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Berliner Mietendeckel: «Kann auch nicht in Manhattan wohnen und 6 Euro Miete zahlen wollen»

Viele Investoren, darunter zahlreiche private, die für die Altersvorsorge eine Wohnung in Berlin über einen hohen in 20 bis 30 Jahren abzuzahlenden Immobilienkredit gekauft haben, fühlen sich von der rot-rot-grünen Stadtregerierung mit der pauschalen über alle Bezirke gehenden sogenannten «Mietpreisbremse» hinters Licht geführt. Auch große Wohnbaugesellschaften wehren sich.[i] Juristen halten das Vorhaben für verfassungswidrig.

«Ein Privatmann, der 250.000 Euro für eine 60 Quadratmeterwohnung in Berlin Prenzlauer Berg bezahlen musste, muss mindestens 1000 Euro Kaltmiete nehmen können, um ein solches Investment in 20 Jahren abzahlen zu können», sagt ein Berliner Wohnungskäufer. Dabei seien noch nicht einmal Sanierungskosten berücksichtigt. Die in Berlin häufig notwendig seien. Das pauschale Verbot zur Mietpreissteigerung sei für viele deshalb existenzgefährdend.

«In bald jedem zweiten Berliner Mehrfamilienhaus, in dem ich Steckdosen oder Lichtschalter anbringe, sind im Keller immer noch keine Lampen in den Kellerverschlägen angebracht», sagt Mustafa, ein türkischstämmiger Berliner.

Laterne im Keller wie im Mittelalter – auch das ist Berlin

Man müsse da, wie im Mittelalter, immer noch als Mieter mit Laternen nach seinen Sieben Sachen suchen. «Über die von der Politik verbreitete und behauptete These des angeblichen Problems der massenhaften angeblichen Luxussanierungen in Berlin kann ich nur lachen», sagt er.

Nach seiner Einschätzung gebe es sogar in Berlin auch bald 30 Jahre nach der Wiedervereinigung zwischen der DDR und der BRD Hunderttausende Wohnungen, die noch den Standard von Ofenheizungen hätten oder Toiletten auf den Treppen.

Und ein aus Baden-Baden stammender Internetunternehmer schimpft: «Das was in Berlin passiert, 5-Jahrespläne aufsetzen, wie in sozialistisch-kommunistischen Diktaturen, geht gar nicht. Wir werden mittlerweile von undemokratischen Linksfaschisten regiert», sagt er.

“Kann nicht in Manhattan für 6 oder 9 Euro Kaltmiete den Quadratmeter wohnen wollen”

Zudem ergänzt er: «Ich kann auch nicht in Manhattan wohnen wollen, direkt an der Fifth Avenue neben dem Trump Tower und nur 6 oder 9 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete zahlen wollen. Das setzt die freie Marktwirtschaft komplett ad absurdum.»

Das sehen auch Juristen so. „Der Berliner Mietendeckel ist verfassungswidrig“ führen die Berliner Wirtschaftsjuristen Benedikt Wolfers und Kai-Uwe Opper von der Kanzlei «Posser, Spieth, Wolfers & Partners» im Fachblatt „Neue Juristische Wochenschrift“ (36/2019) aus.

Klar, es wird mal wieder die viel zitierte angebliche «heiße Nadel» angeführt, mit welcher die Berliner Links-Regierung das Berliner Mietengesetz geschrieben hätte.

Doch ob die Nadel so heiß war, darf bezweifelt werden.

Mietpreisbremse gilt für Altmietverträge in Berlin schon seit 20 Jahren und hat gegriffen

Denn eine Mietpreisbremse gibt es in Berlin schon seit Anfang der 2000er Jahre. «Ich bin 2003 in Berlin Prenzlauer Berg in eine 61 Qudadratmeter Wohnung, beste Lage, zu 385 Euro Kaltmiete eingezogen», sagt ein Berliner gegenüber anwalt-innovativ.

15 Jahre später, 2018, sei auf Grund der seit bald 20 Jahren in Berlin bestehenden Mietpreisbremse seine Miete «gerade einmal um rund 100 Euro Kaltmiete angestiegen». So hab er 2018 lediglich 585 Euro Miete bezahlen müssen – warm.

