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Rasen, Drängeln, Stinkefinger: Aggressivität im Straßenverkehr nimmt zu!

Dichtes Auffahren, riskante Überholmanöver und, wenn gar nicht mehr geht, dann auch mal den erhobenen Mittelffinger zeigen – aggressives Verhalten am Steuer hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, so eine Studie der Universität Würzburg und der Rheinisch-Westfälischen Hochschule Aachen. Den Forschern nach entwickelten mehr als 50 Prozent der befragten Fahrer im Auto häufig bis sehr häufig Aggressionen.

Die Unfallstatistiken zeichnen ein trauriges Bild. Denn infolge von aggressivem Fahrverhalten steigen die Zahlen schwerer Unfälle. Etwa ein Drittel aller Verkehrstoten gehe auf fahrlässiges Verhalten oder aggressiven Fahrstil zurück, so ein Ergebnis der Studie.

Woher rührt die ungebändigte Wut der Autofahrer? Durch gestiegenes Verkehrsaufkommen wird der Raum des Einzelnen auf der Straße immer enger. Und zugleich steigt der Zeitdruck, dem der Mensch im Berufsleben wie zugleich auch in der knapper werdenden Freizeitressourcen ausgesetzt ist. Das Zusammenspiel dieser Faktoren drückt auf die Toleranzschwelle. Verkehrsteilnehmer, die dem eigenen Fortkommen im Wege stehen werden da schnell zum Feind. Und die gegenseitige Rücksichtnahme schwindet.

Verkehrsexperten wissen längst, dass der einstige Slogan, „Freie Fahrt für freie Bürger“, den der ADAC 1974 gegen drohende Tempolimits ausgegeben hatte, heute mehr den je fern jeglicher Realität ist. Denn das deutsche Verkehrsrecht – im Wesentlichen geregelt durch die Straßenverkehrsordnung (StVO) gilt – verglichen mit anderen (überwiegend nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch BGB geordneten) Lebensbereichen als eines der komplexesten und stärksten regulierten Gesetzeswerk der Bundesrepublik.

  • Aggressivität im Straßenverkehr widerspricht allein schon der Grundregel $ 1 der StVO:
  • 1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
  • (2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Zwar kennt es jeder, wenn sich negative Gefühle wie Stress, Frust und Ärger breit machen. Doch gerade das Auto biete dem Fahrer quasi eine Art privater Schutzraum, in dem weder Gesichtsverlust noch direkte Sanktionen zu drohen scheinen, meint der Psychologe Christian Müller vom TÜV Nord. Dies sei grundsätzlich anders als etwa an der Kasse im Supermarkt. „Dort stehen auch diejenigen brav in der Warteschlange, die bei stockendem Verkehr rechts überholen“, sagt der Psychologe.“

Viele Autofahrer ließen im Schutz des eigenen Autos ihren Gefühlen freien Lauf. Müller: „Sich beim Autofahren hin und wieder aufzuregen, ist ganz normal. Aber man sollte dem Ärger nicht das Steuer überlassen!“

Wie aber reagiert die Politik auf die wachsende Aggressivität im Straßenverkehr? Manchem Rechtsexperten sind die drohenden Strafen hierzulande viel zu gering. Dichtes Auffahren wird schlimmstenfalls mit bis zu 400 Euro Geldbuße (und Fahrverbot) geahndet.

600 Euro Strafe für Raser

Und der Höchstsatz für Geschwindigkeitsüberschreitungen auf Autobahnen von mehr als 60 Stundenkilometern beträgt in Deutschland gerade einmal 600 Euro (plus 3 Monate Fahrerbot). In anderen Ländern Europas zahlen Raser wesentlich mehr. In Frankreich beispielsweise kostet ein solcher Verstoß bereits mindestens 1500 Euro.

Richtig teuer werden Verkehrsverstöße in der Schweiz. Denn dort gelten sämtliche Verkehrsdelikte, von Abstandsverstößen, über Geschwindigkeitsübertretungen, bis hin zum Überfahren von Sperrlinien, als Strafsachen. Neben horrenden Geldstrafen, die sich an den Einkommensverhältnissen des Verkehrssünders orientieren, drohen für schwere Verstöße sogar Haftstrafen bis zu einem Jahr. Im Jahr 2010 musste ein Ferrari-Fahrer gar knapp 200.000 Franken zahlen, nachdem er mit über 130 km/h in einem Dorf geblitzt wurde. In der Regel ist dann nicht nur der Führerschein für Jahre weg. Zuweilen wird dann auch gleich das „Tatfahrzeug“ konfisziert.
wms

Schleswig-Holstein: Tempolimit sorgt für Streit zwischen den Fraktionen

Nicht nur in der Diskussion um den Klimaschutz sondern auch wegen der zunehmenden Aggressivität tauchen in der Politik. jüngst wieder verstärkt Forderungen nach Einführung eines generellen Tempolimits auf. So beschäftigte sich jetzt auch der schleswig-holsteinische Landtag mit dieser Frage, die aufgrund ihrer Polarisierung zwischen Umweltschützverbänden auf der einen Seite und der Automobil-Lobby auf der anderen das Zeug hat, die Gesellschaft zu spalten.

Aktueller Anlass: Die schier endlos andauernde Baustelle an der Autobahn A7 zwischen dem Bordesholmer Dreieck und Hamburg! Fast fünf Jahre lang wurde an der Strecke mit je drei Spuren pro Richtung gebaut, jetzt sind die Bauarbeiten abgeschlossen. Daher sollte nun auch das Tempolimit von 120 Km/h wieder aufgehoben werden und darüber ist ein Streit entbrannt.

Für die Umweltschützer sprechen der Klimaschutz, eine, ein besserer Verkehrsfluss, höhere Fahrsicherheit, ein weniger aggressives Fahrverhalten und damit weniger Unfälle eine klare Sprache. Für die Hardliner hingegen gelten die deutschen Autobahnen hingegen als die sichersten Straßen Deutschlands. Und schließlich sei gerade der Ausbau der A7 ja für höhere Geschwindigkeiten ausgelegt.

Zwar werden in der hitzigen Debatte, die auch im Internet intensiv befeuert wird, heftig Argumente ausgetauscht. Der Landtag aber hat in dieser Angelegenheit überhaupt keine Entscheidungsbefugnis. Denn grundsätzlich ist für die Bundesautobahnen allein das Bundesverkehrsministerium zuständig. Und dort wird man sich angesichts der starken Polarisierung des Themas gewiss davor hüten, die Frage der Tempolimits vor den nächsten Bundestagswahlen anzugehen. wms

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sgf

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