorsorge gibt es nicht – ganz zu schweigen von Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Die Branche sorge so für prekäre Arbeitsverhältnisse und produziert Altersarmut, warnen daher Sozialkritiker.

Frage der Scheinselbständigkeit?

Dem Crowdworking-Monitor zufolge arbeitet allerdings auch rund ein Drittel der befragten aktiven Crowdworker mehr als 30 Stunden pro Woche plattformvermittelt, 24 Prozent sogar mehr als 40 Stunden pro Woche. Insgesamt 40 Prozent der Befragten erzielten dementsprechend Verdienste über 1000 € pro Woche.

Auch der Kläger des aktuellen Falls scheint wohl zu den besser gestellten Crowdworker zu gehören. Nach eigenen Angaben habe er bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden brutto etwa 1750 Euro im Monat verdient. Das besondere in diesem Fall: Er war im Wesentlichen für ein und denselben Anbieter tätig und da stellt sich dann schon die Frage der Scheinselbständigkeit.

Revision zugelassen

Die IG Metall, die den Crowdworker in dieser Auseinandersetzung unterstützt hatte, zeigte sich dementsprechend von dem Urteil enttäuscht. Aus Sicht der Gewerkschaft gebe es klare Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger als Arbeitnehmer einzustufen sei. Dazu zählten als Kriterien, inwieweit der „Crowdworker” vom Auftraggeber persönlich wirtschaftlich abhängig sei, ob er in den Betriebsablauf eingebunden sei und weisungsgebunden arbeite.

Die IG Metall fordert deshalb ein eigenes Arbeitsrecht für die digitale Arbeitswelt, das die Beschäftigten dort besser schützt. Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums seien die Vorbereitungen dafür schon angelaufen[5]. Die IG Metall will jetzt die Urteilsbegründung abwarten und dann entscheiden, ob sie vor das Bundesarbeitsgericht gehen werde. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles hat das Gericht nämlich die Revision zum Bundesarbeitsgericht in Erfurt ausdrücklich zugelassen.

Einzelnachweise:

[1] Münchner Merkur: „Urteil: Crowdworker sind Selbstständige“, in: merkur.de vom 4.Dezember 2019, Abruf am 5. Dezember 2019.

[2] Deutschlandfunk: „Die digitalen Tagelöhner”, in: deutschlandfunk.de vom 28. September 2019, Abruf am 5. Dezember 2019.

[3] Bundesministerium für Arbeit und Soziales: „Ausmaß von Plattformarbeit in Deutschland könnte höher als bisher angenommen sein”, in: bmas.de vom 10. Oktober 2019, Abruf am 5. Dezember 2019.

[4] Kununu: „Crowd Guru GmbH als Arbeitgeber”, in: kununu.com, Abruf am 5. Dezember 2019.

[5] ZDF Heute: „Kein Kündigungsschutz für Crowdworker”, in: zdf.de vom 4. Dezember 2019, Abruf am 5. Dezember 2019.

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Anton Anger

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