Website-Icon Anwalt Innovativ

Gerast wird trotzdem! Sind Blitzermarathons nutzlos?

Gerast wird trotzdem! Sind Blitzermarathons nutzlos?

Bei fest installierten Radarblitzern fahren Ortskundige langsamer. Später aber geben auch sie wieder Gas. (Foto: Uwe Hoh, Pixabay)

In vielen Ländern Europas postieren sich einen Tag lang Polizisten an den Straßenrand und fotografieren jeden, der zu schnell fährt. Die Aktion und ihr Nutzen aber sind umstritten. Denn in den Tagen kurz vor und während des Blitzermarathons fahren die Menschen zwar etwas vorsichtiger, aber schon am Tag danach ist dieser Effekt wieder verpufft.

Was Kritiker schon immer als nutzlosen Aktionismus bewerteten, haben Wissenschaftler der Universität Passau jetzt bestätigt. Prof. Dr. Stefan Bauernschuster, Inhaber des Lehrstuhls für Public Economics, und seine Mitarbeiterin Dr. Ramona Rekers kommen in der Studie „Speed Limit Enforcement and Road Safety” zu dem Ergebnis:  Informationskampagnen zu den Gefahren von zu hoher Geschwindigkeit sind so gut wie wirkungslos.[1]

Kein anhaltender Effekt

„Gut zureden hilft bei Raserinnen und Rasern nicht“, weiß Prof. Dr. Bauernschuster. Zwar fahren die Menschen an den Tagen vor den Blitzmarathons langsamer. Das liege aber eher daran, dass sie über die Medien von den Blitzmarathons gehört haben, sich aber nicht mehr ganz sicher sind, wann der Blitzmarathon stattfindet. Sobald die Blitzerei vorbei ist und die Medien über die jeweiligen Spitzenreiter berichten, lassen es die harten Raser genauso wieder so richtig krachen im Auspuffrohr. „Blitzmarathons haben also keinen anhaltenden Effekt für Sicherheit auf den Straßen“, sagt Ökonomin Dr. Ramona Rekers.

Die Forscher haben für ihre Studie über  einen Zeitraum von vier Jahren Millionen von Daten ausgewertet: Forschungsdaten der Landesämter für Statistik zu allen 1,5 Millionen polizeilich gemeldeten Verkehrsunfällen in deutschen Landkreisen in der Zeit von 2011 bis 2014, wie auch Daten von automatischen Messstationen, die stündlich das Verkehrsaufkommen und die Geschwindigkeit an bestimmten Punkten maßen.  Eine enorme Rechercheleistung für eine vermeintlich banale Aussage! Dennoch liefert die Studie wichtige Anhaltspunkte, welche Maßnahmen sinnvoll sein könnten, um das Fahrverhalten tatsächlich nachhaltig zu beeinflussen.

Der Studie zufolge belegten die Zahlen eindeutig: Während des Blitzermarathons hielten sich Fahrerinnen und Fahrer deutlich häufiger an die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Und die Zahl der Unfälle ging jeweils signifikant zurück. Doch schon am Tag nach dem Blitzermarathon verschwanden diese Effekte wieder, obwohl das Thema noch in den Medien präsent war. Wenn Blitzmarathons länger dauerten, wie in Bayern, dann war der Effekt auch länger da. Doch sobald die Blitzer abgebaut wurden, war aber auch hier der Effekt weg. Und auf Autobahnen, auf denen noch kein Tempolimit herrscht und wo dann folglich auch nicht geblitzt wird, zeigten sich während der Blitzermarathons keinerlei Effekte.

Unfallverursacher überwiegend männlich

Die Daten lieferten auch feingliedrige Rückschlüsse auf die Merkmale der Unfallverursacher: Diese waren überwiegend männlich und keine Fahranfänger. Um zu erkennen, ob die begleitende Informationskampagne das Publikum erreichte, werteten die Forscher eine Datenbank mit 60 Millionen Presseartikeln sowie Suchanfragen bei Google und Hashtags auf Twitter aus. Das Ergebnis: Kurz vor und während der Blitzer-Aktion schossen die Zahlen tatsächlich nach oben.

Die Informationskampagnen kamen also schon bei den Menschen an, aber sie bewirkten offenbar keinen Erkenntnisgewinn, das Verhalten in eine bestimmte Richtung zu ändern. Das scheint folglich bei Rasern nicht zu funktionieren. Die Menschen scheinen zu wissen, dass Geschwindigkeitsüberschreitungen  Unfälle verursachen. Sie nehmen die Gefahren und Risiken in Kauf, solange  sie nicht fürchten, dabei erwischt zu werden.

Weniger Unfälle während der Blitzer-Aktionen

Die Studie hat ermittelt, dass es an den Blitzertagen im Durchschnitt acht Prozent weniger Unfälle gibt. „Unsere Studie reiht sich in eine Reihe von Studien ein, die zeigen, dass Tempo-Limits wirken, dass also niedrigere Geschwindigkeiten Unfälle vermeiden können“, sagt Prof. Bauernschuster. Angesichts der klaren Zahlensprache dieser wissenschaftlich fundierten Studie, die noch dazu aus aus Bayern stammt, müsste man sich eigentlich schon fragen, auf welcher Substanz eigentlich die aktuelle CSU-Kampagne gegen Tempolimits fußt.[2]

Dennoch können Radar-Blitzer das Verhalten von Autofahren verändern. Zumindest das Fahrverhalten derjenigen, die  wegen zu schnellen Fahrens haben blechen müssen! Das jedenfalls haben Forscher in Prag herausgefunden.[3] Dort haben ein tschechischer und ein deutscher Forscher in einem Vorort untersucht, dass Autofahrer, die wegen zu schnellen Fahrens bestraft wurden, danach langsamer unterwegs waren. Und dies sogar noch mindestens zwei Jahre später, denn länger dauerte der Studienzeitraum nicht.[4]

Höhere Strafen für Temposünder auch in Deutschland könnten folglich einen Effekt haben. Denn die Forscher in Passau gingen bei ihrer Studie von ökonomischen Ansätzen aus. Ein Fazit der Wissenschaftler: Die Blitzermarathons verändern das Kosten-Nutzen-Kalkül der Fahrerinnen und Fahrer. Durch die erhöhte Gefahr, geblitzt und bestraft zu werden, erhöhen sich die Kosten von zu hoher Geschwindigkeit im Verhältnis zum Nutzen, wie etwa Zeitersparnis oder Freude am schnellen Fahren.

Einzelnachweise:

[1] Universität Passau: „Erkenntnis verborgen in Datenbergen“, in: digital.uni-passau.de vom 31. Januar 2020, Abruf am 6. Februar 2020.

[2] Christlich Soziale Union CSU: „Tempolimit? Nein Danke!“, in: csu.de vom 2. Februar 2020, Abruf am 6. Februar 2020.

[3] Deutschlandfunk Nova: „Blitzermarathon: Weniger Unfälle, aber nur kurzfristig“, in: deutschlandfunknova.de vom 6. Februar 2020, Abruf am 6. Februar 2020.

[4] CESifo GmbH: „Learning from Law Enforcement“, in: cesifo.org vom 10. Januar 2020, Abruf am 6. Februar 2020.

Die mobile Version verlassen