Stürzt ein Radfahrer, obwohl er einem PKW zuvor noch ausweichen konnte, kann der Autofahrer für den entstandenen Schaden in Haftung genommen werden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. entschieden. Im konkreten Fall aber traf die beklagte Autofahrerin nur eine Teilschuld. Das Urteil ist rechtskräftig, es können keine Rechtsmittel eingelegt werden.[1]
Der Kläger war mit seinem Fahrrad einen nur etwa zwei Meter breiten befestigten Feldweg nahe Gelnhausen unterwegs. Dort kam ihm eine Frau mit einem PKW entgegen. Dem Radfahrer gelang es zwar, rechts auf den unbefestigten Seitenstreifen auszuweichen, so dass es zu keiner Berührung mit dem Auto kam.. Doch beim Wiederauffahren des Radlers von dem zum Unfallzeitpunkt relativen matschigen Seitenstreifen auf den Feldweg kam es dann zum Sturz.
Berufung erfolglos
Der Fahrradfahrer zog sich bei seinem Sturz mehrfache Verletzungen zu und forderte neben dem Ersatz entstandener Heilbehandlungskosten sowie der Fahrradreparatur ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro. Das Landgericht Hanau verurteilte die Beklagte zum Ausgleich von 50 Prozent des entstandenen Schadens. Die PKW-Lenkerin legte gegen das Urteil Berufung ein – ohne Erfolg!
Obwohl es sich um einen „berührungslosen Unfall” handelte, sei der Sturz auch der Beklagten zuzurechnen, befanden die Richter des OLG. Denn auch das Wiederauffahren auf den ursprünglichen Weg sei noch Teil des durch den Pkw ausgelösten Ausweichmanövers gewesen, welches zu Ende geführt werden musste.
Insgesamt missglücktes Ausweichmanöver
Letztlich liege damit ein insgesamt missglücktes Ausweichmanöver vor, das der Betriebsgefahr des Fahrzeugs zuzurechnen sei. Nach Ansicht des Gerichts genüge es, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr auf das Ausweichmanöver ausgewirkt habe und das Schadensereignis in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden sei.
Das Gericht berief sich bei seinem Urteil auf das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb” nach § 7, Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetz (StVG): „Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.”[2] Erfasst würden davon alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe, so das Gericht.
Radfahrer trifft Mitschuld
Allerdings treffe die PKW-Fahrerin nicht die alleinige Schuld, befanden die Richter. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge und Verschuldensanteile kam das Gericht zu einer Haftungsverteilung, so dass beide Beteiligten jeweils zur Hälfte für den entstandenen Schaden aufkommen müssen. Denn der Radfahrer hätte die Möglichkeit gehabt, sein Fahrrad anzuhalten und die Beklagte passieren zu lassen. Außerdem habe er beim Wiederauffahren auf den Feldweg angesichts der matschigen Verhältnisse nicht die gebotene Sorgfalt walten lassen.
Auch wenn das Gericht dem Radfahrer eine Teilschuld zusprach, dürfte er mit dem Urteil zufrieden sein. Denn am PKW der Frau war ja kein Schaden entstanden. So bekommt der Radfahrer zumindest die Hälfte seiner Kosten und Schadenersatzansprüche ersetzt.
Einzelnachweise:
[1] Oberlandesgericht Frankfurt am Main: „Pressemittilung 21/2019 zum Urteil Az. 16 U 57/18“, in: ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de vom 19. März 2019, Abruf am 30 Juli 2019 (vgl. Berichterstattung der Main Post und anderer Medien, sowie entsprechende Meldung der Nachrichtenagentur dpa vom 29. Juli 2019).
[2] Bundesamt für Justiz: „Straßenverkehrsgesetz § 7 Abs. 1 Haftung des Halters“, in: gesetze-im-internet.de, Abruf am 30.Juli 2019.