Categories: Verkehrsrecht

Führerschein futsch nach epileptischem Anfall

Es geschah am Dreikönigstag 2018. Eine 26-jährige Spaziergängerin war mit ihrem Hund auf einem Feldweg bei Hettstadt (Landkreis Würzburg) unterwegs, als sie ein Auto erfasste. Der Fahrer, ein 32-jähriger Mann, erlitt während der Fahrt einen epileptischen Anfall und überfuhr die Spaziergängerin samt ihren Hund.

Der Mann hatte den beginnenden Anfall bereits bemerkt und  steuerte seinen Wagen gerade deshalb in den Feldweg, auf dem die Frau spazieren ging. Allerdings reichte die Zeit nicht zum Anhalten, bis ihn der Krampfanfall übermächtigte. Er verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug, und es kam zum tödlichen Unfall. Die junge Frau zog sich einen Schädelbruch zu und verstarb noch am Unfallort. Auch ihr Hund wurde schwer verletzt und starb mit seinem Frauchen.[1]

Lappen weg auf Lebenszeit

Vom Amtsgericht Würzburg wurde dem Unglücksfahrer nun der Prozess gemacht: Der Unfallverursacher muss eine dreijährige Haftstrafe antreten und seinen Führerschein auf Lebenszeit abgeben. Die Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässige Tötung vor. Sie hatte im Prozess eine vierjährige Gefängnisstrafe und eben auch jene lebenslange Führerscheinsperre für den Angeklagten eingefordert.

Der Unfallfahrer hatte erst kurz zuvor seinen Führerschein zurückbekommen. Dieser war ihm entzogen worden, weil er bei einer Alkoholfahrt einen schweren Verkehrsunfall verursacht hatte. Im Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis hatte er laut Anklage seine wiederkehrenden Anfälle, die ihm seit 2009 bekannt waren, verschwiegen. Wie sich erst während der Verhandlung herausstellte, hatte der Angeklagte am Tag des Unfalls seine Medikamente gegen die Epilepsie nicht eingenommen.[2]

Schwererer Epilepsie-Unfall mit SUV in Berlin

Erst vor kurzem löste auch in  Berlin ein Unfall mit einem SUV großes Entsetzen aus. Auch dieser Unfallfahrer hatte wohl wegen eines epileptischen Anfalls vier Menschen tot gefahren, darunter einen Dreijährigen. Laut Staatsanwaltschaft erlitt er am Steuer einen Krampfanfall. Er scherte deshalb urplötzlich aus einer an der Ampel wartenden Autoschlange aus und raste mit über hundert Stundenkilometern in eine Gruppe Passanten hinein.

In ganz Deutschland wurde zunächst heftig darüber diskutiert, ob SUVs in Städten überhaupt erlaubt bleiben sollten. Doch nun stellt sich erneut die Frage, ob das Risiko durch an Epilepsie leidende Menschen im Straßenverkehr ausreichend eingegrenzt wird. Muss ein unter Epilepsie leidender Mensch seinen Führerschein abgeben?

Alkoholentzug kann Anfälle auslösen

Epilepsie (altgriechisch: epílepsis und lateinisch epilepsia, zu deutsch ‚Angriff’, ‚Überfall’) ist bereits seit dem 16. Jahrhundert als Krankheit („Fallsucht”) nachweisbar. Neben perinataler Hirnschädigung nach Sauerstoffmangel bei der Geburt, Hirntumoren, Schädelhirntraumata nach Unfällen, Infektionen des Gehirns (Enzephalitis) und Stoffwechselerkrankungen können auch Unterzuckerung bei Diabetikern (Hypoglykämie) sowie Drogen- und Alkoholvergiftungen bzw. ein beginnender Alkoholentzug epileptische Anfälle auslösen.[3]

Zur Vorbeugung epileptischer Anfälle stehen Betroffenen inzwischen Medikamente (Anti-Epileptika) zur Verfügung. Fasst man unterschiedliche Studien zur Prognose zusammen, erreichen dadurch insgesamt etwa 50 bis 80 Prozent aller Epilepsie-Patienten eine anhaltende Anfallsfreiheit.