Dies bedeutet: Die Berliner Mietpreisbremse schützt schon heute seit gut 20 Jahren Altmietverträge. Steigende Mieten kommen vor allem auf Grund der zahlreichen Wohnungskäufe bei Neumietverträgen vor.

Angriff auf das Grundgesetz und Eigentumsrecht

Für die Berliner Juristen Wolfers und Opper ist auch deshalb klar: So radikal, wie mit einem Gießkannenprinzip nun von Wannsee, über Zehlendorf, Charlottenburg bis Prenzlauer Berg ein fast generelles Verbot für Mietpreiserhöhungen auch im Bereich von Neuvermietungen ausgesprochen werde, das gehe so nicht. Das sei «verfassungswidrig».

Es stelle einen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 I Grundgesetz (GG) dar und sei komplett unverhältnismäßig. Hinzu komme, dass dem Berliner Abgeordnetenhaus die erforderliche Gesetzgebungskompetenz fehle für Millionen Wohnungen so etwas Pauschales festzulegen.

Gemäß der Berliner Juristen gehöre der drastische Berliner Mietendeckel in den Bereich des bürgerlichen Rechts (Art.74 I Nr. 1 GG).

Alleine der Bundesgesetzgeber habe hier die rechtliche Kompetenz, im Bereich von Miethöhen Gesetze zu erlassen – und auch dies nicht in pauschaler Manier. Das was die SPD, die Linken und Grünen in Berlin täten, sei eine massive Verletzung von Grundrechten und in der deutschen Verfassung festgeschriebenen Eigentumsrechten.

Soziologe sieht Entvölkerung in ländlichen Gebieten und kleineren Städten als Problem

Schon vor Monaten hatte zudem im STERN ein Soziologe ausgeführt:

  • Er sei gegen eine pauschale Mietpreisbremse in Metropolen wie Berlin.
  • Grund: Es dürfe kein Recht geben, dass jeder billig direkt am Gendarmenmarkt in Berlin wohnen dürfe.
  • Zudem gebe es auch keinen Anspruch darauf, überhaupt billig in einer Metropole zu wohnen.
  • Dies trage letztlich auch zur Entvölkerung anderer kleinerer Städte bei, wo Tausende Wohnungen leer stünden.
  • Man solle die Menschen nicht so konditionieren, dass Landflucht auch noch staatlich gefördert werde. Das sei für das Gemeinschaftsleben absolut schädlich.

Alleine in Leipzig wurden nach dem Jahr 2009 noch Tausende Wohnungen abgerissen. In Städten wie Hagen, Dortmund oder Saarbrücken, mag schon heute kaum mehr ein Privatmann freiwillig eine Wohnung zur Altersvorsorge kaufen. Auch hier gibt es umfangreiche Leerstände.

Der Bund erhebt deshalb seit gutem Grund nicht mehr, wie die Jahre zuvor, die Leerstands-Statistiken zu Wohnraum.

Im Gegensatz zur Schweiz. Hier wird Jahr für Jahr für jede Kommune bekannt gegeben, wie viele Wohnungen leer stehen, und wie die örtliche Leerstandsquote ist. Die Medien greifen dieses Thema auch jährlich groß auf.

Deutschland veröffentlicht im Gegensatz zur Schweiz keine Leerstandsquoten von Wohnungen und Häusern mehr

Mit der staatlich vorgeschriebenen örtlichen Veröffentlichung von Leerständen im Bereich der Wohnungen und Häuser möchte man in der Schweiz dazu beitragen, dass keine Immobilienblasen entstehen.  Zweitens sollen vor allem private Investoren vor dramatischen Fehlinvestitionen geschützt werden.

Zudem müssen sich in der Schweiz lokale Politiker mit einer solchen Transparenz im Immobilienmarkt öffentlich viel stärker für ihre Politik rechtfertigen.

Denn Wohnraumproblem, Leerstand, deuten immer auch auf grundsätzliche Infrastrukturprobleme hin.

Einzelnachweise

[i] Wohnungsbau: Die Wohnungsbaugesellschaften fuhren Anhänger mit großen Plakaten auf. Aufschrift: „Mietendeckel macht unsere Stadt kaputt“, von J. Anker, C. Brühl und I. Jürgens, in: Berliner Morgenpost vom 12.9.2019. Abgerufen am 17.9.2019.

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sgf

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