Geschwindigkeitsmessungen, Abstandskontrollen, Parkraumüberwachung – Kontrollen im Straßenverkehr obliegen in Deutschland dem Staat und dürfen ausschließlich von Behörden vorgenommen werden. Das hat nun das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einer Grundsatzentscheidung noch einmal bekräftigt.[1]
Im Main-Kinzig-Kreis in Hessen war ein Autofahrer wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb einer geschlossenen Ortschaft geblitzt worden. Er legte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und erhielt zunächst vor dem Amtsgericht (AG) Gelnhausen Recht. Denn die Gemeinde hatte eine private GmbH mit der Geschwindigkeitskontrolle beauftragt und dazu mit dieser einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zur „Unterstützung bei der Durchführung von Geschwindigkeitsprotokollen, allgemeinen Datenverarbeitung und Erstellung von Messberichten“ geschlossen.
Viele Blitzer-Knöllchen ungültig
Gegen das Urteil des AG Gelnhausen hatte die Staatsanwaltschaft Hanau vergeblich Rechtsbeschwerde eingelegt. Nach der jetzt verkündeten Grundsatzentscheidung des OLG aber sind Verkehrsüberwachungen durch private Dienstleister gesetzeswidrig. Die im hoheitlichen Auftrag von einer privaten Person durchgeführte Geschwindigkeitsmessung habe keine Rechtsgrundlage, argumentierte das Gericht. In der Folge hätte deshalb das Regierungspräsidium Kassel auch keinen Bußgeldbescheid erlassen dürfen. Denn die Ortspolizeibehörde dürfe die Verkehrsüberwachung nur durch eigene Bedienstete mit entsprechender Qualifikation vornehmen.
Von diesem Urteil dürften viele Autofahrer profitieren, die in die Radarfalle gefahren und dabei von dem privaten Dienstleister geblitzt worden waren. Die auf dessen Basis erlassenen Bußgeldbescheide seien unwirksam, erklärte das Gericht. Konkret seien in der Folge des gesetzwidrigen Handelns “sämtliche Verkehrsüberwachungen des gemeinsamen Ordnungsbehördenbezirks der Gemeinden Freigericht und Hasselroth mindestens seit dem 23. März 2017 unzulässig“, stellte das OLG fest. Darüber hinaus dürfte dies auch für weitere Gemeinden im Main-Kinzig-Kreis, wie Brachttal und Nidderau gelten, da der Angestellte der privaten Firma dort ebenfalls unter den genannten Bedingungen tätig gewesen sei, so das OLG.
OLG befasst sich auch mit Parkverstößen
Das Urteil (Az. 2 Ss-OWi 942/19) ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Der Entscheidung vorausgehend befasste sich das OLG Frankfurt am Main bereits mit Beschluss vom 26.04.2017 mit der Unzulässigkeit der privaten Verkehrsüberwachung (2 Ss-OWi 295/17).
Der aktuelle Beschluss stellt eine richtungsweisende Entscheidung dar, die vergleichbare Fälle in ganz Deutschland betreffen könnte. Das Frankfurter Urteil könnte geblitzten Autofahrern ein Argument liefern, rechtlich gegen die verhängten Strafen vorzugehen. Wer beweisen kann, dass die Radarfalle von einem privaten Unternehmen platziert oder repariert wurde, kann dagegen klagen. Doch der Nachweis ist nicht so leicht zu erbringen. Denn Privat-Blitzer sind äußerlich nicht als solche erkennbar. Um einen Bußgeldbescheid anzufechten, sollten Betroffene Akteneinsicht anfordern.[2]
Das OLG wird sich voraussichtlich in den nächsten Monaten auch mit der Frage der Zulässigkeit von Verkehrsüberwachung im ruhenden Verkehr durch private Dienstleister durch die Stadt Frankfurt am Main befassen. Allein im Jahr 2018 zählte Frankfurt am Main rund 600.000 Parkverstöße.
Einzelnachweise:
[1] Oberlandesgericht Frankfurt am Main: „Keine Verkehrsüberwachung durch private Dienstleister – Bußgeldbescheide rechtswidrig“ (Pressemitteilung 65/2019), in: ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de vom 12. November 2019, Abruf am 13. November 2019
[2] Focus online: „Private Firmen dürfen keine Blitzer-Knöllchen ausstellen“, in: focus.de vom 13. November 2019, Abruf am 13. November 2019