Epilepsie-Risiko insgesamt sehr gering

Norbert van Kampen, Vorsitzender der Deutschen Epilepsievereinigung, ist daher der Meinung, dass ein unter Epilepsie leidender Mensch keine größere Gefahr für den Straßenverkehr darstelle – solange dieser sich an die Regeln halte. Diese seien sehr strikt und hingen von der Art der Epilepsie-Erkrankung ab. Doch grob gelte: Wer ein Jahr keine epileptischen Anfälle habe und dies von seinem behandelnden Arzt bestätigen lässt, dürfe in der Regel wieder Autofahren. In diesem Fall gebe es kein erhöhtes Risiko, dass es zu einem Unfall kommen könne.[4]

Lediglich etwa 0,5 bis 0,9 Prozent der Deutschen leiden an Epilepsie – das sind knapp 600.000 Menschen. Grundsätzlich kann jeder Mensch – auch ein gesunder – einen epileptischen Anfall erleiden: Fünf bis zehn Prozent der Deutschen erleben einmal in ihrem Leben einen solchen. Aus diesem Grund sei es umso fragwürdiger, Personen, die einmal einen epileptischen Anfall haben, sofort den Führerschein zu entziehen, findet van Kampen. Ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall würden im Straßenverkehr ebenfalls eine Gefahr darstellen. Und das ließe sich auch nicht vorhersehen.

Arztgutachten ist verbindlich

Laut Studien des Würzburger Instituts für Verkehrswissenschaften seien lediglich zwischen 0,1 und 0,3 Promille der Autounfälle in Deutschland auf einen epileptischen Anfall zurückzuführen In der deutschen Rechtsprechung allerdings gilt bei der Kraftfahreignung für Menschen mit Epilepsie folgende Regel: Wer wiederholt unter epileptischen Anfällen leidet, ist nicht in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen, da er sich und andere Verkehrsteilnehmer gefährden könnte. Tritt ein Krampfanfall erstmalig und ohne Anzeichen für eine beginnende Epilepsie auf, muss der/die Betroffene auf das Autofahren mindestens drei Monate bis zu sechs Monate verzichten.

Wird die Epilepsie-Erkrankung erst einmal festgestellt, lassen sich gewisse Vorbeugungen treffen: Wenn die Diagnose fällt, beginnt mit der ärztlichen Betreuung auch eine medikamentöse Behandlung. Ob der Patient wieder autofahren darf, erfolgt nicht nach eigenem Ermessen. Das entscheidet der behandelnde Arzt.

Aufklärung oft ungenügend

Für den Patienten ist die Entscheidung des Arztes verbindlich. Wenn der Arzt das Verbot verhängt, dass der Erkrankte nicht mehr Auto fahren darf, hat der Patient offiziell die Kenntnis, dass er nicht fähig ist, Auto zu fahren. Nur der behandelnde Arzt und der Patient selbst erfahren also zunächst von dem Fahrverbot.

Der Arzt muss sich dabei auf die Angaben des Patienten verlassen. Wenn dieser versichert, er habe keine Anfälle innerhalb des vergangenen Jahres erlitten, wird ihm die Fahrerlaubnis wieder erteilt. Meistens – wie im oben geschilderten aktuellen Fall – erfahren die Behörden aber erst von der Epilepsie-Erkrankung eines Autofahrers, wenn ein Unfall passiert ist. Dann geht es bei dem autofahrenden Betroffenen um ein fahrlässiges oder vielleicht sogar vorsätzliches Verhalten.

Ein Problem stellt die mitunter fehlende oder ungenügende Aufklärung der Patienten dar. Dabei ist die Eigenverantwortung für die Patienten sehr hoch. Nicht jeder Neurologe, der das eigentlich wissen müsste, kläre die Erkrankten über den Vorgang mit der Fahrerlaubnis auf, wie es eigentlich angemessen wäre, kritisieren Experten.

Mann hatte Gesundheitsprobleme verschwiegen

Im aktuellen Fall vor dem Würzburger Amtsgericht war die Lage eindeutig: Der Angeklagte hatte seine gesundheitlichen Probleme verschwiegen – weil er „einfach den Führerschein wieder haben” wollte, wie er selbst vor Gericht eingeräumt hat. Alle Hinweise von Ärzten während seiner Epilepsie-Behandlung, dass er kein Auto mehr fahren dürfe, missachtete der Mann offenbar. Sein lebenslanger Führerscheinentzug erscheint da nur folgerichtig.

Einzelnachweise:

[1] Münchner Merkur: „Epileptiker wegen Todesfahrt verurteilt – erst kurz vorher hatte er den Führerschein zurückbekommen“, in: merkur.de vom 19. November 2019, Abruf am 20.November 2019.

[2] BayerischerRundfunk BR: „Tödlicher Unfall während epileptischen Anfalls“, in: br.de vom 18. November 2019, Abruf am 20. November 2019.

[3] Wikipedia: „Artikel Epilepsie, in: de.wikipedia.org, Abruf am 20. November 2019.

[4] Frankfurter Allgemeine Zeitung F.A.Z.: „Mit Epilepsie-Erkrankung ans Steuer?“, in: faz.net vom 17. Oktober 2019, Abruf am 20. November 2019.

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Anton Anger

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