Große Verkehrsprojekte ziehen sich oft über viele Jahre hin. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will deshalb die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Demnach solle die Bundesregierung die Umsetzung von wichtigen Infrastrukturvorhaben deutlich beschleunigen und Genehmigungen per Gesetz erteilen. Der Entwurf seines „Genehmigungsbeschleunigungsgesetzes” soll entsprechend im Bundeskabinett abgestimmt und beschlossen werden.[1]
Vorerst sollte sich der Gesetzentwurf auf sechs Großprojekte beziehen. Neben der Vertiefung des Nord-Ostsee-Kanals, dem Ausbau des Wesel-Datteln-Kanals bis Marl und Ersatzneubau der „Großen Schleusen” sowie Brückenhebung bei Ersatzneubau, die Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenweser, der Fahrrinnenvertiefung des Untermains bis Aschaffenburg und der Abladeoptimierung der Fahrrinnen des Mittelrheins kommen nun sieben weitere Bauvorhaben bei regionalen Bahnverbindungen hinzu.
Per Gesetz beschleunigt werden sollen die Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Ausbau der Bahnstrecken von Hannover nach Bielefeld, von München nach Freilassing, von Hof über Marktredwitz und Regensburg nach Obertraubing, von Magdeburg nach Halle sowie des Neubaus der Bahnkurve von Mönchehof nach Ihringshausen im Rahmen des Ausbaus der Bahnstrecke von Paderborn nach Halle, der Elektrifizierung zwischen Geithain nach Chemnitz im Rahmen des Ausbaus der Strecke von Leipzig nach Chemnitz und des Ausbaprojektes der Bahnstrecke von der deutsch-niederländischen über Kaldenkirchen, Viersen und Rheydt nach Odenkirchen.
Verkehrsminister will Genehmigungen ohne Klagerecht durchpeitschen
Ziel des Gesetzes, so Scheuers Begründung, sei die Erprobung, inwieweit eine Genehmigung von Verkehrsprojekten durch den Deutschen Bundestag zu einer größeren Akzeptanz der Projekte beitrage und zu einer Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren führe. Große Verkehrsprojekte sollen demnach durch Gesetz des Deutschen Bundestages verwirklicht werden, nicht mehr durch die Entscheidung von Behörden.
Rechtsexperten beurteilen das skeptisch. Denn der Gesetzentwurf führe dazu, dass betroffene Bürgerinnen und Bürger, die zum Beispiel enteignet werden, keine Möglichkeit mehr hätten, vor einem Verwaltungsgericht zu klagen. Die einzige Möglichkeit bestünde in einer Verfassungsbeschwerde. Effektiv sei dies aber nicht, weil das Verfassungsgericht das Umweltrecht nicht überprüfen könne.
Kritik von Umweltverbänden
Kritik an Scheuers Plänen kommt dementsprechend auch von den Umweltverbänden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND kritisiert, dass Scheuer das Umweltrecht nicht mehr einhalten möchte, weil er Angst habe, dass die Umweltverbände klagen. Das dürfe so nicht sein. Das Gesetzesvorhaben sei eine schwere Verletzung der Aarhus-Konvention, welche die Beteiligungsrechte der Zivilgesellschaft garantiere, meint Olaf Bandt, Geschäftsführer Politik und Kommunikation beim BUND. Die Bundesregierung müsse dieses Vorhaben stoppen, bevor weiterer Schaden angerichtet werde.[2]
Bereits vor dem Mautdebakel meinte Andreas Scheuer sich über Europarecht hinwegsetzen zu können. Auch in diesem Fall scheint er sich nicht nur über völkerrechtliche Verträge, sondern gar auch über das Grundgesetz hinwegsetzen zu wollen. Das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz werde neue rechtliche Auseinandersetzungen nach sich ziehen, warnt Bandt. Das Grundgesetz stehe entschieden für Gewaltenteilung und Rechtsschutz und nicht dafür, dass die Regierung Projekte nach ihrem Gutdünken durchpeitschen könne.
Klageweg dauere zu lange
Gerade bei klimafreundlichen Verkehrsträgern wie dem Schiff und der Bahn müsse der Ausbau von Infrastruktur zügiger vorangehen, rechtfertigt Scheuer sein Gesetzesvorhaben. werden. Bürgerinnen und Bürger sollten selbstverständlich weiterhin die Möglichkeit haben, sich frühzeitig im Genehmigungsprozess zu beteiligen. Der Klageweg über die Verwaltungsgerichtsinstanzen aber dauere oft sehr lange.[3]
Umweltverbände hingegen sehen in dem Gesetzentwurf eine Verletzung des Europarechts, das die Beteiligungsrechte der Zivilgesellschaft garantiert. Sie haben haben bereits angekündigt, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen, wenn das Kabinett und der Bundestag das Gesetz verabschiede. Letztendlich könnte das Gesetz gar vor dem Europäischen Gerichtshof landen.
Einzelnachweise:
[1] ARD Tagesschau: „Scheuer will Klagerecht beschneiden“, in: tagesschau.de vom 5. November 2019, Abruf am 6. November 2019
[2] BUND: „Wer sich nicht an Umweltrecht halten möchte, schränkt das Klagerecht ein“, in: bund.net vom 18. Oktober 2019, Abruf am 6. November 2019
[3] Finanzen.Net GmbH: „Bundesregierung will wichtige Infrastrukturvorhaben schneller genehmigen“, in: finanzen.ch 17. Oktober 2019, Abruf am 6. November 2019