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Münchner Generalvikar will Neuausrichtung des kirchlichen Arbeitsrechts

 

„Gott sollen wir billig loben” heißt es in einem christlichen Hymnus. Kirchliche Mitarbeiter zitieren diesen Vers gerne mit einer gewissen Selbstironie, wenn es um arbeitsrechtliche Fragen geht. Denn die Tätigkeit für einen kirchlichen Arbeitgeber setzt oft eine Menge ehrenamtlichen Engagements bei größtmöglicher Loyalität gegenüber den altertümlich so genannten „Schriftgelehrten“, den Kirchenoberen, voraus.

Grundlegende Arbeitsrechte, wie beispielsweise das Streikrecht, gelten bei der Kirche nicht. Gefordert ist meist eine bedingungslose Loyalität. Und dies fängt bereits bei der Konfessionszugehörigkeit an und setzt sich bei Fragen zur sexuellen Orientierung  und Selbstbestimmung bzw. bei der Einstellung zu Ehe und Wiederverheiratung fort.

Reformen längst überfällig

Bei den großen katholischen wie evangelischen Kirchentagen fordert die kirchliche Jugend schon lange die mehr als überfälligen Reformen beider großer Amtskirchen. Dabei geht es nicht allein um die üblen Misshandlungs-Machenschaften von Priestern oder etwa „nur“ um rein theologische Fragen, wie das gemeinsame Abendmahl in beiderlei Gestalt, die Marienverehrung, die Sakramente oder auch die gegenseitige Anerkennung der Taufe. Auch das kirchliche Arbeitsrecht gehört dringend aktualisiert und überarbeitet!

Auch Martin Luther hat die Kirche bekanntlich ja nur reformieren und nicht etwa spalten wollen. Seine „Zwei Reiche-Lehre“ [1] fasst die grundsätzlichen Konflikte vom Reich Gottes und dem Reich der Welt bzw. der Lehre des Evangeliums gegenüber den staatlichen Gesetzen treffend zusammen. Luther nahm damit quasi schon vor 500 Jahren voraus, was Kirche und Staat zusammenhält und was beide Reiche heute noch voneinander trennt. Denn obwohl Luther damals keinesfalls eine reine Staatstheorie entwickeln wollte: Heute manifestiert sich der stetige innere Kampf des Christen (oder heute: des sogenannten „Gutmenschen“) zwischen den beiden „Regimenten“, dem „geistlichem und weltlichem Schwert“, äußerst signifikant im geltenden Arbeitsrecht.

Neuausrichtung jenseits rein theologischer Dogmatik

Eine grundsätzliche Neuausrichtung des kirchlichen Arbeitsrechts fordert jetzt der Münchner Generalvikar Peter Beer. Der Theologe leitet seit drei Jahren im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz eine Arbeitsgruppe zur Neukonzeption des katholischen Arbeitsrechts. Beer äußerte sich nun bei einer Tagung der Forschungsstelle für kirchliches Arbeitsrecht der Universität Tübingen in Stuttgart. Er warnte davor, Arbeitsrechtsfragen allein über theologisch-dogmatische Lehrfragen klären zu wollen.[2]

Als zentral für die katholische Kirche bezeichnete Beer den aus dem Evangelium abgeleiteten Sendungsauftrag. Dabei gehe es grundsätzlich um bessere und sozialere Verhältnisse für die ganze Welt. In dem Zusammenhang stellte er die Frage: „Wird das Arbeitsrecht der Kirchen tatsächlich als Zeichen für eine bessere Welt gesehen?”

Alles nur eine Frage der Loyalität?

Für Beer, müsse dieses Arbeitsrecht als „Attraktivitätsfaktor” das Zeichen und Werkzeug einer positiven Vision der Welt sein. Der häufig in Arbeitsstreitfragen benutzte Begriff der Loyalität sei aus Sicht des Generalvikars zu häufig einseitig auf den Dienstnehmer konzentriert. Dies müsse überwunden werden, denn Dienstgeber und Dienstnehmer sollten gemeinsam „loyal gegenüber dem Sendungsauftrag” sein.

Oft werde das Recht genutzt, um sich wegen einer vermeintlichen Pflichtverletzung – etwa in der persönlichen Lebensführung des kirchlichen Angestellten – leichter von einem Arbeitnehmer trennen zu können. Unter Bezug auf den Begriff des Sendungsauftrags sagte Beer, dass sich die Frage, ob jemand ein guter Mitarbeiter sei, daran zeige, ob er da sei, wenn er gebraucht werde und nicht etwa an seiner sexuellen Orientierung.

Reformen: „Mutig und mit Gottvertrauen“

Der Bonner Rechtswissenschaftler Stefan Greiner sieht auch nach den beiden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum kirchlichen Arbeitsrecht in Deutschland Spielräume, das kirchliche Arbeitsrecht „mutig und mit Gottvertrauen“ weiterzuentwickeln. Zwar habe das oberste Rechtsorgan der Europäischen Union in diesem Jahr mit seinen zwei Grundsatzurteilen die im Grundgesetz verbrieften Autonomieansprüche der Kirchen stark eingeschränkt, aber es verbleibe immer noch ein Rest davon.

Der EuGH  hatte im September die Kündigung eines leitenden Mitarbeiters durch einen katholischen Arbeitgeber wegen dessen Wiederverheiratung als eine verbotene Diskriminierung eingestuft. Bereits im April dieses Jahres hatte der EuGH einer konfessionslosen Arbeitssuchenden Recht gegeben, die sich um einen befristeten Referentenjob bei dem Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben hatte. Sie war vom Arbeitgeber abgewiesen worden, hatte dann aber durch alle Instanzen wegen ihrer Diskriminierung gegen den potenziellen kirchlichen Arbeitgeber geklagt und am Ende Recht bekommen.[3]

EuGH restriktiver gegenüber Karlsruhe

Bislang hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den Kirchen in arbeitsrechtlichen Fragen einen äußerst großzügigen Spielraum einräumt, ihren Mitarbeitern ein hohes Maß an Glaubensnähe abzuverlangen. Demgegenüber hat der EuGH nun einen deutlich restriktiveren und letztlich auch gegen die Karlsruher Linie gerichteten Kurs eingeschlagen

Greiner empfahl den Kirchen, bei Stellenausschreibungen die spezifisch kirchliche Prägung einer Tätigkeit herauszustellen und zu dokumentieren. Gebe es eine solche Prägung nicht, dürfe die Konfessionszugehörigkeit kein Auswahlkriterium sein.

Einzelnachweise:

[1] Wikipedia: „Zwei-Reiche-Lehre“, in: de.wikipedia.org, Abruf am 21. Oktober 2019.

[2] Domradio: „Eine Frage der Loyalität“, in: domradio.de vom 18. Oktober 2019, Abruf am 21. Oktober 2019, vgl. ähnliche Meldung bei katholisch.de und entsprechende Berichterstattung  der katholischen Nachrichtenagentur kna.

[3] Süddeutsche Zeitung: „Machtwort gegen selbstgemachte Sonderregeln der Kirche“, in: sueddeutsche.de vom 11. September 2019, Abruf am 21. Oktober 2019.

 

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Anton Anger

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