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Razzia im Kinderzimmer!

Als die Polizei vor der Haustür stand, müssen ihre Eltern wohl aus allen Wolken gefallen sein. Ihre Sprösslinge standen unter dem Verdacht des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornografie. Die 14- bis 26jährigen, teils noch Schulkinder, Teil eines kriminellen Pädophilenrings?

Die Razzia im Kinderzimmer war gewissermaßen ein Warnschuss. Doch der Verdacht gegen die Schüler und Jugendlichen  wiegt schwer. Sie sollen über soziale Netzwerke Videos verbreitet haben, die sexuelle Gewalt an Kindern zeigen. Bundesweit in elf Ländern hat die Kriminalpolizei die Wohnungen von 21 „Verdächtigen” durchsucht. Der Jüngste ist gerade einmal 14 Jahre alt.[1]

„Wir wollen das nicht bagatellisieren“

Laut Bundeskriminalamt (BKA) habe man bei den Kindern zahlreiche Handys, Computer und Datenträger als Beweismittel sichergestellt. Sie hätten wohl aus einer Art Laune heraus die Videos geteilt, sie dadurch weiter verbreitet und sich damit strafbar gemacht, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, Alexander Badle der Deutschen Presseagentur dpa. Keineswegs habe man damit einen weiteren Pädophilenring gesprengt, beruhigte die Staatsanwaltschaft. Die Durchsuchungen, die man vorgenommen haben, unterschieden sich stark von den Fällen, welche die Anwaltschaft sonst behandele. Aber man wolle „die Taten nicht einfach bagatellisieren“.[2]

Die bei der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft angesiedelte Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) war maßgeblich an den Ermittlungen beteiligt. Sie ist erster Ansprechpartner des BKA für Internetstraftaten. Der Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet und über soziale Medien ist einer der Schwerpunkte der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft. Sie hat schon mehrere Kinderporno-Netzwerke enttarnt, so beispielsweise auch 2017 die Plattform „Elysium”, auf der mehr als 100.000 pädophile Nutzer registriert waren.

Kein Kind wurde festgenommen

Darum geht’s: Eine Aufnahme, die die Polizei sichergestellt hat, zeigt zwei Jugendliche, die in einem Steinbruch, der vermutlich in Afghanistan liegt, ein Kind vergewaltigen. Auf einem anderen Clip sind zwei Kinder aus den USA bei sexuellen Handlungen zu sehen, zu denen sie mutmaßlich von einer fremden Person gedrängt wurden. Die Kinder und Jugendliche hatten die Aufnahmen online geteilt und mit von ihnen als lustig empfundenen Texten und Emojis versehen.

Festgenommen wurde bei der Razzia freilich niemand. In dem Verfahren gehe es zunächst auch erst einmal vorwiegend um Prävention. Man wolle Kinder und Jugendliche sensibilisieren, dass derartige Videos, die spaßeshalber in Klassenchats verbreitet würden, strafrechtlich relevant sein können. Denn das Phänomen habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen.

Es drohen Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren!

Die betroffenen Kinder und Jugendlichen sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn der Besitz und die Weiterverbreitung von Kinderpornos kann mit Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden. Und es droht ihnen, dass sie sich ihre berufliche Zukunft verbauen. Spätere Jobs in der Sozial- und Jugendarbeit oder im öffentlichen Dienst sind bei verurteilten Pädophilen nicht mehr drin.[3]

Gerade erst hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden, der Besitz von Kinderpornografie sei ein Grund, Lehrern den Beamtenstatus zu entziehen. Das Land Berlin hatte an der pädagogischen Eignung zweier Lehrer gezweifelt und wollte sie mit einer Disziplinarklage aus dem Beamtendienst entfernen.

Zweifel an pädagogischer Eignung zweier Lehrer

Die beiden Lehrkräfte hatten sich in ihrer Freizeit kinderpornografische Videos und Bilder besorgt und angeschaut. Die Vorinstanzen, das Verwaltungsgericht Berlin und das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hatten die Fälle zweier Berliner Lehrer zwar noch anders beurteilt.

Das Anschauen solcher Filme alleine aber bewege sich noch im unteren Bereich des Strafrahmens, befand das OVG. Und das allein rechtfertige noch nicht die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme Die Stadt Berlin legte Revision ein und das Bundesverwaltungsgericht hob nun die Urteile der Vorinstanzen auf (Aktenzeichen BVerwG 2 C 3.18 und BVerwG 2 C 4.18).[4]

Kinderpornos als Köder zum Cyber-Grooming

Oft ist wird es den Kindern und Jugendlichen gar nicht richtig bewusst, dass  hinter jedem Kinderpornofilm, eine konkrete Tat steht, bei der ein junger Mensch misshandelt wurde. Wer solche Filme anschaut und teilt, schafft für derartige Misshandlungen überhaupt erst einen Markt. Und Menschen mit pädophilen Neigungen nutzen solche Videos zum sogenannten Cyber-Grooming, also um unter Vortäuschung einer falschen Identität mit Minderjährigen in Kontakt treten zu können.

Wenn man den Kindern und Jugendlichen jetzt also das Smartphone wegnimmt, wie es die Beamten beider Razzia getan haben, dann zeige das eine gewisse Signalwirkung – gerade auch auf andere Jugendliche, wissen Experten. Und es unterbricht dabei zugleich die Kommunikationskette der weiteren Verbreitung von Kinderpornos. Damit allein ist schon viel gewonnen.

Einzelnachweise:

[1] Berliner Morgenpost: „Bundesweite Razzia wegen Verdachts auf Kinderpornografie“, in: morgenpost.de vom 26. Oktober 2019, Abruf am 29. Oktober 2019

[2] Süddeutsche Zeitung: „Razzia gegen die Bedenkenlosigkeit“, in: sueddeutsche.de vom 28. Oktober, Abruf am 29. Oktober 2019

[3] Wikipedia: „Artikel Kinderpornografie“, in: de.wikipedia.org, Abruf am 29. Oktober 2019

[4] ARD Tagesschau: „Kinderpornobesitz unvereinbar mit Lehrerberuf“, in: tagesschau.de vom 24. Oktober 2019, Abruf am 29. Oktoer 2019

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sgf

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