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Strecken-Radar in Niedersachsen ist rechtmäßig

Autofahrer kennen es längst aus Österreich, Italien, Polen, Holland oder auch der Schweiz: Beim Streckenradar wird die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges nicht per „Blitzer” an einem einzelnen Messpunkt erfasst, sondern über einen längeren Streckenabschnitt dessen Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelt. Dies geschieht mit Hilfe von zwei Überkopfkontrollpunkten, die mit Kameras ausgestattet sind. Das Fahrzeug wird sowohl beim ersten wie auch beim zweiten Kontrollpunkt gescannt. Die Identifizierung der Fahrzeuge erfolgt dabei mittels automatischer Nummernschilderkennung.

Aus dem Zeitabstand zwischen den beiden Kontrollpunkten wird die Durchschnittsgeschwindigkeit errechnet. Liegt diese über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, erfolgt eine automatische Weiterleitung der ermittelten Daten an die Bußgeldstelle. Da bei dem Verfahren alle Fahrspuren inklusive des Pannenstreifens überwacht werden, sind Spurwechsel irrelevant. Das System unterscheidet zwischen PKW, LKW und PKW mit Anhänger und kann somit unterschiedliche erlaubte Höchstgeschwindigkeiten berücksichtigen.[1]

Langes juristisches Gezerre

2018 wurde in Niedersachsen erstmals eine solche Anlage auch in Deutschland in Betrieb genommen. Nach einer Testphase war die Anlage an der Bundesstraße B6 zwischen Gleidingen und Laatzen in Betrieb genommen worden und Geschwindigkeitsübertretungen wurden mit Bußgeldern geahndet. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg beendete nun ein langes juristisches Hickhack über die rechtliche Zulassung der Datenerfassung der Anlage. Das Gericht entschied, der Betrieb der Anlage sei rechtmäßig.

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen hatte bereits kurz nach Beginn des Regelbetriebes im Februar 2019 gefordert, den Pilotbetrieb von Section Control sofort zu beenden. Als Grund führte sie Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zum Kennzeichenlesegerät an, das auch sogenannte „Nichttreffer“ auswerte. Das Gericht hatte entschieden, dass die ausnahmslose Erfassung aller Autokennzeichen eine Datenerhebung und damit einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen darstelle.

Gesetzliche Grundlage fehlte zunächst noch

Dem folgte zunächst das Verwaltungsgericht Hannover. Die Richter befanden, die Erfassung aller Autokennzeichen bedürfe als ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen einer gesetzlichen Grundlage. Eine solche gesetzliche Grundlage gab es zur Zeit der Gerichtsentscheidung aber weder im niedersächsischen Landesrecht noch im Bundesrecht. Dies zeigte sich insbesondere daran, dass der Niedersächsische Landtag zur Zeit der Gerichtsentscheidung erst noch über eine Änderung des Landespolizeigesetzes beriet, die eine solche Rechtsgrundlage für die Abschnittskontrolle erst noch schaffen sollte. Die Anlage musste deswegen sofort abgeschaltet werden.

Nachdem die Rechtsgrundlage im Niedersächischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz zwischenzeitlich hergestellt worden war, entschied das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen im Juli, den Betrieb des Streckenradars bis zur Eröffnung des Hauptsacheverfahren wiederaufzunehmen. Das OVG Lüneburg hob das Verbot aus der ersten Instanz nun endgültig auf. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu.[2]

Hohe Akzeptanz

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) zeigte sich von dem Urteil erfreut. Er sei immer davon überzeugt gewesen, dass diese innovative Technik ein echtes Plus für mehr Verkehrssicherheit in ganz Deutschland sein könne. Denn die Akzeptanz der Autofahrer sei bei der sogenannteni „Section Control” deutlich höher als bei punktuellen Blitzern. Denn die Kontrollabschnitte werden dem Autofahrer durch Beschilderung angezeigt.

Der Fahrer erhält dadurch eine Chance entsprechend zu reagieren, wenn er durch Nachlässigkeit doch einmal für einen Moment zu schnell war und kann dies durch langsameres Fahren im Verlauf des Kontrollabschnittes wieder ausgleichen. Zugleichentfällt das panische Abbremsen, das bei der Wahrnehmung herkömmlicher Blitzeranlagen immer wieder auch zu gefährlichen Auffahrunfällen führt. Und auf besonders gefährlichen Streckenabschnitten müssen in der „Section Control“ auch ortskundige Raser das Tempolimit dauerhaft einhalten.[3]

Nach dem Neustart des Streckenradars hat die Anlage bei Laatzen dann auch gleich etliche Temposünder erwischt. Schon in den ersten 24 Stunden nach der Wiederinbetriebnahme habe das Radar 26 Geschwindigkeitsübertretungen erfasst, frohlockte eine Sprecherin des Innenministeriums.[4]

Der Verkehrsgerichtstag hatte sich bereits vor Jahren für die Abschnittskontrolle zur Tempomessung ausgesprochen. Das wesentliche Ziel der Pilotanlage bleibe nach Angaben des niedersächsischen Innenministeriums eine umfängliche und wissenschaftliche Beurteilung zur Wirkung der Anlage auf die Verkehrssicherheit. Deshalb solle die Kontrolleinrichtung nun in den kommenden zwölf Monaten möglichst ununterbrochen in Betrieb bleiben.

Einzelnachweise:

[1] Wikipedia: „Artikel Abschnittskontrolle, in: de.wikipedia.org, Abruf am 18. November 2019.

[2] Neue Osnabrücker Zeitung: „Gericht: Bundesweit erstes Streckenradar darf weiter laufen“, in: noz.de vom 13. November 2019, Abruf am 18. Novembr 2019

[3] Auto Zeitung: „Streckenradar wieder in Betrieb genommen“, in: autozeitung.de vom 15. November 2019, Abruf am 18. November 2019.

[4] Funke Digital First GmbH: „Streckenradar blitzt los – so rasant war der Start“, in: news38.de vom 16. November 2019, Abruf am 19. November 2019.

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sgf

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