Weniger Insolvenzen trotz Corona? Warum die große Pleitewelle erst noch kommt.
Unter Finanzexperten herrscht Einigkeit: Die Coronakrise wird eine riesige Pleitewelle nach sich ziehen. Umso überraschender erscheinen die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen über die eröffneten Insolvenzverfahren seit Jahresbeginn.
Destatis Insolvenzstatistik für das erste Quartal 2020
Insgesamt 4.683 Firmeninsolvenzen vermeldeten die Amtsgerichte im ersten Quartal dieses Jahres, das sind 3,7 % weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Am stärksten betroffen war der Handel mit 788 Verfahren, auf den nächsten Plätzen folgten die Baubranche (761) und das Gastgewerbe (514). Aus den bereits vorliegenden Zahlen über monatlich eröffnete Regelinsolvenzen ergibt sich im April 2020 sogar ein deutlicher Rückgang von 13,4 % gegenüber dem Vorjahresmonat.
Wann schlägt sich die Coronakrise in der Statistik nieder?
Diese niedrigen Zahlen lassen sich zunächst damit erklären, dass die Firmeninsolvenzen aus dem ersten Quartal 2020 noch in keinem Zusammenhang mit der Coronakrise stehen. Die ersten Beeinträchtigungen durch Zulieferprobleme sind frühestens ab Januar aufgetreten, und die Folgen des Lockdowns konnten erst ab März spürbar werden. Zwischen der Beantragung eines Insolvenzverfahrens und der Eröffnung liegen regelmäßig zwei bis drei Monate. Und bevor nicht bezahlte Rechnungen zu Vollstreckungstiteln werden, vergehen durchschnittlich drei bis vier Monate. Aufgrund dieses zeitlichen Vorlaufs gehen Experten davon aus, dass sich die Pleitewelle frühestens in den Statistiken des dritten Quartals bemerkbar machen wird.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Ein weiterer Grund dafür, dass viele Firmenpleiten noch nicht in die Statistik eingehen konnten, liegt in einer gesetzlichen Sonderregelung, die zahlungsunfähige Unternehmen derzeit von der Pflicht zur Insolvenzantragstellung befreit. Diese Ausnahme soll noch bis zum 30. September 2020 gelten, um zu verhindern, dass gesunde Firmen nur wegen eines vorübergehenden Engpasses vorschnell in die Insolvenz getrieben werden. Sobald die Sonderbestimmung ausgelaufen ist, muss wieder jeder zahlungsunfähige Unternehmer den Antrag stellen, um keine Insolvenzverschleppung zu begehen. Viele Unternehmen, die bereits
Wie groß wird die Pleitewelle?
Bisher gehören die Reisebranche, die Gastronomie und der Kultur- und Eventsektor zu den am stärksten geschädigten Branchen, auch zahlreiche Zulieferer, wie etwa Bierbrauereien, mussten mangels Absatzmöglichkeiten bereits schließen. Die Coronakrise wirkt sich in mehrfacher Hinsicht lähmend auf die Wirtschaft aus: Zum einen drückt sie auf die Produktion, weil Lieferketten nicht mehr funktionieren, zum anderen verringert sie auch die Nachfrage. Denn in den Innenstädten sind kaum Menschen zum Shopping unterwegs, und wegen weggefallener Einkünfte fehlt es ihnen an Kaufkraft. Nur diejenigen Firmen, die vor der Krise rundum gesund waren, werden die Durststrecke überstehen können. Für alle, die bereits schwächelten und nun noch zusätzliche Kredite aufgenommen haben, verzögert sich die Pleite nur. Über 850.000 Unternehmen haben auf Kurzarbeit umgestellt. Auch wenn längst nicht alle von ihnen ernsthaft gefährdet sind, lässt die Zahl vermuten, welches Ausmaß die Insolvenzwelle im nächsten Jahr annehmen könnte.