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Gerichte müssen Härtefälle genauer prüfen

Altere und kranke Menschen waren vor Eigenbedarfskündigungen bislang gut geschützt. Da sie auf dem angespannten Wohnungsmarkt meist keine Chance hatten, eine geeignete und vor allem auch bezahlbare Wohnung zu finden, urteilten Gerichte oft pauschal:

Wenn ältere oder gesundheitlich angeschlagene Mieter ein medizinisches Attest vorlegten, dass mit einem Umzug eine Verschlechterung ihrer Gesundheit drohen könnte, bewerteten Gerichte die besondere Lebenssituation der Mieter in der Rgel höher als den Eigenbedarf der Wohnungsbesitzer.

Das dürfte sich nun ändern. Denn nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe (BGH) dürfen Gerichte derartige Härtefälle nicht zu schematisch entscheiden.

Die Gerichte müssten künftig in jedem Einzelfall genau prüfen, ob auch wirklich ein unzumutbarere Härtefall vorliege. Die Richterinnen und Richter hoben damit zwei Urteile auf, bei denen die Gerichte die Fälle aus BGH-Sicht nicht gründlich genug geprüft hatten. Beide Verfahren müssen an den zuständigen Gerichten der jeweiligen Vorinstanz neu verhandelt werden.

In einem Fall (VIII ZR 180/18) hatte ein Familienvater Eigenbedarf angemeldet und einer 80 Jahre alten Mieterin gekündigt, weil er mehr Platz für seine Familie brauchte. Der Mann hatte die Wohnung im Jahr 2015 gekauft und kurz darauf Eigenbedarf für sich und seine junge Familie angemeldet. Die Seniorin lebte jedoch bereits seit 45 Jahren in der Berliner Wohnung und konnte aufgrund der langen Wohndauer und einer ärztlich attestierten Demenz vor dem Landgericht Berlin zunächst einen Härtefall geltend machen und in der Wohnung bleiben.

Ob das auch künftig so bleibt muss nun ein medizinisches Gutachten entscheiden. Dieses soll in einem neuerlichen Prozess der Vorinstanz darüber befinden, ob die alte Dame die drohende negativen gesundheitliche Folgen im Falle eines Umzuges auch wirklich nachweisen könne.

Sachlage zu Gunsten der Mieter

Im zweiten Fall (VII ZR 167/17) lag die Sachlage anders und hier entschied der BGH zu Gunsten der Mieter. In einem kleinen Vorort von Halle in Sachsen-Anhalt sollten zwei Mieter einer Doppelhaushälfte ihre Wohnung wegen Eigenbedarfs räumen. Die Kläger wollten dort einziehen, um ihre Großmutter zu pflegen, die bislang noch in der Nähe wohnte. In diesem Fall sah das Landgericht Halle die Kündigung als wirksam an.

Die Mieter – beide schwer erkrankt – betrachteten die Kündigung jedoch als unzumutbar. Zudem sei der Kündigungsgrund nur vorgeschoben., zumal die pflegebedürftige Großmutter zwischenzeitlich verstorben war. Dies sahen die Richter am Landgericht anders. Ein Wegfall des Kündigungsgrundes müsse nur dann berücksichtigt werden, wenn dies vor Ablauf der Kündigungsfrist geschehen wäre.

Parkinson Leiden

Gegen diese Entscheidung aber wehrten sich Mieter erfolgreich bis vor den Bundesgerichtshof. Denn einer der beiden Mieter leidet an Parkinson, Depressionen, chronischen Wirbelsäulenbeschwerden und hat einen Behinderungsgrad von 50 Prozent. Die andere Person besitzt Pflegegrad zwei und ist alkoholkrank.

Der BGH hob nun das Urteil des Landgerichts Halle auf und verwies es zurück zur Neuverhandlung an eine andere Kammer des Berufungsgerichts. Ein neuer Prozess soll jetzt die Auswirkungen eines Umzugs auf die kranken Mieter klären.

Während Vertreter von Eigentums- und Immobilenverbänden die geforderte detailliertere Abwägung des jeweiligen Einzelfalls grundsätzlich begrüßten, zeigten sich Mieterverbände von dem BGH-Urteil enttäuscht. Sie hatten sich erhofft, dass der Bundesgerichtshof eine grundsätzliche Entscheidung fällen und so eine Grundlage für pauschale Härtefälle bilden könnte.

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sgf

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