Categories: Verkehrsrecht

Leihscooter fluten die Großstädte

Seit Mitte Juni sind E-Scooter auch auf deutschen Straßen zugelassen und in den Großstädten häufen sich bereits die Probleme mit ihnen. Da die Nutzung der elektrisch motorisierten Tretroller keinen Führerschein – ja im Grunde keinerlei nachgewiesenen Vorkenntnisse – erfordert, kommt es zu teils schweren Unfällen, Trunkenheitsfahrten und erheblichen Konflikten mit Auto- und Motorradfahrern, Radlern und Fußgängern.[1]

Im europäischen Ausland – wie insbesondere in Frankreich – gehören sie schon lange zum Stadtbild. Selbst in Ländern, in denen sie noch gar nicht zugelassen sind, wie z. B. in England, werden die E-Scooter gefahren und so war es für das deutsche Bundesverkehrsministerium gewiss nicht zu vermeiden, zumindest einige wesentliche Regeln für deren Nutzung aufzustellen. Ob diese Regeln ausreichen, daran haben Kritiker inzwischen Zweifel.

Strenge Promilleregeln

Die wichtigsten Regeln: Um E-Sooter fahren zu dürfen, muss man mindestens 14 Jahre alt sein, die E-Scooter müssen amtlich zugelasen sein und brauchen ein Versicherungskennzeichen. Und sie und dürfen nur auf der Straße oder auf dem Radweg benutzt werden. E-Scooter gelten als Kraftfahrzeuge, d. h. für deren Nutzung gilt (anders als beim Fahrrad!) die 0,5-Promillegrenze.[2]

E-Scooter gibt es im Internet schon für gut 230 Euro. Möchte man aber ein qualitativ hochwertiges Produkt fahren, das vor allem auch über eine Straßenzulassung verfügt, dann wird es erheblich teurer. Allerdings: Wer E-Sooter ohne Straßenzulassung, die es  preiswert auch in Baumärkten zu kaufen gibt, illegal auf öffentlichen Verkehrswegen fährt, riskiert eine Strafanzeige und hat im Schadensfall keine Versicherung. Ein Unfall mit Fremd- und Sachschaden kann dann sehr teuer werden.[3]

Ideal für kurze Distanzen

E-Scooter werden vor allem in großen Städten genutzt, denn dort bieten sie eine durchaus sinnvolle Ergänzung für die letzte Meile zum öffentlichen Nahverkehr wie auch zum Carsharing. Im Verkehrsstau sind die kleinen Flitzer wie der Sand der zwischen Steinen hindurchrieselt und daher für kurze Distanzen ideal. In Städten wie Hamburg, München und Berlin haben sich dem entsprechend Sharing-Anbieter wie Tier, Voi, Lime oder Circ etabiert. Man zahlt je nach Anbieter meist einen Euro pro Freischaltung eines Scooters plus einen Minutenpreis von 15 bis 20 Cent für dessen Nutzungszeit.

In den Städten und Ballungsräumen sorgen die Scooter allerdings für Verkehrsprobleme. Was viele Nutzer unterschätzen: E-Scooter zu fahren ist eine recht wackelige Angelegenheit: Will man bei der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h ein Handzeichen zum Abbiegen oder Einfädeln geben, muss man die Lenkstange auf dem kleinen Fahrbrett stehend mit einer Hand halten. Das führt oft zu Unfällen und schweren Stürzen, die sehr folgenschwer sein können, wenn man ohne Helm fährt. Denn eine Helmpflicht besteht nicht.

Konflikte auch auf dem Radweg

Um Unfälle und Stürze zu vermeiden, fahren viele Nutzer, ohne Handzeichen zu geben. Autofahrer klagen entsprechend über Scooterfahrer, die unvermittelt zwischen parkenden Autos auf die Fahrbahn hervorschießen und sie zu Vollbremsungen zwingen. Und weil es dann auch manchen Scooterfahrer auf viel befahrenen Straßen zu gefährlich wird, nutzen viele Scooterfahrer verbotswidrig den Fußweg. Doch auch auf den meist eh’ schon viel zu eng ausgelegten Radwegen ergeben sich Konflikte mit oft schnelleren Radfahrern und E-Bikern oder wenn die Scooterfahrer den Radweg zur Abkürzung einfach in der Gegenrichtung befahren.

Probleme bereiten die Scooter auch im Straßenbild. Sie werden überall abgestellt, blockieren Parkplätze und behindern auf engen Gehsteigen die Fußgänger. Damit sich nicht wieder das gleiche abspielt wie vor einigen Jahren mit den Leihrädern fernöstlicher Anbieter, hat zum Beispiel die Stadt München den Anbietermarkt für Verleihfirmen reglementiert. Damals hingen vor allem die gelben O-Bikes, welche die Stadt mit ihren Billigrädern regelrecht geflutet haben, in den Bäumen oder sie wurden achtlos in der Isar versenkt. So darf jede Verleihfirma in München bislang lediglich drei Scooter pro Aufstellort aufstellen und im ganzen Stadtgebiet verteilt maximal 1.000 Stück.[4]

In Paris, wo man bereits seit einem Jahr Erfahrungen mit den Elektro-Tretrollern hat, denkt man angesichts derartiger Probleme auch schon über Verschärfungen der Vorschriften nach. Denn in der Seine-Metropole gibt es derzeit bereits zwölf Anbieter mit mindestens 20.000 Scootern. Die Dunkelziffer ist noch höher.[5]

Taucher fischen Scooter aus Hafenbecken

Und Probleme mit den E-Scootern haben die Franzosen auch anderen Ortes: In Marseille haben einige Nutzer die Scooter einfach im Hafenbecken versenkt, wenn sie sich besonders schnell von den kleinen E-Rollern trennen wollten. So geht nicht nur der Scooter kaputt. Das ist auch fatal für die Umwelt, denn die Akkus der Fahrzeuge sind hochgradig giftig.[6]

Angesichts zunehmender Unfallmeldungen aus Kliniken und nach sich häufenden Klagen der Polizei über alkoholisierte Fahrer rief Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer die Kommunen nun zu härterem Durchgreifen auf. „Um den Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer jederzeit zu gewährleisten, sind wir dabei auf die Mitwirkung der Städte und Kommunen angewiesen”, heißt es in einem Brief des CSU-Politikers an den Präsidenten des Deutschen Städtetags, Burkhard Jung (SPD).[7]

Wenn das nicht hilft, muss die Politik eventuell gesetzlich nachjustieren. Im Entwurf des Bundesverkehrsministeriums waren ja ursprünglich ein Mindestalter von 15 Jahren und eine Prüfbescheinigung vorgesehen. Das hat man gekippt, weil die Scooter  auch viele Touristen nutzen, die eine solche Prüfung nicht vorweisen können.

Einzelnachweise:

[1] Tagesspiegel: „Bisher 21 E-Scooter-Unfälle mit 19 Verletzten”, in: tagesspiegel.de vom 17. Juli 2019, Abruf am 22. Juli 2019

und

Tagesschau: „Verbände warnen vor E-Scooter-Chaos“, in: tagesschau.de vom 12 Juli 2019, Abruf am 22. Juli 2019

[2] Stadt München: „E-Scooter in München: Das müsst Ihr beim Fahren beachten”, in: muenchen.de vom 1. Juli 2019, Abruf am 22. Juli 2019, vgl. Bundesamt der Justiz: „Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr“, Abruf am 22. Juli 2019

[3] Deutschlandfunk: „Ohne Zulassung kann’s teuer werden”, in: deutschlandfunk.de vom 17. Juli 2019, Abruf am 22. Juli 2019

[4] Stadt München: „E-Scooter leihen: Was die Anbieter unterscheidet”, in: muenchen.de vom 10. Juli 2019, Abruf am 22. Juli 2019

[5] Bayerischer Rundfunk: „E-Scooter: Fluch oder Segen? (br-kontrovers)”, in: youtube.de vom 11. Juli 2019, Abruf am 22. Juli 2019

[6] BILD-Zeitung: „Friedhof der Tretroller“, in: bild.de vom 22.Juli 2019, Abruf am 22. Juli 2019

[7] ZDF-heute: „Scheuer will Strafen für E-Scooter auf Gehwegen”, in: zdf.de vom 17. Juli 2019, Abruf am 22. Juli 2019

Share
sgf

View Comments

Recent Posts

Empfängnis­verhütende Mittel können beihilfefähig für andere Krankheiten sein

BVerwG: Verhütungsmittel zur Krankheitsbehandlung können beihilfefähig sein Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) befasste sich mit der Frage,…

27, August 2020

Restzahlungen bei Pauschalreisen

Pauschalreisen in Coronazeiten: Muss ich den Restpreis bezahlen? Sind Sie wegen der Coronalage noch unsicher,…

25, August 2020

Kompromiss-Urteil zu Schönheitsreparaturen

BGH: Vermieter trifft auch bei unrenoviert übergebener Wohnung eine Instandhaltungspflicht Der BGH hatte über zwei…

20, August 2020

So erkennen Sie Betrugsversuche

C.B. Group Inkasso verschickt gefälschte Mahnungen: So erkennen Sie Betrugsversuche Fast wöchentlich gibt es neue…

18, August 2020

Das krankenversicherte Kind

Bei Möglichkeit der Mitversicherung haben Kinder keinen Anspruch auf privaten Krankenversicherungsschutz Das OLG Frankfurt am…

13, August 2020

Dieselskandal

Nacherfüllungsanspruch kann sich auf Lieferung eines Nachfolgemodells erstrecken Das OLG Köln hat entschieden, dass der…

11, August 2020